«Hybrid ist der soziale Fußabdruck der Oberklasse»

Interview mit Jaguar/Land Rover Deutschland-Chef Peter Modelhart

Dass Jaguar / Land Rover als Teil des Tata-Konzerns zu den sechs Herstellern gehören wird, denen Fiat-Chef Sergio Marchionne eine Zukunft bescheinigt, steht für Peter Modelhart außer Frage. Der Deutschland-Geschäftsführer äußert sich in der Autogazette über die Zukunftsaussichten des angeschlagenen Importeurs.

Jaguar/Land Rover glaubt nach einem herben Verlustjahr 2009 an eine Erholung in diesem Jahr. «Wir haben eine schöne Aussage vom Autoexperten Ferdinand Dudenhöffer, der sagt, dass es 2010 nur wenige Marken geben wird, die gewinnen werden. Und Jaguar / Land Rover zählt er zu diesen Marken», sagte Peter Modelhart, Deutschland-Geschäftsführer von Jaguar / Land Rover, im Interview mit der Autogazette. Besonders im Privatkundenbereich erwartet der Österreicher einen Zuwachs. So peilt der Importeur nach 8000 verkauften Fahrzeugen im vergangenen Jahr rund 800 Neuzulassungen mehr für 2010 an.

Neue Marketingstrategie

Mit einer neue Marketingstrategie sollen Interessenten angelockt werden. «Wir wollen zum einen deutlich mehr Fahrveranstaltungen für Interessenten durchführen, damit sie unsere Fahrzeuge erleben können und die Philosophie von Jaguar und Land Rover verstehen», so Modelhart weiter. Daneben sollen neue und günstigere Einstiegsversionen weitere Pluspunkte im Image setzen, dass immer noch an den Unzuverlässigkeiten vergangener Jahre krankt. «Wir haben aber seit einigen Jahren eine wesentliche Verbesserung in der Zuverlässigkeit durch neue Qualitäts- und Fertigungsprozesse erreicht», sagt der 41-Jährige, «es dauert aber immer seine Zeit, bis sich das in den Köpfen und in der Mundpropaganda durchgesetzt hat.»

So soll auch eine Dieselhybrid-Version im XJ oder im Range Rover den Standard der Oberklasse erfüllen, auch wenn Modelhart davon ausgeht, dass nur ein kleiner Anteil der Käufer diese Version wählen wird. «Wir sehen nicht, dass wir Marktanteile verlieren, wenn wir keinen Hybrid anbieten. Zugleich wird der Hybrid in diesem Segment natürlich auch ein sozialer Fußabdruck sein. Aber ich glaube, wir werden überrascht sein, wie niedrig der Prozentanteil an Hybdridfahrern in diesem Segment generell sein wird.»

«Leichte Erholung im Privatkundenbereich»

Auf dem neuen XJ lasten hohe Erwartungen Foto: Jaguar

Autogazette: VW-Chef Martin Winterkorn bezeichnet 2010 als das schlimmste Jahr der Krise. Wie weit wird Jaguar in diesem Jahr sinken?

Peter Modelhart: Wir glauben an eine leichte Erholung im Premium-Privatkundenbereich. Wir haben eine schöne Aussage vom Autoexperten Ferdinand Dudenhöffer, der sagt, dass es 2010 nur wenige Marken geben wird, die gewinnen werden. Und Jaguar / Land Rover zählt er zu diesen Marken.

Autogazette: Jaguar/Land Rover Deutschland peilt in diesem Jahr eine Steigerung von zehn Prozent an. 2009 schloss Jaguar mit einem Minus von 25 Prozent und Land Rover mit einem Minus von 29 Prozent ab. Das heißt, dass 2010 ein Minus von 15 beziehungsweise 19 Prozent gegenüber 2008 angepeilt wird?

Modelhart: Wir glauben nicht, dass wir zehn Prozent im Vergleich zu den Zeiten vor der Krise zulegen werden. Das wäre unrealistisch. Kaum ein Autohersteller dürfte das erreichen. Viel wichtiger sind die Maßnahmen, die wir ergreifen, um uns im Premiumsegment bei den Privatkunden zu behaupten. Dieses Segment dürfte wieder wachsen und dafür sind wir gut gerüstet.

Autogazette: Knapp 8000 verkaufte Fahrzeuge in 2009 in Deutschland für beide Marken zusammen, wie viele Fahrzeuge sollen in diesem Jahr dann an den Mann oder die Frau gebracht werden?

Modelhart: Genau hier wollen wir zehn Prozent mehr verkaufen, also so um die 8800 Fahrzeuge.

Autogazette: Der neue Jaguar XJ . . .

Modelhart:. . . wird nach der Einführung im April wesentlich dazu beitragen. Zugleich aber auch die neuen Einstiegsversionen des Jaguar XF, die bei 44.900 Euro beginnen. Hinzu kommen neue Elemente im Rahmen der Werbung und Kommunikation.

«Wesentliche Verbesserung in der Zuverlässigkeit»

Auch der neue Range Rover erfüllt Geländetauglichkeit und Luxus in einem Foto: Land Rover

Autogazette: Wie sehen diese aus?

Modelhart: Wir wollen zum einen deutlich mehr Fahrveranstaltungen für Interessenten durchführen, damit sie unsere Fahrzeuge erleben können und die Philosophie von Jaguar und Land Rover verstehen.

Autogazette: Wieso sind bisher die potenziellen Kunden nicht in Ihre Fahrzeuge eingestiegen? Hängt da noch das Image von Jaguar an, dass die Fahrzeuge zu teuer sind?

Modelhart: Die Rückgänge bei Jaguar sind weniger als in den jeweiligen Premiumsegmenten. Wir haben uns also besser behauptet und das ist positiv zu vermerken. Gleichwohl ändern wir den Fokus hin zu einer stärkeren Einbeziehung der Interessenten durch Probefahrten oder Veranstaltungen. Denn noch ist zum Beispiel der XF nicht als Alternative im Segment der oberen Mittelklasse bekannt.

Autogazette: Spielt auch noch das Thema Zuverlässigkeit beziehungsweise Unzuverlässigkeit eine Rolle?

Modelhart: Das schwingt leider immer wieder mit. Wir haben aber seit einigen Jahren eine wesentliche Verbesserung in der Zuverlässigkeit durch neue Qualitäts- und Fertigungsprozesse erreicht. Das zeigt sich z.B. darin, dass wir in den letzten vier Jahren bei der renommierten J.D.Powers-Kundenzufriedenheitsstudie die Nummer eins oder schlechtestens die Nummer drei waren. Auch in der Zuverlässigkeitsstudie des ADAC ist Jaguar mittlerweile auf den Spitzenplätzen. Wir haben uns also dramatisch verbessert. Es dauert aber immer seine Zeit, bis sich das in den Köpfen und in der Mundpropaganda durchgesetzt hat.

Autogazette: In wie weit schadet dann ein Rückruf, wie er jetzt Mitte Januar beim Land Rover Discovery und Range Rover Sport gestartet werden musste?

Modelhart: Rückrufe gehören mittlerweile zum Standard eines jeden Herstellers. Da fallen wir nicht aus dem normalen Raster heraus. Zumeist muss die Software neu aufgespielt werden und alles ist erledigt.

»Andere Anforderungen an Dieselhybrid

Der Jaguar XF ist auch mit neuem dieselmotor schon recht sparsam Foto: Jaguar

Autogazette: Der neue Jaguar XJ soll eine Hybridversion erhalten, der Range Rover Sport einen Dieselhybrid. Wann werden diese Modelle auf dem Markt erhältlich sein?

Modelhart: Wir sind derzeit in der Testphase. Ein Hybridantrieb befindet sich in einem Freelander im Alltagstest. Aber wir haben bereits sehr effiziente Dieselmotoren, deshalb muss man genau beobachten zu welchen Zeitpunkt diese Serieninvestition für den Kunden und auch für uns als Hersteller sinnvoll ist.

Autogazette: Kann das nicht zu spät sein? Peugeot zum Beispiel will im kommenden Jahr einen Dieselhybrid anbieten . . .

Modelhart: Unsere Dieselhybride haben auch andere Anforderungen. Sie werden im 4 x 4-Bereich eingesetzt und müssen auch im Anhängerbetrieb funktionieren, das machen Modelle anderer Marken nicht.

Autogazette: Trotzdem - ein BMW X6 Active oder ein Mercedes S400 Hybrid gibt es jetzt schon?

Modelhart: Aber zu welchem Preis für den Kunden! Wir konnten mit unseren neuen, sehr sparsamen Dieselmotoren zum Beispiel beim XF wesentliche Verbesserungen hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit erzielen, ohne Kostennachteil für den Kunden. Ein Benzin-Hybrid interessiert uns deshalb aktuell nicht.

Autogazette: Sind Hybridversionen in diesen Segmenten überhaupt aus Gründen der Nachhaltigkeit gefragt oder lediglich ein Statussymbol?

Modelhart: Wir sehen nicht, dass wir Marktanteile verlieren, wenn wir keinen Hybrid anbieten. Dieselhybride sehen wir zudem eher bei den großen Modellen wie Range Rover oder Range Rover Sport. Doch werden die Verbrennungsmotoren immer weiter entwickelt werden, sodass der Abstand zum Hybrid immer kleiner wird. Ein Hybrid macht nur da Sinn, wo man in Zusammenarbeit mit einer Leichtbauarchitektur einen Mehrwert schaffen kann. Zugleich wird der Hybrid in diesem Segment natürlich auch ein sozialer Fußabdruck sein. Aber ich glaube, wir werden überrascht sein, wie niedrig der Prozentanteil an Hybdridfahrern in diesem Segment generell sein wird.

Autogazette: Also wird der Hybridantrieb mehr Statussymbol oder Aushängeschild sein?

Modelhart: In diese Richtung wird es wohl zunächst gehen, solange diese Antriebsart noch sehr teuer ist.

Von der Hybridisierung zum Range Extender

Der kleine Range Rover kommt 2011 Foto: Landrover

Autogazette: Welche Entwicklungen stehen weiterhin bevor bei einer Investition von umgerechnet 925 Millionen Euro, die für die alternative Antriebe bereit stehen? Was können wir erwarten?

Modelhart: Die 925 Millionen Euro umfassen Umweltinnovationen aller Art. Doch das erste Ergebnis war der Einsatz der Stop-Start-Technologie im Freelander, bei der der Verbrauch von 7,5 auf 6,7 Liter reduziert wurde. Viele weitere Schritte werden folgen, um den Verbrauch weiter zu senken. Dazu gehören Entwicklungen bei der Aerodynamik oder des Rollwiderstandes oder auch die Leichtbauarchitektur.

Autogazette: Ein Elektro-Auto wird sich nicht unter den Neuerungen befinden?

Modelhart: Wenn man die Hybridisierung weiter verfolgt, dann kommt man irgendwann zum Range Extender, ein Konzept, dass wir im Jaguar XJ testen und mit dem ein CO2-Ausstoß von unter 120 Gramm bei einer Luxuslimousine erreicht werden kann. In diese Richtung werden wir weiterentwickeln.

Autogazette: Wäre der kleine Range Rover, der 2011 kommen soll, nicht prädestiniert dafür, auch elektrisch angetrieben zu werden?

Modelhart: Die Nachfrage muss bestehen, um diese Technologie sinnvoll einzusetzen. Und die sehen wir aktuell nicht im 4x4 Segment. Doch wird dieses Modell auch ohne Elektromotor der effizienteste und kleinste Range Rover sein, den wir jemals gebaut haben.

«Werden wieder profitabel werden

Der Land Rover Discovery 4 Foto: AG/Flehmer

Autogazette: Land Rover /Jaguar betont die Selbstständigkeit im Tata-Konzern. In wie weit ist diese dehnbar, bis Tata die Lust verliert?

Modelhart: Verluste haben wir, wie fast alle anderen Automobilhersteller auch, in der Rezension eingefahren, davor waren wir profitabel. Und wir werden auch wieder profitabel werden. Unser Business Plan ist darauf ausgelegt, er umfasst u.a. die Reduzierung der Produktionsstätten von drei auf zwei. Das war sicherlich keine einfache Entscheidung, aber sie war notwendig, um das Unternehmen besser zu positionieren.

Autogazette: Die Werksschließung soll ohne Personalabbau vorangetrieben werden, wie soll das geschafft werden?

Modelhart: Dadurch, dass die Standortentscheidung im ersten Halbjahr 2010 getroffen wird, die endgültige Werksschließung jedoch erst in fünf Jahren stattfinden wird. Eine natürliche Fluktuation kann etwaige Entlassungen ausschließen. Zudem haben wir aufgrund der Krise bereits im letzten Jahr mehr als 2000 Arbeiter entlassen müssen.

Autogazette: Wann werden die ersten englischen Arbeiter in ein neues Werk nach Indien oder China kommen?

Modelhart: Wir haben derzeit keine Absichten, ein neues Werk zu eröffnen.

Autogazette: Fiat-Chef Sergio Marchionne geht davon aus, dass lediglich sechs Automobilhersteller die nächsten Jahre überleben werden. Wird Jaguar/Land Rover dazugehören?

Modelhart: Auf alle Fälle. Es werden sechs Konzerne sein und mit der Tata-Gruppe gehören wir dazu.

Autogazette: Reicht Tata aus oder müssen weitere Joint Ventures eingegangen werden?

Modelhart: Tata ist mit 98 Firmen und 357.000 Mitarbeitern in 80 Ländern weltweit ein sehr großer Konzern. Inwieweit jedoch für unsere Premiummarken Jaguar und Land Rover Kooperationen notwendig werden, kann ich Ihnen aus heutiger Sicht nicht sagen. Aktuell bestehen noch langfristige Verträge mit unserer ehemaligen Mutter, dem Ford Konzern.

Das Interview mit Peter Modelhart führte Thomas Flehmer

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