Deutschland wird seine für 2030 gesetzten Ziele beim Klimaschutz wohl erreichen. Danach droht man sie jedoch zu verfehlen. Das liegt vor allen an den Sektoren Verkehr und Gebäude.
Deutschland dürfte seine Klimaziele für das Jahr 2030 nach Einschätzung von Fachleuten einhalten. Doch ohne die Belastungen für die deutsche Wirtschaft sähe die Bilanz wohl anders aus, wie der Vorsitzende des sogenannten Expertenrats für Klimafragen, Hans-Martin Henning, in Berlin sagte.
«Ohne den Puffer, der sich in den Jahren 2021 bis 2024 unter anderem durch Corona und die schwache Wirtschaft aufgebaut hat, wäre bis Ende 2030 mit hoher Wahrscheinlichkeit eine deutliche Budgetüberschreitung zu erwarten gewesen», erklärte Henning. Im deutschen Klimaschutzgesetz ist festgelegt, wie viel Treibhausgase Deutschland zwischen 2020 und 2030 pro Jahr höchstens ausstoßen darf – alle jährlichen Mengen zusammen ergeben das Emissionsbudget.
Ziellücke wird größer
«Auch das übergeordnete 65-Prozent-Ziel für das Jahr 2030 würde nicht erreicht», sagte Henning laut Mitteilung. Deutschland hat sich das Ziel gesetzt, seinen Ausstoß an Treibhausgasen bis 2030 um 65 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990 zu senken. Bis 2045 will Deutschland klimaneutral sein, also nicht mehr Treibhausgase ausstoßen, als wieder gespeichert werden können. Dieses Ziel wird Deutschland nach Einschätzung der Fachleute sehr deutlich verfehlen.
Nach europäisch vereinbarten Vorgaben muss Deutschland seine Emissionen bis 2030 um die Hälfte senken – allerdings im Vergleich zu 2005. Seit dem vergangenen Jahr liegt Deutschland hier nach Berechnungen des Expertenrats nicht mehr auf Kurs. Die Ziellücke bis 2030 sei im Vergleich zum Vorjahr gewachsen.
Der Expertenrat ist ein unabhängiges fünfköpfiges Gremium, das die Wirksamkeit der deutschen Klimaschutzpolitik überprüft und der Politik Anregungen gibt. Seine Aufgaben sind gesetzlich festgeschrieben. In seinem nun vorgestellten Bericht bestätigt das Gremium im Wesentlichen die Zahlen, die das Umweltbundesamt im März vorgestellt hatte.
BEE: Signal zur rechten Zeit
„Es ist ein Signal zur richtigen Zeit, dass der Expertenrat heute vor einer deutlichen und im Zeitverlauf zunehmenden Zielverfehlung für die Jahre nach 2030, also bereits in 5 Jahren, warnt“, sagte die Präsidentin des Bundesverbandes Erneuerbare Energien (BEE), Simone Peter. Wie sie hinzufügte, würde die neue Bundesregierung nun die „Weichen für ihre Energie- und Klimapolitik, die diese Prognosen ernst nehmen und dabei Klimaschutz als Innovations- und Konjunkturbooster für Technologien ‚made in Germany‘ nutzen sollte“.
Der BEE wies darauf hin, dass das Klimaschutzgesetz die Bundesregierung verpflichten würde, bis spätestens Ende März 2026 ein Klimaschutzprogramm vorzulegen, das die bisherigen Versäumnisse gerade in den Sektoren Gebäude und Verkehr bis 2040 kompensieren kann.
Kritik von Umwelthilfe
Für die Deutsche Umwelthilfe (DUH) zeigt das Gutachten des Expertenrats, dass man alle Klimaziele krachend verfehlen würde. „Dass die Bundesregierung sich die Erreichung eines sektorübergreifenden Emissionsbudgets für einen Zehn-Jahres-Zeitraum auf die Fahne schreibt, ist blanker Hohn. Diese fadenscheinige neue Rechnung ist eine verfassungswidrige Nebelkerze und wurde letztes Jahr einzig deswegen ins Klimaschutzgesetz geschrieben, um die massive Zielverfehlung in einzelnen Sektoren zu verschleiern“, so DUH-Bundesgeschäftsführen Jürgen Resch. „Wir gehen davon aus, dass das Bundesverfassungsgericht unserer Verfassungsbeschwerde gegen das entkernte Klimaschutzgesetz noch in diesem Jahr recht geben wird“, so Resch weiter.
Aus Sicht von Resch sollte die Bundesregierung nun zusätzliche Klimaschutzmaßnahmen beschließen. „Ein Tempolimit von 100 auf Autobahnen, 80 außerorts und 30 innerorts sowie der Abbau klimaschädlicher Subventionen sind längst überfällig! Mit unseren Klimaklagen werden wir die Bundesregierung zur Not dazu zwingen.“
Für die Initiative Klimaneutrales Deutschland sei es zwar ein gutes Zeichen, dass Deutschland seine Klimaziele bis 2030 erreicht, doch das sei Grund für die neue Regierung, sich zurückzulehnen. „Der Handlungsdruck ist weiterhin groß, wenn die Klimaschutzziele 2030 und 2040 erreicht werden sollen. Das bedeutet, vor allem die für Klimaschutz und Energie relevanten Ministerien müssen jetzt schnell arbeitsfähig werden. Die Aufgabe ist nicht zu unterschätzen, da der Koalitionsvertrag an vielen klimapolitischen Stellen unscharf ist.“, so Carolin Friedemann, Geschäftsführerin der Initiative Klimaneutrales Deutschland. (mit dpa)