Autonomes Fahren: Lidar-Technik wird bezahlbar

Autonomes Fahren: Lidar-Technik wird bezahlbar
Ein Roboterauto von Uber. © Uber

Die Markteinführung des autonomen Fahrens ist nicht nur eine Frage der Regulatorik, sondern auch des Preises. Doch die Technik wird günstiger, wie der Blick auf die Lidar-Technik zeigt.

Kamera oder Lidar? So lautet seit langem die Frage beim autonomen Fahren. Nun kristallisiert sich eine Antwort heraus: Denn die einst extrem teure Lidar-Technik scheint nach rund sechs Jahrzehnten Entwicklung preislich endlich attraktiv zu werden.

Noch Mitte des vergangenen Jahrzehnts taxierten Experten der Unternehmensberatung Boston Consulting Group die Kosten für ein Pkw-taugliches Lidar-System auf rund 50.000 Euro. Ein Preis, der für Privatkunden und selbst für gewerbliche Robotaxi-Dienste außerhalb jeder Reichweite war.

Keine neue Technik

Dabei handelte es sich schon damals beim Lidar nicht um einen neue Technik. Seine Ursprünge reichen bis in die 1960er-Jahre, breitere öffentliche Bekanntheit erlangte er spätestens, als ihn die Apollo-15-Astronauten Anfang der 1970er-Jahre zur Vermessung der Mondoberfläche nutzten.

Seitdem sind zahlreiche Einsatzgebiete dazugekommen: von der Wetterbeobachtung über Geographie und Robotik bis zur Geschwindigkeitsmessung im Straßenverkehr. Nur der Großserien-Einsatz im Automobil fehlt noch – traditionell eine besonders anspruchsvolle Aufgabe, denn Fahrzeuge bewegen sich jahrelang bei Wind und Wetter über alle Arten von Straßen und können dabei nicht täglich gewartet und gecheckt werden.

Laserscanner arbeitet wie ein Radar

Prinzipiell betrachtet arbeitet der Laserscanner wie ein Radar. Doch statt Radio- beziehungsweise Funkwellen sendet er Infrarotlicht aus und berechnet aus den Reflexionen die Beschaffenheit seiner Umgebung. Die funktionelle Verwandtschaft findet sich auch in der gängigen Bezeichnung des Laserscanners wieder, denn „Lidar“ ist ein Kofferwort aus „Licht“ und „Radar“.

Techniker leiten sich den Begriff heute allerdings als Abkürzung von „Light imaging, detection and ranging“ her. In dieser Bezeichnung steckt auch bereits, was die Technik leisten kann: Sie macht sich ein Bild von der Umwelt, detektiert Hindernisse und vermisst ihre Entfernung. Für die Orientierung eines autonom fahrenden Autos sind das durchaus interessante Fähigkeiten. Allerdings keine einzigartigen.

Kamera mit Einschränkung geeignet

Auch andere Sensoren können ähnliche Funktionen wie das Lidar bieten. Zunächst natürlich das Radiowellen-Radar, das allerdings klassischerweise Nachteile bei Reichweite, Auflösung und Störanfälligkeit hat.

Oder aber die Kamera, die zwar mit der richtigen Software ihre Umgebung klar erkennt und auch die Berechnung von Entfernungen erlaubt, aber spätestens bei Dunkelheit und Nebel aussteigt. Trotzdem hat vor allem Tesla bei seinen Autopilot-Assistenten große Hoffnungen auf den Videosensor und die passenden Algorithmen gesetzt. Elon Musk verteidigt bis heute die Überlegenheit der Technik – auch, wenn sie keine volle Autonomie ermöglicht und immer wieder aufgrund von Unfällen in die Kritik gerät.

Die Gründe für die Lidar-Ablehnung bei Tesla und anderen Software-getriebenen Unternehmen dürfte mehrere Gründe haben. Zuvorderst wohl den Preis und die schwierige Verfügbarkeit. Aber auch ästhetische Überlegungen werden eine Rolle spielen. Wer sich an Googles autonomen Kleinwagen-Prototypen Firefly erinnert, kann das Nachvollziehen: der knubbelige Zweitürer trug auf dem Dach eine riesige 360-Grand-Lidar-Kuppel des Herstellers Velodyne, die fast wie ein altmodisches Polizei-Blaulicht wirkte. Der Scanner funktionierte zwar offenbar, aus der etablierten Autoindustrie wollte ihn aber trotzdem niemand haben.

Zunehmende Konkurrenz

Volvo präsentierte bereits 2019 zusammen mit Uber einen autonom fahrenden XC90. Foto: Volvo

Seit den automobilen Pioniertagen hat sich viel getan. Zu Velodyne gesellte sich bald Luminar mit seinen deutlich flacheren Gehäusen, kurze Zeit später folgten auch etablierte Zulieferer wie Valeo, Bosch, Continental oder VW-Kooperationspartner Argo. Alle haben Auto-taugliche Systeme im Programm oder stehen kurz vor der Markteinführung. Und auch die ersten Serienfahrzeuge mit Laserscannern kommen auf die Straße, etwa der elektrische Mercedes EQS, der mit Hilfe des Sensors in der Front künftig hochautomatisiert fahren soll. Die neue Konkurrenz und die beginnende Marktrelevanz beschleunigt die Entwicklung und lässt die Preise sinken. Aktuell sind die Sensoren für deutlich unter 10.000 Euro zu haben, Experten rechnen mittelfristig mit niedrigen vierstelligen Preisen.

Für die großen Autohersteller sind das gute Aussichten. Denn ohne günstige Lidar-Systeme wird aus dem autonomen Fahren wohl nichts. VW-Konzernchef Herbert Diess hat gerade erst im Reddit-Chat noch einmal bestätigt, dass er die durch den Scanner realisierte Redundanz für einen sicheren Betrieb für unverzichtbar hält. Ähnlich sieht es Volvos Technik-Chef für autonomes Fahren, Martin Kristensson, der sich einen Lidar-Verzicht generell nicht vorstellen kann. Die Schweden selbst setzen die Technik künftig bei ihrem kommenden Elektro-Flaggschiff ein, das noch in diesem Jahr in Kalifornien autonom unterwegs sein soll.

Beide Branchenvertreter meinen das gleiche: Das Roboterauto brauch alle Sinne, um sich künftig immer und überall zurechtzufinden. Auch wenn und gerade weil sich die Fähigkeiten einzelner Sensoren überlappen. Zu überprüfen ist das in Deutschland ab Jahresende. Dann wollen Sixt und der zum Intel-Konzern zählende Sensorspezialist Mobileye in München mit einer ersten autonomen Taxiflotte starten. An Bord wird dann neben Kamera und Radar auch der Lidar sein. Seine große Zeit scheint rund 60 Jahre nach seiner Geburt erst noch vor ihm zu liegen. (SP-X)

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