«Kia ist keine Billigmarke mehr»

Kia Deutschland-Geschäftsführer Martin Van Vugt

«Kia ist keine Billigmarke mehr»
Kia Deutschland-Geschäftsführer Martin van Vugt © Kia

Gemeinsam mit Hyundai hat Kia Deutschland nach den ersten drei Quartalen die Spitze der Importeure erobert. Im Interview mit der Autogazette spricht Deutschland-Geschäftsführer Martin van Vugt über neue Mobilitätsangebote und einen Image-Wandel.

Martin van Vugt hat Kia hohe Ziele bis 2016 gesteckt – 100.000 Einheiten sollen dann verkauft werden. «Denn erst wenn wir die 100.000 Einheiten erreichen, hat die Marke einen anderen Stellenwert bei der Wahrnehmung. Dann sind wir da, wo wir hin wollen», sagte der Geschäftsführer von Kia Deutschland im Interview mit der Autogazette.

Skoda als «Benchmark»

Eingehend mit dem Ziel soll sich auch das Image des koreanischen Herstellers verändern. «Wir sind keine Billigmarke mehr, das sind wir schon seit zwei, drei Jahren nicht mehr. Wir sind eine Volumenmarke mit Touch», sagt van Vugt, «nur der Bekanntheitsgrad und die Wahrnehmung ist noch anders.

Dabei sieht der Geschäftsführer, der Skoda als «Benchmark» bezeichnet, die Marke von der Qualität schon «auf Augenhöhe, mit dem, was in Wolfsburg stattfindet.» Und auch über das von Peter Schreyer entworfene Design soll sich Kia weiter positionieren.

Dabei wird Kia das Angebot erweitern. «Wir werden mehr als nur Autos verkaufen. Wir müssen dann ein Erlebnis verkaufen, ein komplettes Mobilitätspaket. Wir werden Angebote machen, die die Kunden wünschen. So kann es Angebote geben, dass der Kunde im Sommer ein Cabrio fährt und im Winter einen Kombi.» Einem Carsharing-Angebot erteilte der Niederländer dagegen eine Absage. «Wir sind kein Verein einer deutschen Behörde und müssen Geld verdienen. Bisher sind die Business Cases, die wir gesehen und selbst geplant haben, dafür da, Geld zu verbrennen.»

Dass der schwache deutsche Automarkt den Plänen entgegenwirkt, sieht van Vugt nicht. "Wie die deutsche Gesellschaft organisiert ist, ist in der Welt und in Europa einzigartig." Van Vugt geht davon aus, dass der Krise bald wieder ein Hoch folge - jedenfalls in Deutschland. "Deutschland ist zu clever. Ansonsten würde der Export auch kaputt gehen. Und das wird nie passieren. Ich sehe die deutsche Gesellschaft, Industrie und den Automarkt viel optimistischer als ich rund um mich höre."

Einzigartiges Design

Kia steigt mit dem Optima in die Hybrid-Welt ein.
Der Kia Optima Hybrid kommt im Oktober auf den Markt AG/Flehmer

Autogazette: Hyundai/Kia hat im Zeitraum von Januar bis September 2012 die Spitze der Importeure in Deutschland erklommen. War das für Sie ein Ziel gewesen, als Sie vor rund eineinhalb Jahren Geschäftsführer von Kia Deutschland wurden?

Martin van Vugt: Ja, sonst hätte ich nicht angefangen. Wir hatten eine Strategie, die darin mündet, dass wir bis zum Jahr 2016 100.000 Fahrzeuge verkaufen.

Autogazette: Sind Sie überrascht, dass der Weg dorthin so gut vor sich geht angesichts eines abnehmenden Marktes?

Van Vugt: Nein. Wir heben jetzt aber nicht die Köpfe in den Himmel, sondern bleiben mit den Füßen auf dem Boden. Deshalb bauen wir unser Händlernetz pro Jahr prozessorientiert auf. Wir haben den Händlervertrag geändert, haben viele neue Händler in diesem Jahr eingesetzt und werden noch viele neue Händler dazubekommen. Zudem passen wir auch unsere eigene Organisation an, denn unsere Produkte sind heute schon viel weiter. Bis Ende September haben wir 41.818 Fahrzeuge verkauft. Wir liegen im Plan. Wenn man sich unser Produktangebot anschaut, ist es für uns nichts Besonderes.

Autogazette: Inwiefern?

Van Vugt: Das Design unserer Fahrzeuge ist seit den letzten zweieinhalb Jahren einzigartig. Bei der Qualität, die wir jetzt haben, sind wir laut Experten auf Augenhöhe mit Menschen in Wolfsburg.

100.000 Einheiten vielleicht schon ein Jahr früher

Das Kia-Werk in Zilina
Das Kia-Werk in Zilina Kia

Autogazette: Im Plan enthalten wird dann auch sein, dass die nun eingenommene Spitze nicht mehr abgegeben werden soll?

Van Vugt: Wenn das Händlernetz sich so entwickelt, wie wir es uns vorgenommen haben, kann es auch sein, dass wir schon 2015 die 100.000 Einheiten erreichen. Denn erst wenn wir die 100.000 Einheiten erreichen, hat die Marke einen anderen Stellenwert bei der Wahrnehmung. Dann sind wir da, wo wir hin wollen.

Autogazette: Und danach?

Van Vugt: Dann folgt ein neuer Fünf-Jahres-Plan. Bei Kia gibt es eine Zukunftsphilosophie, die ich in 30 Jahren, in denen ich in diesem Geschäft bin, noch nicht erlebt habe. So eine Gier, ein Wille und ein technologischer Hunger sind einzigartig. Deshalb bin ich fest davon überzeugt, dass wir als Teil der Hyundai-Gruppe weiter die Ziele erfüllen.

Autogazette: Ihr Vor-Vorgänger hatte bereits vor fünf Jahren 100.000 Einheiten für 2010 angekündigt. Was macht Sie so sicher, dass dieser Weg diesmal erfolgreich sein wird?

Van Vugt: Das kann ich nicht beurteilen. Ich weiß nur, was ich angetroffen habe. Wir haben nun unsere eigenen Herausforderungen. Wenn man zu lange in den Rückspiegel schaut, fährt man gegen den Baum. Ich schaue lieber nach vorne.

Autogazette: Was haben Sie denn 2011 angetroffen?

Van Vugt: Eine Marke, die auf der Basis einer weltweiten Strategie nicht das Potenzial abgerufen hat, um in Deutschland erfolgreich zu sein.

Autogazette: Wie veränderte sich die Situation?

Van Vugt: Wir haben mit Peter Schreyer einen Künstler, einen der besten Designer, der sich mit einer multikulturellen Mannschaft verstärkt hat. Der zweite Baustein ist das Händlernetz, der dritte der Bereich Marketing. Und hinzu kommt unsere Bereitschaft, in den Prozess zu investieren. Und dann ist es schön, zu sehen und zu lesen, wie die Veränderung auch wahrgenommen wird.

«Ziel ist es, unsere eigene Stärke auszuwerten»

Der Kia Pro Ceed feiert in Paris Weltpremiere.
Der neue Kia Pro Ceed kommt 2013 Kia

Autogazette: Man hat immer den Eindruck, dass Hyundai und Kia zwar zusammengehören, aber nicht so gerne zusammen genannt werden wollen. Mit dem Erklimmen der Importeursspitze sieht das anders aus . . .

Van Vugt: Ich bin stolz, dass Kia Deutschland ein Teil der Hyundai-Gruppe ist. Ohne Hyundai hätte Kia sich nie so entwickeln können, wie das gerade bei uns passiert. Ich habe Respekt vor den Hyundai-Kollegen und sehe Hyundai nicht als Konkurrenz, sondern wie jeden anderen Hersteller. Wir haben unsere Strategie, Hyundai hat eine andere Strategie.

Autogazette: Liegt es denn in der Strategie von Kia, Hyundai in Deutschland bei den verkauften Einheiten zu überholen?

Van Vugt: Nein, das wäre überheblich. Hyundai ist bereits eine gesetzte Marke in Deutschland. Sie hat sich in den letzten zehn Jahren in Deutschland enorm weiterentwickelt. Davon können wir lernen und das machen wir auch, wie wir auch von Skoda lernen. Ziel ist es, unsere eigene Stärke auszuwerten und einzusetzen. Mein Ziel ist Olympia, aber nicht, um dabei zu sein, sondern Gold zu holen. Und Gold bedeutet für uns, in 2015 oder 2016 100.000 Einheiten in Deutschland zu verkaufen und dabei für uns und für die Händler profitabel zu sein.

Autogazette: Geht Gold über den Preis?

Van Vugt: Wir sind keine Billigmarke mehr, das sind wir schon seit zwei, drei Jahren nicht mehr. Wir sind eine Volumenmarke mit Touch. Die Händler müssen Geld verdienen können. Wenn die Händler kein Geld verdienen, haben wir alle ein Problem.

«Müssen die Marke anders und besser darstellen»

Der Kia Carens kehrt zurück.
Der Kia Carens kehrt zurück Kia

Autogazette: Ist denn bei den potenziellen Kunden schon angekommen, dass Kia keine Billigmarke mehr ist?

Van Vugt: Jein. Wir sind noch lange nicht da, wo wir sein sollten. Deshalb bekomme ich die Freiheit, um zu investieren mit Branding und Sponsoring und auch über Social Media. Die Meinung ist noch lange nicht auf dem Level, den unsere Fahrzeuge von der Qualität mittlerweile ausstrahlen. Damit bin ich nicht zufrieden und das geht mir auch zu langsam.

Autogazette: Sie wollten von Skoda lernen, die VW Tochter brauchte auch Geduld . . .

Van Vugt: . . . Skoda ist für mich ein Benchmark. Ich ziehe den Hut davor, wie sich das Unternehmen in Deutschland und Europa entwickelt hat. Ich bin da ein wenig neidisch, dass sie sich so viel aus dem großen VW-Schrank an Konzepten und Geld leihen können.

Autogazette: Wäre die Marke von 100.000 Einheiten, wenn sie die 2016 erreichen würden . . .

Van Vugt: . . . die werden wir erreichen . . .

Autogazette: . . . wäre das dann der Zeitpunkt des Abschieds von der Billigmarke?

Van Vugt: Dieser Zeitpunkt wird schon viel eher eintreten. Eigentlich ist der Abschied schon eingetreten, aber unterschwellig noch vorhanden. Wir müssen die Marke anders und besser darstellen. So gibt es zum Beispiel keine andere Marke auf der Welt, die ein Qualitätsversprechen mit sieben Jahren Garantie bietet. Und unsere Qualität ist auf Augenhöhe mit dem, was in Wolfsburg stattfindet. Wir sind keine Billigmarke mehr, nur der Bekanntheitsgrad und die Wahrnehmung ist noch anders.

Autogazette: Wie wollen Sie das ändern?

Van Vugt: Wir müssen herausarbeiten, was wir sind und für was wir stehen. Intern benutzen wir die Umschreibung «QQPP», Qualität, Quantität, Performance, Profit. Eine Säule kann dabei nicht ohne die anderen existieren.

«Werden mehr als nur Autos verkaufen»

Die Preise für den Kia Ceed SW beginnen bei 15.690 Euro.
Der Kia Ceed Sportswagon AG/Flehmer

Autogazette: Gibt es denn schon Ziele über 2016 hinaus?

Van Vugt: Wir denken daran, konzentrieren uns aber erst einmal auf die kommenden vier Jahre. Erst mit 100.000 verkauften Einheiten wird man ernst genommen.

Autogazette: Dann müsste die Marke aber auch den Claim «Power of Surprise» ändern. Denn als Überraschung würde Kia dann nicht mehr gelten.

Van Vugt: «Power of Surprise» ist ein Teil unserer Seele. Die Kraft, um die Endverbraucher kontinuierlich mit Produkten zu überraschen, aber auch mit Dienstleistungen.

Autogazette: Wie werden die Dienstleistungen aussehen?

Van Vugt: Wir werden mehr als nur Autos verkaufen. Wir müssen dann ein Erlebnis verkaufen, ein komplettes Mobilitätspaket. Wir werden Angebote machen, die die Kunden wünschen. So kann es Angebote geben, dass der Kunde im Sommer ein Cabrio fährt und im Winter einen Kombi.

Autogazette: Wird es dann auch ein Carsharing-Angebot geben?

Van Vugt: Eher nein, wir sind kein Verein einer deutschen Behörde und müssen Geld verdienen. Bisher sind die Business Cases, die wir gesehen und selbst geplant haben, dafür da, Geld zu verbrennen. Aber man kann es auch nicht ausschließen.

«Markt hat sich schon geändert»

Der völlig neu überarbeitete Kia Sorento startet im Herbst 2012.
Der Kia Sorento wurde neu aufgelegt Kia

Autogazette: Auch beim Flottengeschäft hat Kia noch Nachholbedarf, während Hyundai auf diesem Sektor derzeit ziemlich viel investiert. . . .

Van Vugt: . . . wir sind da noch sehr vorsichtig, weil wir noch nicht da sind, wo wir schon hätten sein müssen. Aber wir sind ziemlich weit und ich gehe davon aus, dass wir ab Januar 2013 ein sehr professioneller Mitbewerber im Business sein werden. Bis heute sind wir nicht gut genug.

Autogazette: Bis Januar haben Sie dann aber nicht mehr viel Zeit, um gut genug zu werden . . .

Van Vugt: . . . wir arbeiten an der Umsetzung und sind am Testen und werden auch noch die Händler befragen und dann in das Business einsteigen. Die Benchmark, die wir derzeit haben, lässt sich schon rechnen, denn es geht ums Geld verdienen.

Autogazette: Kia hat in Deutschland einen Marktanteil von 1,8 Prozent. Wenn die 100.000 Einheiten 2016 erreicht werden, mit welchem Marktanteil rechnen Sie dann?

Van Vugt: Das müssen rund 3,5 Prozent sein. Wir gehen von einem Markt zwischen 2,9 und 3,1 Millionen verkauften Einheiten aus.

Autogazette: Glauben Sie denn nicht, dass der deutsche Automarkt weiter schrumpfen wird?

Van Vugt: Speziell in Deutschland – und vielleicht kann ich das als Holländer mit einer Anhängerkupplung einfach sagen – ist die Wirtschaft viel stärker und besser, als die Deutschen sie selbst sehen. Die Armut der deutschen Wirtschaft ist nicht da. Dafür gibt es einen Reichtum in der Stabilität und der innovativen Kraft des Landes Deutschland . . .

Autogazette: . . . aber die Neuzulassungen gehen doch zurück . . .

Van Vugt: . . . der Markt wird sich ändern beziehungsweise hat sich schon geändert. Wir sprechen über einen Wechsel. Der hat aber schon längst stattgefunden.

«Deutschland liegt zwar in Europa, ist aber nicht Europa»

Der Kia Sportage der dritten Generation.
Der Kia Sportage AG/Flehmer

Autogazette: Daimler-Chef Dieter Zetsche rechnet 2013 mit einer Stagnation auf dem europäischen Markt . . .

Van Vugt: . . . in Europa, aber das ist nicht Deutschland. Deutschland liegt zwar in Europa, ist aber nicht Europa. Europaweit hat Dieter Zetsche Recht.

Autogazette: Trotzdem geht auch in Deutschland die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander. Irgendwann werden sich weniger Leute ein Auto leisten können.

Van Vugt: Das stimmt und es stimmt nicht. Wie die deutsche Gesellschaft organisiert ist, ist in der Welt und in Europa einzigartig. Nur sind die Voraussetzungen unserer Kinder anders als bei unseren Eltern, wie der ehemalige Außenminister Hans-Dietrich Genscher einmal sagte. Das heißt, es wird weniger. Aber nicht wenig, sondern weniger. Und dafür ist Deutschland zu clever. Ansonsten würde der Export auch kaputt gehen. Und das wird nie passieren. Ich sehe die deutsche Gesellschaft, Industrie und den Automarkt viel optimistischer als ich rund um mich höre.

Autogazette: Aber fast alle Autohersteller verzeichnen in Deutschland ein Minus. Kia gehört zu den wenigen Ausnahmen.

Van Vugt: Unser Inhaber Chung Mong-koo hat die Politik, keine Überproduktionen auf der gesamten Welt zu erlauben. Vielleicht hat Herr Chung für die nächsten 25, 30 Jahre einen visionären Blick gehabt. Dafür werden wir in den kommenden drei Jahren nicht schneller wachsen, als wir derzeit wachsen. Die Parole lautet: Qualität, Qualität, Qualität – und zwar in jedem Bereich. Das ist in der derzeitigen Lage der einzige Weg. Viele andere Hersteller sind zur Titanic verurteilt worden, weil sie in guten Zeiten keinen Regenschirm gekauft haben. Wir haben einen Regenschirm.

Autogazette: Führt der Regenschirm dazu, dass Hyundai/Kia demnächst weltweit an der Spitze der Automobilhersteller stehen wird?

Van Vugt: Ja, aber das ist nicht das Ziel von Herrn Chung. Sein Ziel ist Kontinuität und Profitabilität. Und das ist etwas anderes, als man in anderen Industrien hört und liest.

Autogazette: Sie würden sich aber auch nicht dagegen sträuben, 2018 vor VW zu liegen?

Van Vugt: Nein, aber das wird nicht passieren.

Das Interview mit Martin van Vugt führte Thomas Flehmer

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Thomas Flehmer
Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

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