Verbraucherschützer: Brauchen keine Abwrackprämie 2.0

Verbraucherschützer: Brauchen keine Abwrackprämie 2.0
Bundeskanzlerin Angela Merkel beim Produktionsstart des ID.3 in Zwickau. © dpa

Politik und Autoindustrie beraten am Dienstag im Kanzleramt wegen der Coronakrise über eine Kaufprämie. Widerstand kommt dabei nicht nur von Umweltverbänden.

So warnen Verbraucherschützer vor dem Autogipfel davor, Autos mit einer schlechten Klimabilanz zu fördern. Klaus Müller, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands, sagte: „Wir brauchen keine Abwrackprämie 2.0, die Verbrenner fördert und funktionstüchtige Autos zum Wegwerfartikel macht. Bund und Länder müssen zukunftsgewandt handeln und umweltverträgliche Mobilität fördern.“

Die Bundesregierung und Vertreter der Autoindustrie wollen an diesem Dienstag über die angespannte Lage der Branche beraten. Die Nachfrage ist wegen der Corona-Krise eingebrochen. Die Hersteller hoffen auf Hilfe vom Staat in Form neuer Kaufprämien, um die Nachfrage anzukurbeln. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte aber deutlich gemacht, bei dem Treffen am Dienstag sei noch keine Entscheidung über spezielle Anreize für die Branche zu rechnen.

Müller: Nicht in alte Muster verfallen

Müller sagte, die Politik dürfe auf Drängen der Autoindustrie nicht in alte Muster verfallen. Eine Kaufförderung müsse die klimapolitischen Ziele Deutschlands und der EU unterstützen. „Wenn es neue Subventionen geben soll, dann dürfen nur besonders klimaverträgliche Fahrzeuge wie Elektroautos eine Förderung erhalten.“

Daneben unterstütze der Verband die Forderung einer Mobilprämie und schlage vor, dass auch Menschen von einer Förderung profitieren sollten, die ihr Auto mit anderen teilten oder ohne Auto leben, dafür aber das Rad, den Öffentlichen Nahverkehr oder Carsharing-Angebote nutzen.

Autobranche fordert Unterstützung

Ein Parkplätz für Elektroautos. Es ist eine höhe Kaufprämie im Gespräch für E-Autos. Foto: dpa

Wenn es nach der Autobranche geht, brauche es nach dem Produktionsstillstand durch die Coronakrise eine schnelle Entscheidung. „So bald als möglich“ brauche die Autoindustrie Klarheit, ob die Nachfrage mit staatlicher Hilfe angekurbelt werden kann, sagte VW-Chef Herbert Diess. Der Präsident des Zentralverbands des Kraftfahrzeuggewerbes (ZDK), Jürgen Karpinski, erinnerte an die Hängepartie bei den 6000-Euro-Kaufprämien für Elektroautos Anfang des Jahres: Die Interessenten hätten abgewartet und Käufe monatelang hinausgezögert. VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh forderte eine Kaufprämie für Elektro-, Benzin- und Dieselautos. Und nicht nur für Neuwagen, sondern auch für junge Gebrauchte.

Da ist er sich mit dem Autohandel einig, der fürchtet, dass sonst Zehntausende Fahrzeuge in seinen Höfen über Nacht wertlos werden. Eine Prämie sollte „auch moderne Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor umfassen“, sagte VW-Vorstandsmitglied Ralf Brandstätter. Nur breit angelegte Hilfen stützten Nachfrage und Produktion, mahnte die Präsidentin des Autobranchenverbands VDA, Hildegard Müller. Und auch Daimler-Chef Ola Källenius will eine pauschale Lösung, so einfach wie möglich und für alle Segmente.

Wirtschaftsforscher skeptisch

Der Chef der sogenannten Wirtschaftsweisen, Lars Feld, sagte dem „Business Insider“ klipp und klar, was er davon hält: „Nichts. Prämien für E-Autos gibt es schon. Autos mit Verbrennungsmotor zu fördern, hat im Sinne des Klimaschutzes keine Priorität.“ Gegen unterbrochene Lieferketten helfe eine Kaufprämie auch nicht.
Auch das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) und das Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) lehnen die Prämie ab.

Professor Stefan Koorths vom IfW sagte in der ARD-„Phoenix-Runde“, solche kleinteiligen Staatseingriffe seien auch ordnungspolitisch falsch: „Abwrackprämie hier, Mehrwertsteuersenkung dort, und der Dritte bekommt einen Konsumgutschein.“ Es sei zudem obszön, Geld auszugeben, damit Güter vernichtet werden.

Bereits 2009 gab es Abwrackprämie

Die Bundesregierung hatte in der damaligen Wirtschaftskrise 2500 Euro Zuschuss beim Kauf eines Neuwagens gezahlt, wenn der alte verschrottet wurde. Das kostete den Steuerzahler fünf Milliarden Euro. Die Münchner Professorin und Wirtschaftsweise Monika Schnitzer sagte bei „Phoenix“: „Das war ein unglaublich teures Programm“ und „völlig ineffektiv“. Der Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer sagte, die Prämie habe mutwillig ökonomische Werte vernichtet und vor allem ausländischen Herstellern von billigen Kleinwagen geholfen: „Ein klassisches Eigentor.“

Die Zulassungen in Deutschland stiegen von 3,1 Millionen Autos anno 2008 auf 3,8 Millionen 2009, fielen aber 2010 auf 2,9 Millionen Autos. Kritiker sprachen von einem Strohfeuer, weil Käufe nur vorgezogen wurden. Weil obendrein drei Viertel der in Deutschland gebauten Autos exportiert wurden, bewertete das Münchner Ifo-Institut die Stützkraft der deutschen Abwrackprämie als „recht begrenzt“.

Autoländer für Prämie

Die Ministerpräsidenten Stephan Weil (SPD), Markus Söder (CSU) und Winfried Kretschmann (Die Grünen, v.l.n.r). Foto: dpa

In den Autoländern ist man für eine Prämie. Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) forderte eine ökologisch gestaffelte „Innovationsprämie“, die bis Ende 2021 läuft. Für Elektroautos solle es 10.000 Euro Zuschuss geben. Auch Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil (SPD) möchte mit einer Prämie den Umstieg zur E-Mobilität unterstützen, ebenso wie Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD).

Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) fordert eine breiter angelegte Prämie, die schnell in der Fläche wirkt – also nicht nur für teure E-Autos, sondern auch für emissionsarme Gebrauchte. Haushaltspolitiker im Bundestag dagegen haben vor noch mehr Schulden gewarnt. (dpa)

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