Trotz der schwächelnden Autokonjunktur blickt Hans Demant «moderat optimistisch» auf das Jahr 2005. Im Interview mit der Netzeitung spricht der Opel-Chef über das Sanierungsprogramm und die Produkte der Rüsselsheimer.
Opel-Chef Hans Demant hat nach der Unterzeichnung des so genannten Zukunftsvertrages die Zusammenarbeit mit der Arbeitnehmerseite gelobt. «Auf dem Weg dorthin hat sich die Arbeitnehmerseite als ein kooperativer Partner erwiesen, der sich mit viel Realitätssinn den Herausforderungen der heutigen Automobilindustrie gestellt hat und so die langfristige Sicherung von Opel ermöglichte», sagte Demant im Interview mit der Netzeitung.
Mit Blick auf die erzielte Einigung, die die Opel-Standorte in Westdeutschland bis 2010 sichert, stellte der Manager fest, dass «beide Vertragspartner das bekommen» hätten, «was sie dringend benötigen. Auf Unternehmensseite ist das vor allem eine wettbewerbs- und damit zukunftsfähige Kostenstruktur. Auf Arbeitnehmerseite war sicherlich die Standortsicherung das wichtigste Ziel». Zugleich stellte Demant aber klar, «dass letztlich nur der Verlauf der Konjunktur über eine wirklich dauerhafte Standortsicherung entscheidet».
«Arbeitnehmerseite war kooperativer Partner»
Netzeitung: Herr Demant, am Freitag konnten Sie die Sanierungsgespräche mit einer Einigung auf einen Zukunftsvertrag beenden. Wie fühlen Sie sich nach diesem Verhandlungsmarathon, der die Zukunft der deutschen Opel-Werke sichert?
Hans Demant: Wir haben uns auf die Fahne geschrieben, die Standorte in Deutschland konkurrenzfähig zu machen, und dieses Ziel haben wir erreicht. Im Gegenzug profitieren unsere Werke nun von einer Standortsicherung. Auf dem Weg dorthin hat sich die Arbeitnehmerseite als ein kooperativer Partner erwiesen, der sich mit viel Realitätssinn den Herausforderungen der heutigen Automobilindustrie gestellt hat und so die langfristige Sicherung von Opel ermöglichte.
Netzeitung: Wer musste am Ende denn mehr Kompromisse machen: Die Arbeitgeber- oder die Arbeitnehmerseite?
Demant: Lassen Sie mich mal so sagen: Letztlich haben beide Vertragspartner das bekommen, was sie dringend benötigen. Auf Unternehmensseite ist das vor allem eine wettbewerbs- und damit zukunftsfähige Kostenstruktur. Auf Arbeitnehmerseite war sicherlich die Standortsicherung das wichtigste Ziel. Nun, wir haben kooperativ zusammengearbeitet und sicherlich Lösungen gefunden, die im Unternehmenssinne wie auch im Sinne unserer Mitarbeiter und der daran hängenden Familien sind. Es sind tragbare Lösungen, die in die Zukunft führen.
«Erhebliche Abfindungssumme»
Netzeitung: Teilen Sie die Auffassung, dass zentrales Element für eine Einigung die Zugeständnisse der Opel-Beschäftigten waren? So müssen sich die Opelaner neben flexibleren Arbeitszeiten auch auf Lohnkürzungen und Abstriche beim Weihnachtsgeld einstellen.
Demant: Die Opel-Beschäftigten haben in Deutschland ihren Teil beigetragen - genau wie die Beschäftigten anderer GM-Marken in Europa auch. Richtig ist aber auch, das GM für den gesamten Restrukturierungsprozess eine erhebliche Abfindungssumme zur Verfügung gestellt hat - laut Gewerkschaftskreisen die höchste in der deutschen Industriegeschichte - und das Opel weiterhin dem IG-Metall-Flächentarifvertrag angeschlossen bleibt. Derzeit zahlen wir erheblich über Metall-Tarif. Das ging, solange die Konjunktur gut lief.
Netzeitung: Wenn Sie sich die Verhandlungen im Rückblick betrachten, wo gab es die größten Probleme zu bewältigen?
Demant: Schwierig war sicherlich, die Dauer der Standortsicherung und die eingeforderten Kostensenkungen gut auszubalancieren. Wir wollten alle eine auf längere Sicht tragfähige Lösung.
Netzeitung: Was hat letztlich den Ausschlag gegeben, dass Rüsselsheim den Zuschlag für die Mittelklasse erhält und Bochum den fünftürigen Astra bauen kann?
Demant: Neben den Lohnkosten ging es auch um Arbeitszeitregelungen, Investitionen, Kapazitäts- und Volumenplanung, Währungskursrisiken und natürlich Logistikkosten.
Netzeitung: Der Zukunftsvertrag sieht vor, dass es bis Ende 2010 keine betriebsbedingten Kündigungen geben wird. War dies Ihr Zugeständnis an die Arbeitnehmervertreter, dass dieser Zukunftsvertrag überhaupt zustande kommt?
Demant: In der Tat war dies eine zentrale Forderung der Betriebsräte. Wobei sicherlich klar ist, dass letztlich nur der Verlauf der Konjunktur über eine wirklich dauerhafte Standortsicherung entscheidet.
«GM erwartet finanziell schwieriges Jahr»
Netzeitung: Nachdem beim Stellenabbau das Ziel erreicht wurde, hatte GM-Europachef Carl-Peter Forster vorsorglich gesagt, dass 2005 trotzdem ein sehr schwieriges Jahr werden wird. Wie schwierig wird es denn für das Unternehmen trotz des nun geschlossenen Kontrakts?
Demant: Hier wird es heute keine Vorhersage geben können. Wir alle müssen davon ausgehen, dass sich die Absatzvolumina auch in 2005 nicht sprunghaft verbessern werden. Dazu fehlt schlicht die Konsumbereitschaft in den Märkten. GM erwartet in Europa daher ein finanziell erneut schwieriges Jahr.
Netzeitung: Der operative Verlust soll sich Spekulationen zufolge in 2004 bei 640 Millionen Euro bewegt haben...
Demant: Die Adam Opel AG hat als GM Tochterunternehmen keine eigene Bilanzpressekonferenz durchgeführt und solche Mutmaßungen bestätigt. Die veröffentlichte GM Konzernbilanz weist in Europa in 2004 einen Verlust von 742 Millionen Dollar aus. Andererseits gibt es auch berechtigte Hoffnung auf Umsatzwachstum: Unsere Verkäufe im November, Dezember auf Januar, Februar sahen entgegen dem Industrietrend nicht schlecht aus. Und die Initiative, die wir mit dem «Million Mile Test Drive» gelauncht haben, belegt, dass wir Selbstbewusstsein zu unserem Produkt haben können. Wir sind sehr zuversichtlich, dass viele Leute, die an diesem Testfahrt-Angebot teilnehmen werden, zurückkommen und sagen werden, dass wir eine verdammt gute Produktpalette haben. Wir hoffen, dass wir so wieder eine Menge Kunden von Opel begeistern können.
«Wirtschaftliche Situation verbessern»
Netzeitung: Mit welchem Sparziel gehen Sie denn in 2005?
Demant: Die Frage, die wir uns stellen, ist: Wo wollen wir mit dem Gesamtergebnis des Unternehmens am Ende des Jahres stehen? Was wir uns vorgenommen haben ist, dass wir unsere wirtschaftliche Situation erheblich verbessern.
Netzeitung: Für das Abfindungsprogramm stand eine Milliarde Dollar zur Verfügung. Hat das Geld gereicht?
Demant: Es ist schwer zu sagen, was ein solches Restrukturierungsprogramm am Ende kosten wird. Wir sind intern ganz stolz darauf, dass es so stattgefunden hat, wie wir es angenommen haben. Es wird nicht so sein, dass es am Ende heißt, ihr habt eure Personalanpassung nicht machen können, weil Euch das Geld ausgegangen ist. Wir werden am Ende des Restrukturierungsprogramms das erreichen, was wir erreichen wollen. Wir sind ein Industrieunternehmen, wo Budgetüberschreitungen nicht zu akzeptieren sind. Wir überschreiten keine Budgets, wenn wir Autos entwickeln, wir überschreiten keine Budgets, wenn wir anderes machen.
Netzeitung: Wie deprimierend ist es für Sie als Opel-Chef, dass man mehr über die Sanierungsmaßnahmen als über die Produkte spricht? Allerspätestens seit dem Astra weiß man ja, dass Opel wieder gute Autos bauen kann.
Demant: Es wäre der vollkommen falsche Schluss zu sagen, dass wir eine Restrukturierung nicht machen können, weil dann schlecht über uns berichtet wird. Sie können in einer Situation, in der wir waren, nicht einfach so weitermachen in der Hoffnung, das wird sich schon erledigen. Das erledigt sich eben nicht, weil die Marktprognosen im Moment nicht derart sind, dass es eine Volumenerhöhung oder eine wesentliche Erholung auf der Preisseite geben wird. Von daher stellt sich am Ende nur noch die Frage, wie man es macht, damit die Kommunikation dazu nicht notwendigerweise nur negativ ausfällt. Ich bin persönlich fest davon überzeugt, dass wir diesen Teil der Unternehmenskommunikation in relativ absehbarer Zeit hinter uns haben werden und dann in die Zukunft schauen können.
«Zuwächse, vor allem in Deutschland»
Netzeitung: Hatten die Sanierungsmaßnahmen Auswirkungen auf den Absatz?
Demant: Das war nicht der Fall. Wir hatten keinen Einbruch bei den Verkäufen zu verzeichnen, ganz im Gegenteil: Wir hatten Zuwächse, vor allem in Deutschland.
«Wir sind moderat optimistisch»
Netzeitung: Wie schaut denn konkret Ihre Absatzerwartung für 2005 aus?
Demant: Wir gehen damit nicht an die Öffentlichkeit. Ich habe gesagt, dass wir moderat optimistisch sind. Wenn Sie sich anschauen, was wir auf dem Autosalon in Genf an Produkten stehen haben, dann ist das eine solide Annahme.
Netzeitung: Sie haben in Genf die Weltpremiere des Zafira gefeiert. Nachdem vom Vorgängermodell über 1,4 Millionen Stück abgesetzt wurden, was erwarten Sie in Summe von dem Nachfolger?
Demant: Wir haben Kapazitäten geschaffen, die dem Trend des Zafira Rechnung tragen. Das Auto läuft nach wie vor gut. Wir sind in der Lage, dass Zafira-Geschäft so weiterlaufen zu lassen und sogar leicht zu steigern, wie es in den besten Zeiten des alten Zafira der Fall war. In Bochum ist man gerade dabei, die entsprechenden Anlaufaktivitäten zu planen.
Netzeitung: Ist der Zafira so etwas wie ein Hoffnungsträger für Opel?
Demant: Ach wissen Sie: Jedes Produkt ist wichtig. Am Ende ist unser Geschäft so vielfältig, dass man eigentlich nicht sagen kann, wer unser Hoffnungsträger ist. Wenn Sie sich die Volumenverteilung betrachten, dann können Sie sagen, dass wir ordentliche Verkäufe beim Astra haben. Von der fünftürigen Hatch-Back-Limousine hatten wir 2004 zunächst 200.000 Einheiten geplant, dann 230.00 Einheiten und verkauft haben wir am Ende 245.000 Einheiten - eine unglaubliche Steigerung. Super läuft derzeit der Astra Caravan, der Corsa ebenso, der Meriva geht toll. Das einzige Auto, mit dem wir derzeit nicht zufrieden sind, ist der Vectra. Doch das liegt nicht daran, dass der Vectra ein schlechtes Auto ist, sondern daran, dass das Segment um den Vectra herum in den letzten Jahren zurückgegangen ist. Dennoch bleiben wir mit dem viertürigen Vectra Marktführer in diesem Segment.
Das Interview mit Hans Demant führte Frank Mertens