Bundesumweltministerin Barbara Hendricks muss nun doch nicht mit leeren Händen zum Weltklimagipfel nach Marrakesch reisen. Die Grünen bezeichneten den Klimaplan nach den zahlreichen Kompromissen als wirkungslos.
Die Bundesregierung will den Klimaschutzplan nach der Koalitionseinigung rechtzeitig bis kommenden Montag beschließen. Für den entsprechenden Kabinettsbeschluss werde ein besonderes Umlaufverfahren gewählt, das am kommenden Montag, um 12.00 Uhr, abgeschlossen sein solle, teilte Vize-Regierungssprecher Georg Streiter am Freitag in Berlin mit.
Damit habe die Bundesregierung vor den abschließenden Beratungen der Minister auf dem Weltklimagipfel in Marrakesch "ein starkes Signal der Entschlossenheit gesetzt", die Ergebnisse der Vereinbarungen von Paris umzusetzen.
Treibhausgase um bis zu 95 Prozent senken
"Alle bisher offenen Fragen konnten nun einvernehmlich geklärt werden", sagte Streiter weiter. Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) ist nach den Worten ihres Sprechers froh und erleichtert über die Einigung. Dies sei ein wichtiges Signal, dass Deutschland beim Klimaschutz handlungsfähig bleibe. Zu Inhalten äußerte sich Streiter nicht näher. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) bewertete den Kompromiss nach Aussage einer Sprecherin als eine sehr gute und ausgewogene Lösung.
Nach dem Klimaschutzplan soll der Ausstoß von Treibhausgasen in Deutschland bis zum Jahr 2050 um 80 bis 95 Prozent reduziert werden. Laut Streiter werden die wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Folgen der vom Parlament beschlossenen gesetzlichen Maßnahmen von der Bundesregierung jeweils abgeschätzt und politisch bewertet. Insbesondere würden die vereinbarten Sektorziele einer umfassenden Folgenabschätzung unterzogen, die 2018 eine Anpassung der Ziele ermögliche.
Grüne kritisieren Plan als wirkungslos
Allerdings hat der Bundeswirtschaftsminister auf den letzten Metern noch einen Rabatt für die Industrie durchgedrückt. Bis 2030 muss die Industrie nun 140 bis 143 Millionen Tonnen Kohlendioxid (CO2) einsparen, wie aus dem der Deutschen Presse-Agentur am Freitag vorliegenden Plan hervorgeht. Das sind etwa 10 Millionen Tonnen weniger als zuletzt von Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) vorgesehen. Im Gegenzug muss nun Hendricks im eigenen Ressort bei der Gebäudeeffizienz um die acht Millionen Tonnen extra einsparen. Die restlichen zwei Millionen Tonnen CO2-Einsparung, um den Industrie-Rabatt auszugleichen, sollen aus anderen Wirtschaftsbereichen wie etwa Abfall und Abwasser kommen.
Die heftig umstrittene Kohle-Kommission soll im Jahr 2018 unter Federführung des Gabriel-Ministeriums starten - aber formal stark verwässert. Sie wird anders heißen und soll «Strukturwandel» in Wirtschaft und Klimaschutz unter einen Hut bekommen. Von einer «Vollendung der Energiewende» ist keine Rede mehr. Zum schrittweisen Braunkohle-Ausstieg bekennt sich die Regierung aber an anderer Stelle des 90-seitigen Textes. Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) willigte ein, dass der Verkehrsbereich bis 2030 bis zu 98 Millionen Tonnen CO2 Einsparung bringen muss.
Schnelle Kritik kommt von den Grünen, die den Plan nun als wirkungslos bezeichnen. «Beim Kampf gegen Klimawandel sind homöopathische Dosen nicht die richtige Lösung», sagte Parteichef Cem Özdemir am Freitag in Münster, wo die Grünen zu einem dreitätigen Parteitag zusammenkamen. Der Plan von Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) lasse wichtige Fragen zur Energiewende, zur Agrarwende und zur Zukunft des Verkehrs unbeantwortet. Die Lobbys hätten massiv Druck gemacht.
Erster Kompromiss gescheitert
Die Einigung in der Regierung war mehrfach verschoben worden. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) legten ein Veto ein. Sie fürchteten, dass die Industrie - insbesondere die Braunkohle-Konzerne - beim Kohlendioxid-Einsparen in den nächsten Jahrzehnten zu stark gegängelt wird und Arbeitsplätze in Gefahr geraten. So war beim Koalitionsgipfel am Dienstagabend im Kanzleramt der eigentlich erwartete Kompromiss überraschend doch nicht zustande gekommen. Neben Merkel und Gabriel hatten auch die Bundestagsfraktionen von Union und SPD gebremst.
Die Opposition hatte sich verärgert über die Verzögerungen gezeigt. "Angela Merkel hat wochenlang tatenlos zugesehen, wie der Klimaschutzplan ausgehöhlt und zerschossen wurde", sagte zuletzt Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter. Unfassbar sei auch, wie sich Gabriel "zum Schutzpatron der Kohlelobby macht und seiner Kollegin Hendricks dazwischen grätscht". Im Mai 2017 wird in Nordrhein-Westfalen gewählt, wo die SPD regiert und Kohle noch immer ein wichtiger Wirtschaftsfaktor ist. (dpa)