Mit dem Hybrid-Modell LBX will Lexus Kunden für Premium-Kleinwagen gewinnen. Dazu wurde der Toyota Yaris Cross gestreckt und aufgepeppt.
Man darf die Idee durchaus mutig nennen. Nicht so sehr jene, dass Lexus seine Modellpalette erweitern und in andere Segmente vorstoßen will – wohl aber, dass Toyotas noble Tochter plant, ausgerechnet mit einem Klein-SUV zu punkten. Ein Hauch von Premium soll künftig genau dort Einzug halten, wo potenzielle Käufer üblicherweise mit spitzem Stift rechnen. „Unser Ziel war es, das konventionelle Konzept eines Luxusautos in Frage zu stellen“, sagt Chefingenieur Kunihiko Endoh. Ein Juwel sei schließlich keine Frage der Abmessungen.
Dass sie auf den mit Abstand kleinsten Vertreter große Stücke halten, sagt schon der Name. Immerhin steht LBX für Lexus Breakthrough Crossover. Etwas Bahnbrechendes also. Ähnlich wie der Supersportwagen LFA, dem bislang als einzigem Modell drei Buchstaben in der Nomenklatur vorbehalten waren. Auf jeden Fall soll der LBX mit 25.000 Exemplaren pro Jahr ein Bestseller in Europa werden. Nicht rein elektrisch, sondern mit Zwitter-Antrieb, den man im Zeichen des L gleichsam zur Philosophie erhoben hat. Mit mehr als 90 Prozent Hybrid-Quote fährt die Marke einsam vorneweg.
Ohne Diabolo-Grill – und doch erkennbar
Apropos vorne: Den traditionellen Diabolo-Grill hat Lexus neu interpretiert und zu einem Trapez unter der Motorhaubenkante geschrumpft. „Dekonstruiert“ nennt das Designchef Koichi Suga – dennoch ist der LBX auf den ersten Blick als Familienmitglied erkennbar. Das hintere Nummernschild wanderte nach unten in den Stoßfänger, um Platz für den Markenschriftzug auf der Heckklappe zu machen.
Kompakt und frech steht er da. Die Backen dick, die Schultern breit, die Federbeine lang. Im Grunde ein aufgepeppter Yaris Cross – und eben doch nicht ganz. Zwei Zentimeter haben sie bei Länge (4,20) und Radstand (2,58) draufgepackt, auch die Spur etwas verbreitert. Ein wenig Abstand zu Toyota muss schon sein. Und genau deshalb gibt’s auch ein bisschen mehr Bumms. Schließlich soll Premium beim LBX nicht nur draufstehen.
Der Doppelpack aus Kolben und Wicklung reicht in Summe 136 PS an. Mehr als reichlich für einen Wagen, der da zuhause sein soll, wo in der Regel die Straßen eng und die Parkplätze klein sind. Den konventionellen Part übernimmt ein 1,5-Liter-Dreizylinder mit geraden Einlasskanälen, laserbeschichteten Ventilsitzen und ultraleichten Kolben für hohe Drehzahlen. Da hilft halt, dass Toyota schon so viele Jahre erfolgreich in der Rallye- und Langstrecken-WM unterwegs ist.
Mit zweitem E-Motor auch Allradantrieb
Das gilt auch für die neue NiMH-Batterie. Sie soll dank höherer Leistung, besserer Kühlung und schnellerem Ansprechverhalten deutlich mehr Fahrvergnügen bescheren. Wahlweise bietet der LBX kurzzeitigen Allradantrieb über einen zusätzlichen E-Motor an der Hinterachse. Bei diesem Modell weicht die Verbundlenkerachse dann einer Konstruktion mit Doppelquerlenkern.
Zwar beschränkt sich die reine Elektro-Fahrt auf geschätzte zwei oder drei Kilometer, und bei Tempo 170 wird ohnehin abgeregelt – bei etwas Gefühl im rechten Pedal indes können die Brennkammern rund die Hälfte der Fahrzeit tatsächlich schließen. Echt sportlicher Beschleunigung steht vermutlich die etwas zögerliche Stufenlos-Automatik im Wege, aber wenn’s sein muss, soll es der LBX in 9,2 Sekunden auf Landstraßen-Limit und mit etwas Anlauf sogar bis Tempo 170 schaffen. Immerhin sind dank Alu-Haube und anderer Leichtbauteile nur knapp 1,3 Tonnen zu bewegen.
Vorne thront man beinahe schon erhaben wie der Tenno. In schicken Sitzen eingefasst hinter einem 12-Zoll-Cockpit und einer Instrumententafel, die nahtlos in die Türverkleidungen übergeht. Der Innenraum könnte tatsächlich aus einem höherklassigen Modell stammen. Die wichtigsten Bedienelemente finden sich direkt um den Fahrer herum, optional ist auch ein Head-up-Display erhältlich.
Ausgleichswelle und viel Dämmung
Großen Aufwand verspricht Lexus in Sachen Geräuschdämmung. Eine Ausgleichswelle nimmt dem Motor die Vibrationen, spezielle Bleche, Isolierung und Dichtungsmasse tun das Ihre, und für satt ins Schloss fallende Türen sorgen kunsthandwerkliche Takumi-Meister. Warum, so die Firmenphilosophie, sollte nicht auch im Auto gelten, was die Japaner Omotenashi nennen: Gastfreundschaft? In zweiter Reihe bleibt zwar der Kopf frei, mit den Knien allerdings kann’s knapp werden, wenn die Vorderleute allzu ausladend sitzen. Auch für großes Gepäck ist der LBX eher nicht gemacht. 332 Liter steckt er in der Version mit Frontantrieb weg, Fahrer der Allrad-Variante müssen sich mit 240 Liter begnügen. So ein zusätzlicher Motor braucht halt Platz.
In Sachen Kommunikation ist der LBX auf der Höhe der Zeit. Er reagiert auf Sprachbefehle, ein 9,8-Zoll-Touchscreen bietet Cloud-basierte Navigation, und über einen digitalen Schlüssel lässt sich der Wagen auch per Smartphone entriegeln, starten und sogar einparken. Bereits ab Werk hält der LBX artig Spur, Tempo und Abstand, beobachtet den Querverkehr, späht in tote Winkel und wirft bei Gefahr den Anker. Das elektronisch gesteuerte Bremssystem passt die Kraftverteilung an Vorder- und Hinterrädern automatisch an, verspricht Lexus. Auch die Wankneigung in Kurven soll damit reduziert werden.
Ab Anfang kommenden Jahres soll der LBX in Europa verkauft werden. Und erstmals wird es keine klassischen Ausstattungslinien geben, sondern vier „Atmosphären“, die sich durch Lackierung, Oberflächen und andere Details wie Sitzbezüge, Gurtfarben und Ziernähte definieren. Ob der Lexus-Plan am Ende aufgeht, wird auch von den Preisen abhängen. Über die allerdings darf noch ein bisschen gerätselt werden.