Sieht so die Zukunft aus? Vieleicht. Jaguar stellte zeitgleich in London und Los Angeles sein I-Pace–Concept vor. Damit hält auch der E-Antrieb bei den Briten Einzug.
Von Axel F. Busse
Ist das die Zukunft der Fahrzeug-Präsentation? Jaguar stellt seine Vision eines Elektro-SUVs vor, geladene Gäste auf zwei Kontinenten verfolgen simultan und gespannt die Show. Nur gibt es gar kein Auto. Es existiert – zumindest an diesem Abend in London - nur virtuell. Aber: Es soll schon 2018 auf den Markt kommen.
Sicher ist: Auch wenn es vielleicht nicht DIE Zukunft der Präsentation darstellt, es ist EINE von mehreren möglichen Zukunften. Und selbst wenn das Tragen einer Virtual-Reality-Brille das eigenständige Fahren in einem Automobil nicht ersetzen kann, so bietet die Versetzung eines potentiellen Kunden in die digital erzeugte Wirklichkeit immense Chancen neuer Wahrnehmung. Polster, Furniere, der Blick auf die Instrumente und das Raumgefühl der Insassen können täuschend echt nachgebildet werden und verschaffen Eindrücke, die das Blättern in einem Ausstattungskatalog nicht zu vermitteln vermag.
Ungewöhnliche Präsentation
Jaguar hat die ungewöhnliche und weltweit erste Präsentation dieser Art, die zeitgleich in Los Angeles anlässlich der bevorstehenden LA Autoshow stattfand, für ein Produkt inszeniert, das für die Marke eine ähnlich prägende Wirkung entfalten dürfte wie seinerzeit der E-Type. „I-Pace Concept“ heißt der Fünftürer, der als erstes vollelektrisches Fahrzeug in die Geschichte des britischen Herstellers eingehen wird. „Dies ist mehr als nur eine Konzeptstudie“, sagt Chefdesigner Ian Callum. „Vielmehr ist es der Vorbote eines fünfsitzigen Serienmodells, das schon 2018 auf die Straße rollen wird.“. Der schottische Autozeichner, der das neue Gesicht der englischen Traditionsmarke entscheidend mitgeprägt hat, kann den Neugierigen an der Westküste der USA aber noch etwas mehr als Datenanimation bieten: Auf der Autoshow wird das erste und bisher einzige Exemplar des I-Pace Concept real und zum Anfassen sichtbar sein.
Leistung, Dynamik, Ästhetik und Komfort – alles soll typisch Jaguar sein, weshalb die Idee, der elektrischen Produktlinie einen eigenständigen Namen zu geben, nicht weiter verfolgt wurde. „Das I-Pace Concept ist eine radikal neue Definition des Themas Elektrofahrzeug. Die Studie steht für die bereits nächste Generation elektrisch angetriebener Fahrzeuge“, sagt Ian Callum. Das Unternehmen hat bereits Erfahrung mit der Umsetzung von mutigen neuen Design-Ideen. Die als Land Rover LRX gestartete Studie kam wenige Jahre fast unverändert als Range Rover Evoque auf den Markt und übertraf alle Erwartungen.
Mit alten Gewohnheiten brechen
„Schöne schnelle Autos“ - das macht laut Callum die Marke Jaguar aus. Die alternative Antriebstechnik erlaubte ihm und seinem Team aber, mit alten Gewohnheiten zu brechen und bei der Gestaltung neue Wege zu beschreiten. Da es keinen herkömmlichen Verbrennungsmotor zu verstauen gibt, fällt die übliche lange Schnauze weg und weicht einer kurzen flachen Haube, die eher an einen Mittelmotor-Sportwagen erinnert. In einem weiten Bogen spannt sich das Dach über die Insassen und mündet in eine Heckscheibe, die fast so stark geneigt ist, wie der Windschutz an der Front. Senkrecht fällt der untere Teil der Heckklappe in die Tiefe, das hintere Leuchtenpaar ist erkennbar inspiriert vom Styling des Zweisitzers F-Type. Bodenfreiheit wie bei einem Geländewagen und gewaltige, 23 Zoll große Felgen sorgen für einen optischen Auftritt, der gegenwärtig im SUV-Segment seinesgleichen sucht. Die flache Silhouette macht sich noch an anderer Stelle bezahlt: Der Luftwiderstandsbeiwert beträgt nur 0,29, ein Ausnahmewert im SUV-Bereich.
Bei nicht einmal 4,70 Metern Außenlänge sind zwischen den Achsen nahezu drei Meter Platz. An ihnen sitzen die beiden Elektromotoren, die jeweils Vorder- und Hinterräder antreiben. Die sehr kompakt bauenden Permanentmagnet-Synchronmotoren werden gespeist von einer 90 kWh-Batterie, die zwischen den Rädern angeordnet ist und den Bauraum dort fast vollständig einnimmt. Die Zellen dafür bezieht Jaguar von Panasonic. Gemeinsam mit dem japanischen Elektronik-Konzern wird seit dieser Saison bereits der Rennstall für die Formel-E-Rennserie betrieben. Stolze 295 kW / 400 PS mobilisieren die beiden E-Maschinen und da jede auf eine Achse wirkt, ist der I-Pace ein lupenreiner Allradler. Stolze 700 Newtonmeter Drehmoment mobilisieren sie ab dem ersten Meter, was für ein sehr dynamisches Anfahrerlebnis spricht. Die Größe der Batterie deutet darauf hin, dass der I-Pace fahrfertig kaum weniger als zwei Tonnen wiegen dürfte, jedoch verspricht Baureihenleiter Ian Hoben eine Beschleunigung von rund vier Sekunden von Null auf Hundert.
Einmal pro Woche laden
Die volle Reichweite kann aber nur der nutzen, der auf solche Sprint-Demonstrationen weitgehend verzichtet. Dann sollen bis zu 500 Kilometer mit einer Ladung möglich sein. Geht die Akku-Leistung zur Neige, können laut Jaguar binnen 90 Minuten etwa 80 Prozent der vollen Kapazität wieder hergestellt werden. Ein durchschnittliches Nutzungsverhalten, wie es sich Mobilitätsforscher vorstellen, würde demnach nur einen Ladevorgang pro Woche nötig machen.
Da kein Kardantunnel durch den Innenraum geführt werden muss, ist der Boden durchgängig eben und trägt zum üppigen Raumgefühl bei. Edle Materialien in Verbindung mit neuen Fertigungsmethoden und ungewöhnlichen Detaillösungen sollen den I-Pace im Innern zu der Ausnahmeerscheinung machen, die er äußerlich schon ist. Eine luftige Mittelkonsole symbolisiert die Leichtigkeit, mit der die Harmonie zwischen High-Tech und Handwerkskunst hergestellt werden soll.
Touchscreens, intuitive Drehschalter und multifunktionale Bedientasten sind in einer Synthese zusammengefasst, die aus taktilen analogen Steuerungssystemen und interaktiven digitalen Bedienoberflächen eine neue Erlebniswelt im Cockpit schafft. Die primäre Informationsquelle ist ein zwölf Zoll großer und bündig mit dem Instrumententräger eingesetzten TFT-Touch-Bildschirm. Unterhalb davon angeordnet ist ein zweiter, 5,5 Zoll großer und ebenfalls berührungssensitiver Monitor. Er ist angebunden an zwei lasergeätzte Aluminium-Drehregler mit darin integrierten, hochauflösenden Runddisplays. Über diese Regler können die Insassen unter anderem diverse Infotainment- und die Heizungs-/Klimaeinstellungen vornehmen. Darüber hinaus findet sich im I-PACE Concept noch ein konfigurierbares und virtuelles HD-Kombiinstrument im Format zwölf Zoll sowie ein farbiges Head-up-Display.
Nicht weniger digital und virtuell geht es bei der Vermarktung zu. Jetzt, wo der I-Pace auch online erreichbar ist und Jaguar seine Informationskampagne gestartet hat, kann jeder Interessent schon auf der Website der Marke den „In want one“-Button anklicken. Ein rechtsgültiger Kaufvertrag kommt durch diese Willensbekundung noch nicht zustande, jedoch hat der User die Chance, regelmäßig mit Informationen versorgt zu werden und bei den ersten „echten“ Kunden dabei zu sein. Was ihnen schließlich als Preis abverlangt wird, steht noch nicht fest. Wie es bei Jaguar heißt, wird eine Positionierung angestrebt, die zehn bis 15 Prozent über dem Preis eines vergleichbar ausgestatteten F-Pace-Modells liegt.