Deutschland will bis zum Jahr 2050 klimaneutral werden. Nach einer aktuellen Studie von drei Klimaschutzorganisationen könnte dieses Ziel unter bestimmten Voraussetzungen bereits fünf Jahre früher erzielt werden.
Durch das vorgezogene Erreichen dieses Zieles könnten knapp eine Milliarde Tonnen CO2 eingespart werden, wie aus dem Gutachten „Klimaneutrales Deutschland 2045“ hervorgeht. Vorgelegt wurde die Studie von der Agora Energiewende, der Agora Verkehrswende und der Stiftung Klimaneutralität.
Damit Deutschland bereits fünf Jahre früher als geplant zur Klimaneutralität kommt, müssten indes Klimaschutztechnologien wie Energieeffizienz, erneuerbare Energien, Elektrifizierung und Wasserstoff noch schneller hochgefahren werden als es bisher geplant ist.
Bundestagswahl als entscheidende Wegmarke
Wie aus dem Gutachten der drei Organisationen hervorgeht, sei das bisherige CO2-Minderungsziel von 65 Prozent bis zum Jahr 2034 geeignet, die Voraussetzungen für eine beschleunigte Transformation nach 2030 zu schaffen. So würden bereits am Markt befindliche oder bis 2030 am Markt angelaufene Klimaschutztechnologien in den kommenden Jahren schneller hochgefahren. Damit der Übergang zur Klimaneutralität in allen Sektoren gelingt, müssten bereits heute die Weichen richtig gestellt werden. „Wer den Strukturwandel erfolgreich gestalten will, der muss in der kommenden Legislaturperiode konsequent Kurs auf Klimaneutralität nehmen“, fordern die drei Organisationen von der Politik. Die anstehende Bundestagswahl im September wird von den drei Organisationen als entscheidende Wegmarke für den Klimaschutz gesehen.
„Klimaneutralität ist ein Rennen gegen die Zeit. Inzwischen sind immer häufigere Extremwetterlagen von einer bedrohlichen Prognose zur bedrückenden Realität geworden. Der einschneidende Kurswechsel in den Vereinigten Staaten verdeutlicht die wachsende Dynamik bei der Klimaambition“, sagte Rainer Baake, Direktor der Stiftung-Klimaneutralität. Aus seiner Sicht könne Deutschland beim Klimaschutz weitaus schneller werden. „Was wir jetzt brauchen, ist der politische Wille, das auch umzusetzen.“
Mehr Leistung von Photovoltaikanlagen nötig
Mit Blick auf die wichtigsten Sektoren würde der Weg zur Klimaneutralität in 2045 bedeuten, dass die Energiewirtschaft den Anteil der Erneuerbaren Energien stärker als bisher ausbaut, da der Stromverbrauch von 2030 bis 2045 um knapp 60 Prozent auf 1000 Terrawattstunden ansteigt. Neben der Windenergie und der Photovoltaik steige auch die Bedeutung des Wasserstoffs, der nach 2040 Erdgas als wichtigsten Energieträger für die regelbare Stromerzeugung in den Zeiten ablöse, in denen nicht ausreichend Wind- und Sonnenenergie zur Verfügung stehe.
So müsse beispielsweise bis 20245 die Leistung von Photovoltaikanlagen im Vergleich zur Studie „Klimaneutrales Deutschland 2050“ um 70 Gigawatt erhöht werden, die sich bis dahin auf 385 Gigawatt belaufen muss. Auch bei der Windenergie an Land und auf der See ist mit Blick auf die Erzeugungskapazität von 145 Gigawatt eine Steigerung nötig. So müsse der Ausbau von Windenergie auf See auf 9 Gigawatt und an Land um 17 Gigawatt erhöht werden.
„Wenn die deutsche Industrie der Technologielieferant für die Welt in Sachen Klimaneutralität sein will, muss sie der Entwicklung in anderen Ländern immer ein Stück voraus sein. Klimaneutralität 2045 bedeutet allein in Deutschland einen Markt für Erneuerbare Energien von etwa 30 Gigawatt pro Jahr, eine Sanierungsrate von 1,75 Prozent pro Jahr und einen schnellen Hochlauf der Wasserstoff-Technologie“, sagte Patrick Graichen, der Direktor der Agora Energiewende. „Ja, das ist ambitioniert. Aber machbar. Und vor allem: Es ist gut für den Standort Deutschland und das Klima“, fügte Graichen hinzu.
Verbrenner durch E-Autos ersetzen
Neben dem Energie-, Gebäude- und Landwirtschaftssektor muss sich auf dem Weg zur Klimaneutralität auch einiges im Verkehrssektor tun. Danach sollten ab 2032 keine Autos mit Verbrenner mehr zugelassen werden und bis 2045 müsste der Pkw-Bestand durch E-Autos ersetzt werden.
„Mehr Tempo auf dem Weg zur Klimaneutralität bedeutet in diesem Szenario für den Verkehr vor allem mehr Tempo bei der Antriebswende. E-Pkw sowie Lkw mit batterieelektrischem, Oberleitungs- oder Brennstoffzellenantrieb müssten noch schneller auf den Markt kommen, um Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren bereits bis 2045 nahezu vollständig zu ersetzen“, so Christian Hochfeld, der Direktor der Agora Verkehrswende. Hochfeld selbst bezeichnete dies als „eine große Herausforderung, wenn der dafür nötige Strukturwandel ökonomisch und sozial gelingen soll“.