Aerodynamik ist im Automobilbau entscheidend, gerade auch bei der E-Mobilität. Je stromlinienförmiger ein Modell ist, desto besser seine Effizienz.
In aerodynamische Stromlinienform gekleidete Automobile fahren ihrer Zeit weit voraus. So ist es heute beim vollelektrischen Hyundai Ioniq 6, der dank eines Fabel-cw-Werts geringere Verbrauchswerte und mehr Reichweite als vergleichbar große SUV-Hochsitze bietet, dafür aber als flach bauende Limousine in futuristischer Aeroform polarisiert.
So war es schon beim windschnittigen NSU Ro 80, der 1967 alle anderen Autos alt aussehen ließ und das Audi-Design bis in die 1980er Jahre beeinflusste, aber selbst kommerziell scheiterte. Andererseits avancierte die Stromlinie in der westlichen Welt der 1930er zur angesagten Haute Couture.
Rekord mit der „La Jamais Contente“
Ende des 19. Jahrhunderts der Belgier Camille Jénatzy den Auftakt zu einem damals noch kurzlebigen setzte elektrischen Temporausch: Seine ab 1898 entwickelten Stromer errangen im Folgejahr gleich drei Mal den Geschwindigkeitsrekord für Landfahrzeuge. Vor allem mit einer Rekordfahrt in der stromlinienförmig karossierten „La Jamais Contente“ („Die nie Zufriedene“) schrieb Jénatzy Geschichte, knackte er doch 1899 als erster die imaginäre 100-km/h-Schallmauer.
Schon nach dem Ersten Weltkrieg übertrugen Flugzeugbauer wie der deutsche Edmund Rumpler und der österreichische Luftschiffer Paul Jaray ihre Erkenntnisse in tropfenförmige Serienautomobile, die sensationelle cw-Werte erzielten. Ruhm gab es kaum, eher den Spott der Presse und die Häme der Konkurrenz. Etwa als Rumplers kurios geformter und ab 1921 in Serie gebauter Tropfenwagen in einem finanziellen Fiasko endete. Erst ein Jahrzehnt später schienen Zeit sowie Autobahnen und Interstate-Highways reif für Formen, die dem Wind den geringstmöglichen Widerstand entgegensetzen. Mercedes-Benz präsentierte 1935 den 500 K Autobahnkurier mit stromlinienförmiger Karosserie als frühen Superstar einer speedsüchtigen Dekade.
Eine Frage der Zeit
Die meisten Stromlinienmodelle sollten die Schönen und Reichen durch ihre futuristisch fließende Form gewinnen, allerdings waren Besserverdienende zu selten avantgardistisch eingestellt. Und so fanden Typen wie Maybach SW 35, Talbot-Darracq Typ T 150 GS, Panhard Dynamic, Voisin V12L Aerosport und Skoda 935 Dynamic nur selten Liebhaber.
„Streamlining“ kam aus der Mode, führte aber nach dem Zweiten Weltkrieg zu Autos, die im Raketen- oder Jetfighterstil gezeichnet wurden und gigantische Heckflossen zeigten. Nicht zu vergessen das Fließheck, wie es bis heute hip ist. Da die nach dem Prinzip von Paul Jaray aerodynamisch optimierten Autos im Heckbereich zu lang waren, wurden sie nach Erkenntnissen des Experten Wunibald Kamm gekappt, das Kammheck entstand.
Alternativ schrumpften die Linien Ende der 1930er auf ein „fast back“ genanntes, schnelles Heck. Dieses Fließheck sah aerodynamisch aus, zeichnete sich aber durch einen eher hohen Luftwiderstand aus. Während sich die Fastback-Mode in den USA rasch überlebte, blieb sie in Europa durch Volksautos wie VW Käfer und Volvo PV 444/544 aktuell – bis Ende der 1960er Jahre praktische Fließheck-Fünftürer folgten. Als Statement gegen den Mainstream und Visualisierung einer vielversprechenden Zukunft trugen derweil so unterschiedliche Typen wie Citroen DS (1955), Ford Taunus 17 M P3 (1960), Mercedes-Benz C 111 (1969/70), Citroen CX (1974).
Weniger Emissionen
Ein bis heute anhaltendes Revival bei allen Herstellern erlebt die Kunst der Aerodynamik seit den 1980ern. Die Diskussionen um Emissionen und Nachhaltigkeit führten zu ausgelasteten Windkanälen und immer neuen Aerodynamik-Sensationen: War 1982 der Audi 100 mit cw 0,31 Weltmeister, unterboten ihn alsbald Mercedes E-Klasse W 124 (1984, cw 0,29) oder Opel Calibra (1989, cw 0,26).
Die Epoche der SUV setzte kurzzeitig andere Prämissen, aber das E-Auto-Zeitalter eröffnet für die Kunst der Aerodynamik ein neues Kapitel. Effizienz zugunsten großer Reichweite, dafür zaubern die Entwickler immer neue Bestwerte, auch in provozierenden Designs, wie sie der luxuriöse Mercedes EQS (cw 0,20) oder der bezahlbare Ioniq 6 (cw 0,21) tragen.(SP-X)