«Schlagen uns besser als die Konkurrenz»

Interview mit Smart-Chef Marc Langenbrinck

Die Daimler-Tochter Smart musste in den ersten fünf Monaten weltweit ein Minus von 18 Prozent hinnehmen. Im Interview mit der Autogazette spricht Smart-Chef Marc Langenbrinck unter anderem über neue Vertriebswege und die Kooperation mit Renault.

Die Daimler-Tochter Smart wird in diesem Jahr deutlich weniger Autos verkaufen als im Vorjahr. «Ich gehe davon aus, dass wir auch aufgrund des anstehenden Modellwechsels in diesem Jahr circa 100.000 Fahrzeuge verkaufen werden. Vorausgesetzt, die Konjunktur spielt weiter mit», sagte Smart-Chef Marc Langenbrinck im Interview mit der Autogazette. Im Jahr 2009 kam Smart noch auf einen weltweiten Absatz von 116.900 Einheiten.

Verkaufsaktion mit Tchibo

Langenbrinck geht davon aus, dass mit dem Modellwechsel des Smart fortwo im Oktober «die Absatzzahlen wieder deutlich steigen». Mit Blick auf den in Kooperation mit Renault auf den Markt kommenden neuen Viersitzer rechnet der Smart-Chef zugleich damit, die Marke weiter nach vor bringen zu können.

«Wir müssen im Vertrieb neue Wege gehen»

Autogazette: Herr Langenbrinck, geht es der Marke Smart mittlerweile so schlecht, dass man seine Autos schon bei Tchibo verkaufen muss?

Marc Langenbrinck (lacht): Waren Sie noch nie bei Tchibo einkaufen?

Autogazette: Doch, aber bislang habe ich dort kein Auto gekauft. Schon recht keines, was einen Premiumanspruch erhebt...

Langenbrinck: ...bereits im Jahr 2009 haben wir zusammen mit Tchibo probiert, ob so etwas funktioniert – und es hat hervorragend funktioniert. Wir haben innerhalb weniger Tage 600 Autos verkauft. Es geht aber nicht nur darum, Autos zu verkaufen. Wir müssen im Vertrieb neue Wege gehen, um Kunden zu gewinnen.

Autogazette: Ihre Händler sind nicht in der Lage, ausreichend Kunden anzusprechen?

Langenbrinck: Natürlich sind sie dazu in der Lage. Doch wir verfügen in der Breite nicht über das Händlernetz, um alle potenziellen Kunden gezielt anzusprechen. Deshalb sind wir immer auf der Suche nach hochwertigen und etablierten Partnern wie Tchibo.

«Die Aktion ist hochwertig umgesetzt»

Der Smart Electric Drive unterwegs in London Smart

Autogazette: Der Smart kann bei Tchibo für monatlich 69 Euro geleast werden. Passt dieser Vertriebsweg und der Preis zum Premiumanspruch von Smart?

Langenbrinck: Klar! Die Aktion ist hochwertig umgesetzt und gemeinsam mit unserem deutschen Markt entwickelt. Die ersten Reaktionen aus dem Markt zeigen, dass dieses Angebot von den Kunden hervorragend angenommen wird.

Autogazette: Sind Ihre Händler über diese Konkurrenz nicht sauer?

Langenbrinck: Aber nein, die Kunden werden ja vom örtlichen Händler bedient. Der Kunde, der bei Tchibo ein Auto bestellt, bekommt einen Voucher, mit dem er zum smart Händler geht. Es handelt sich um einen normalen Leasingvertrag, der über unser Vertriebsnetz läuft: Sie zahlen 3000 Euro an, können in drei Jahren 36.000 Kilometer fahren, und das für 69 Euro im Monat.

Autogazette: Nach den ersten fünf Monaten konnten Sie weltweit nur 41.200 Einheiten des Smart verkaufen. Das ist ein Minus von 18 Prozent. Sind das die Zahlen eines Autos, das niemand mehr haben will?

Langenbrinck: Der aktuelle Smart ist vier Jahre alt – und unterliegt den ganz normalen Entwicklungen eines automobilen Lebenszyklus: Wir sprechen hier von Verlusten, die zwischen acht bis zu 13 Prozent liegen. Ich bin aber zuversichtlich, dass wir uns Ende des Jahres auf der unteren Ebene dieser Skala bewegen werden.

«Smart ist ein typischer Zweit- oder Drittwagen»

Anzeige der Batterieleistung im Smart Electric Drive
Soviel Strom hat er noch - der Batterieladezustand im Smart Smart

Autogazette: Es gibt auch Märkte, die über noch deutlichere Einbrüchen verfügen wie Deutschland. Hier liegt der Verlust nach fünf Monaten bei einem Gesamtabsatz von 11.128 Autos bei 26 Prozent...

Langenbrinck: ...nachdem wir in Deutschland im Vorjahr unterproportional von der Abwrackprämie profitiert haben, sind wir nun fünf Monate in Folge das am meisten verkaufte Auto im Segment, wenngleich mit negativen Zahlen. Das kann und will ich nicht als Erfolg verkaufen, doch wir schlagen uns besser als die Konkurrenz.

Autogazette: Wieso können Sie im Gegensatz zu Mitbewerbern nicht vom Trend zu spritsparenden Kleinstwagen profitieren?

Langenbrinck:Wir kommen aus der größten Krise, die diese Industrie bislang gesehen hat. Der Smart ist ein typischer Zweit- und Drittwagen und hat deshalb überproportional gelitten - 80 Prozent unserer Kunden haben einen weiteren Wagen. Aber noch einmal: Die Einbrüche des Smart basieren auf seinem Lifecycle.

«Gehe von deutlicher Steigerung aus»

Aufladung des Smart Electric Drive
Der Smart an der Steckdose Smart

Autogazette: Wie lange wird die Durststrecke noch anhalten, bis zum Facelift im Oktober?

Langenbrinck: Die Modellpflege wird eine Vielzahl von Veränderungen bringen und damit über mehr als nur optische Retuschen hinausgehen. Ja, ich gehe davon aus, dass mit dem überarbeiteten Smart die Absatzzahlen wieder deutlich steigen.

Autogazette: Ende 2012 wird der in Kooperation mit Renault gebaute Viersitzer auf den Markt kommen. Ist es das Modell, das der Marke den erhofften Push geben wird?

Langenbrinck: Einen Termin kann ich Ihnen hier nicht bestätigen, aber fest steht, dass wir für unsere heutigen Kunden, die Nachwuchs bekommen, unter der Marke Smart kein entsprechendes Angebot haben. Mit dem Viersitzer werden wir wieder erste Wahl. Zusätzlich werden wir neue Kunden gewinnen und entsprechend die Marke weiter nach vorn bringen.

«Werden circa 100.000 Fahrzeuge verkaufen»

Autogazette: Im Jahr 2009 lag der weltweite Absatz bei fast bei 117.000 Einheiten. Was ist das Ziel für das laufende Jahr?

Langenbrinck: Ich gehe davon aus, dass wir auch aufgrund des anstehenden Modellwechsels in diesem Jahr circa 100.000 Fahrzeuge verkaufen werden. Vorausgesetzt, die Konjunktur spielt weiter mit.

Autogazette: Wird die Kooperation mit Renault dazu führen, den Smart mittelfristig auch günstiger anbieten zu können?

Langenbrinck: Unser Basispreis von 9990 Euro ist ein ausgesprochen attraktiver Preis. Aber natürlich wollen wir von der hohen Kleinwagenkompetenz, die Renault hat, auch auf der Kostenseite profitieren. Wir werden sehen, zu welchen Ergebnissen uns die derzeit laufenden Gespräche mit unserem französischen Partner bringen. Am Ende steht im Idealfall auch ein günstigerer Preis, oder deutliche Mehrwerte bei Technik und -ausstattung für den Kunden.

Autogazette: Wenn der Absatz in Deutschland schon nicht zufriedenstellend läuft, muss Ihnen der US-Markt derzeit ja Alpträume bereiten...

Langenbrinck: ...wir hatten beim Launch des Smart im Jahr 2008 einen überwältigenden Erfolg mit 25.000 Einheiten, doch im Vorjahr sind wir mit 14.000 Einheiten angesichts der Weltwirtschaftskrise eingebrochen. Aber ich glaube, dass das urbane Konzept ankommt. Im sechsten Monat in Folge steigt das Volumen wieder an.

«Natürlich bin ich damit nicht zufrieden»

Das Heck des Elektro-Smart Smart

Autogazette: Sie beschönigen die Zahlen. Nach fünf Monaten liegt der Absatz bei gerade mal über 3000 Einheiten.

Langenbrinck: Natürlich bin ich damit nicht zufrieden, aber die Tendenz geht wieder nach oben.

Autogazette: Sie bringen im Herbst den Smart Electric Drive in den USA auf den Markt. Wer soll sich denn für dieses Auto entscheiden, wenn man sich schon nicht für den normalen Smart interessiert?

Langenbrinck: Ich bin da optimistisch, denn wenn der Smart das perfekte Stadtauto ist, dann ist der electric drive die Ideallösung. Die Resonanz auf dieses Auto ist sehr groß, um nicht zu sagen euphorisch. Wir werden in diesem Jahr noch 250 Autos zu einem monatlichen Leasingpreis von 599 US-Dollar anbieten. Smart USA ist gerade dabei zu entscheiden, wohin die Autos gehen und welche Kunden sie bekommen sollen, denn es gibt weit mehr Interessenten, als Fahrzeuge. Elektrisches Fahren ist auch für uns weiter ein Lernfeld, aber eines in dem wir schon länger unterwegs sind als unsere Wettbewerber.

«Laufen Gefahr, eine Chance zu verspielen»

Autogazette: Am 3. Mai ist der E-Gipfel bei der Kanzlerin ohne nennenswerte Ergebnisse zu Ende gegangen. Verspielt Deutschland Ihrer Meinung nach durch seine ablehnende Haltung für Kaufanreize die Chance, Weltleitmarkt bei der E-Mobilität zu werden?

Langenbrinck: Wir sind mit dem Smart in 41 Ländern unterwegs. In vielen dieser Länder gibt es Incentiveprogramme. Ich bin der Letzte, der sich dafür ausspricht, Steuergelder in verschiedene Industriezweige zu stecken. Doch wenn wir in Deutschland in der Breite elektrisches Fahren zur Realität werden lassen wollen, müssen wir auch Kaufanreize setzen. In Frankreich gibt es 5000 Euro, in Monaco 9000 Euro und in China mehr als 7000 Euro – wenn ich so eine substanzielle Unterstützung habe, kann ich die Kunden ganz anders ansprechen. In Deutschland haben wir das leider nicht. Deshalb glaube ich, dass wir Gefahr laufen eine historische Chance zu verspielen.

Autogazette: Ab wann glauben Sie mit der Marke Smart vom chinesischen Markt profitieren zu können?

Langenbrinck: Wir profitieren schon jetzt: In 2009 haben wir 2000 Einheiten verkauft, 2010 läuft auch sehr gut. Smart ist ein außergewöhnliches Konzept und außergewöhnliche Konzepte brauchen Zeit, verstanden zu werden. In Europa ist der Smart aus dem modernen Stadtbild nicht mehr wegzudenken, dies wird auch weltweit so sein.

Das Interview mit Marc Langenbrinck führte Frank Mertens

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Frank Mertens
Nach dem Studium hat er in einer Nachrichtenagentur volontiert. Danach war er Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche.

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