Livewire hat mit der S2 Del Mar ihr zweites Elektromotorrad auf den Markt gebracht. Im Vergleich zur „One“ wurde sie in vielen Bereichen verbessert.
Die Livewire S2 Del Mar aus dem Hause Harley-Davidson zeigt, dass Elektro-Motorräder im städtischen Umfeld durchaus ernst genommen werden müssen. Mit moderaten Ladezeiten an der Wallbox, einer urban ausreichenden Reichweite, einem überschaubaren Fahrzeuggewicht und grandiosen Fahrleistungen schickt sie sich an, einen kräftigen Pflock einzurammen.
Bei der ersten Testmöglichkeit in Barcelona kam nicht nur großer Fahrspaß auf, das gewählte Konzept überzeugte. Dann jedenfalls, wenn man nicht 250 oder noch mehr Kilometer am Stück fahren will oder muss.
S2 Del Mar deutlich moderner als die One
Die ältere Schwester, die Livewire One, war im Sommer 2019 als Harley-Davidson Livewire zur Welt gekommen. Sie blieb blass; nach einiger Zeit gründete Harley für seine E-Aktivitäten eine spezielle Tochtergesellschaft und nannte sie Livewire.
Die S2 Del Mar ist deutlich moderner. Ihre Gewichtsverteilung ist dank der mittragenden Batterie wesentlich vorteilhafter für wieselflinkes Fahren. Sie lenkt nicht nur leicht ein, sondern überzeugt im gesamten Handling. Kurven werden absolut freudvoll absolviert, dazu stabil. Wobei offenbleiben muss, ob 17-Zoll-Räder nicht vielleicht sogar eine weitere Steigerung brächten; die beiden 19-Zöller, vorne 130 und auf hinten 140 Millimeter breit, schlugen sich zumindest gut, auch wenn sie optisch gewöhnungsbedürftig sind.
Gute Ergonomie auch für große Fahrer
Ebenfalls gelungen ist die Ergonomie: Sowohl Fahrer mit gerade mal 1,70 Meter Körpergröße wie Männer von jenseits der 1,90 Meter fühlen sich gut untergebracht. Auch Lenkerbreite und das Platzangebot sind positiv zu werten. Wobei klarzustellen ist, dass die S2 kein Zweisitzer ist; mehr als ein Notplatz hinterm Fahrersitz ist nicht geboten. Dafür setzt sich die elektrische Amerikanerin formal bestens in Szene: Der Akku mit seinen markanten Kühlrippen ist ein Hingucker, die Proportionen des zierlichen Motorrads überzeugen.
Mehr als nur positiv ist das Leistungsangebot des Antriebs, obwohl die Nominalleistung gerade einmal 40 PS beträgt und damit das Fahren mit dem A2-Führerschein ermöglicht. Die Spitzenleistung, nur beschränkte Zeit abrufbar, liegt mit 84,5 PS mehr als doppelt so hoch, und sie ist es, die das Temperament der Del Mar bestimmt.
Gutes Verhältnis zwischen Gewicht und Leistung
Ursächlich für den raketenartigen Abzug ist einerseits das Grundprinzip des E-Antriebs, nämlich die Bereitstellung des vollen Drehmoments schon beim Anfahren. Dazu kommt im Falle der Del Mar das günstige Verhältnis von Leistung und Gewicht.
Nicht zuletzt wegen der Einbeziehung der Batterie in die tragende Fahrzeugstruktur bringt sie mit 198 Kilogramm nicht mehr Gewicht auf die Waage als beispielsweise ein bis aufs Äußerste abgemagertes Superbike. Egal ob aus Tempo 30, 50 oder 70: Die S2 sprintet davon wie Schmitts Katze, wenn Gefahr droht. Nach oben raus ist bei 163 km/h Schluss, allemal genug für die urbane Umgebung.
Straffes Fahrwerk gewöhnungsbedürftig
Nach kräftiger Beschleunigung ist es nicht weit zum Verzögern: Auch hier punktet die Livewire S2 Del Mar, obwohl sie nur eine Scheibenbremse im Vorderrad aufweist. Aber die ist mit einer radial montierten Brembo-Vierkolbenzange und einer gelochten 30-cm-Bremsscheibe gut gerüstet und verzögert punktgenau. Zudem ist das ABS schräglagentauglich.
Als Sänfte geht die Del Mar erwartungsgemäß nicht durch; ihre Showa-Federelemente sprechen straff an. Die USD-Gabel ist voll einstellbar, das Zentralfederbein in Vorspannung und Zugstufe, so dass der Fahrer bei Bedarf eingreifen kann. Weit mehr beeinflussen lässt sich beim runden Zentralinstrument im Cockpit. Es weist zahlreiche Ebenen auf, denn Möglichkeiten sowohl für Navigation (über App) als auch Kommunikation sind in das mit einem TFT-Display gesegnete Vierzoll-Rundinstrument integriert.
Akku ist 10,5 kWh groß
Anders als beim Modell One bietet die Livewire S2 Del Mar nicht die Möglichkeit der schnellen Gleichstromladung. Dies hätte sowohl den Preis wie auch das Fahrzeuggewicht deutlich negativ beeinflusst. Der 10,5 kWh große Akku kann also nur mittels „Level 1“ (Haushaltssteckdose) oder „Level 2“ (Wallbox, Wechselstrom) gefüllt werden. Das dauert: Rund sechs Stunden an der Steckdose bis zum Füllstand von 80 Prozent bzw. achteinhalb Stunden bis „Voll“. An der Wallbox vergehen 78 Minuten (80 Prozent), für die Vollladung knapp zweieinhalb Stunden.
Die Kunden werden entscheiden, ob sie angesichts des Einsatzbereichs im urbanen Raum mit diesen Rahmenbedingungen zufrieden sind. Ein ganz neues Niveau bietet die Livewire S2 Del Mar beim Preis: mit 18.490 Euro ist sie deutlich zugänglicher als ihre ältere Schwester. Die hier beschriebene Launch-Edition kommt im Lauf des ersten Quartals 2024 in einer Auflage von 100 Stück zur Auslieferung. Anschließend folgt die Normalversion. Und dann? Nicht ausgeschlossen, dass auf „One“ und S2 auch noch ein Modell mit einer Drei in der Modellbezeichnung erscheinen könnte. (SP-X)