Bislang limitiert die Rechenleistung das moderne Auto. Mit KI wird sich das ändern. Doch noch hat Mechanik auch bei Magna nicht ausgedient.
Bei Magna tüfteln sie von Berufs wegen gerne an der Zukunft. Immerhin geht es gerade als Automobilzulieferer darum, möglichen Kunden Trends aufzuzeigen – und die passenden Lösungen gleich mit dazu. Im besten Fall lange im Voraus. Kein Wunder also, dass der kanadisch-österreichische Konzern weltweit an die 100 Entwicklungszentren betreibt. Überall wird gerechnet, geforscht, getestet. Das Auto von morgen, so weiß man in Aurora wie in Wien, hat viel mit Technik zu tun, aber noch mehr mit Daten. Und ganz besonders damit, wie sie möglichst schnell und möglichst sinnreich verarbeitet werden.
Die Fülle an Informationen resultiert aus den immer komplexer werdenden Systemen. Aus dem, was hochauflösende Kameras sehen, Radar und Laser abtasten und viele weitere Fühler registrieren. Bei Magna, so sagt es Produkt-Chef Jens Köcher gilt dabei die Philosophie, von der gewünschten Funktion aus abwärts zu denken und die dafür notwendigen Sensoren auszuwählen – und sich eben nicht mit dem zu begnügen, was mit den vorhandenen erreichbar scheint.
Kameras, Laser, Radar, Thermo-Sensoren
An Linsen im Auto haben wir uns längst gewöhnt, an Radar und Lidar ebenso. Noch weit weniger verbreitet sind Thermo-Sensoren. Ein System, das nicht nur bei Nacht funktioniert, sagt Projektmanagerin Diana Zaharia, sondern eben auch den Fußgänger im Nebel erspäht und das wechselnde Reh im dunklen Wald. Und das bei Tempo 130 rund 3,6 Sekunden früher als ein Laser. Alle Zeit der Welt also, um noch rechtzeitig zu bremsen oder auszuweichen. Schon 1,5 Grad Unterschied zur Umgebung reichen für eine Erkennung.
Radar-Manager Holger Heß preist derweil das verstärkte Interpolieren unterschiedlicher Signale. Dann könne man eben nicht nur den parkenden Truck als einzelnes großes Hindernis erkennen, sondern dicht daneben auch den gerade ausgestiegenen und mit dem Warndreieck auf der Straße laufenden Fahrer. Mit jedem Entwicklungsschritt werden die Sensoren kleiner, vielfältiger und leistungsfähiger. Nur: Irgendwann stößt der Computer im Auto an seine Grenzen.
Genau hier ist der Punkt, wo die Künstliche Intelligenz ins Spiel kommt. „Bislang war die Rechenleistung im Fahrzeug der Flaschenhals“, sagt Steven Jenkins, Vize-Chef bei Magna in Sachen Technologie-Strategie. Mit KI indes könnten die Daten in Echtzeit nun auch extern verarbeitet werden. Zusammen mit all den Informationen, die aus der Umgebung kommen. Von Navigationssystemen, Cloud-Speichern und anderen Autos. Es klingt nach Rettung in der Datenflut.
Fortschritt schneller und billiger
Alles zusammengenommen bringt dem Menschen am Steuer nicht nur mehr Sicherheit, sondern auch eine nie gekannte Personalisierung. Und dabei geht es nicht allein um maßgeschneiderte Informationen oder die passenden Infotainment-Angebote – ein derart intelligentes Auto kann sogar vom Verhalten seines Lenkers lernen. Etwa wie der für gewöhnlich Kurven fährt und wie nahe er üblicherweise dem Bordstein kommt. Sorge müsse keiner haben, verspricht Jenkins.
Auch ökonomisch wird gewaltige KI Auswirkungen haben. Technischer Fortschritt wird damit schneller erfolgen und weniger kosten, prophezeit Jenkins. Und weil an Ingenieuren nach wie vor gravierender Mangel herrscht, würden Entwickler-Teams künftig aus Menschen und Künstlicher Intelligenz bestehen.
Dennoch gibt es in dieser Welt der Computer, Daten und Algorithmen letzte Bastionen, wo noch gute alte Mechanik zählt. Und das tatsächliche Ereignis Vorrang hat vor jeder Art von Simulation. Etwa wenn es darum geht, die Auswirkungen eines Unfalls auf die Batteriezellen eines E-Autos zu analysieren.
Batterie-Tests in der Klimakammer
Genau aus diesem Grund brennt bei Florian Dornbusch gerne mal die Hütte. Genau genommen eine Eigenkonstruktion aus Überseecontainern im unterfränkischen Sailauf. Im „Drop-Tower“ von Magna schlagen exakt definierte Stahlprofile in bestimmten Winkeln in serienmäßige und ungeschützte Batteriepacks ein. Gefilmt wird das Ganze mit einer Hochgeschwindigkeitskamera, die es auf 6400 Bilder in der Sekunde bringt.
Das Resultat der Stunt-Show ist meist dasselbe: Der Stromspeicher bekommt einen Kurzschluss und geht in Flammen auf. Doch Test-Chef Dornbusch ist gerüstet. Ein Knopfdruck – und der „Drop-Tower“ wird geflutet. Feierabend. Tags darauf folgt ein Blick auf den Wärmedetektor. Hat sich der Elektroschrott noch nicht vollständig abgekühlt, landet er in einem wassergefüllten Container und darf dort notfalls bis zum Ende vor sich hin glühen. Den Fallturm braucht Dornbusch schließlich für den nächsten vorsätzlichen Materialmord.
Der erfolgt schleichend auch in den Klimakammern gleich nebenan. Bei Temperaturen zwischen minus 40 und plus 100 Grad werden Batteriepacks bei unterschiedlicher Luftfeuchtigkeit ständig ge- und entladen. Für die Zellen ist das die Hölle – für Ingenieure das Paradies. In 300 Stunden lassen sich so acht Jahre Alltagseinsatz simulieren. Am Ende stehen jede Menge Erkenntnisse – und verdammt viele Daten, mit denen man Künstliche Intelligenz füttern kann.