«Größe allein ist kein Schlüssel zum Erfolg»

Interview BMW-Produktionsvorstand Frank-Peter Arndt

Frank-Peter Arndt sieht die BMW Group für den Wettbewerb gewappnet. Im Interview mit der Autogazette spricht der Produktionsvorstand über die Veränderungen im Premiumsegment, die Notwendigkeit von Kooperationen und die Erwartungen nach dem Krisenjahr.

Für BMW-Produktionsvorstand Frank-Peter Arndt entscheidet sich die Zukunftsfähigkeit eines Autoherstellers nicht allein durch seine Größe. «Größe allein ist kein Schlüssel zum Erfolg, wie man derzeit weltweit beobachten kann. Überleben werden vielmehr die innovativen, finanzstarken und anpassungsfähigen Unternehmen mit der größten technischen Kompetenz», sagte Arndt im Interview mit der Autogazette.

1,6 Millionen Fahrzeuge angepeilt

Wie Arndt hinzufügte, sei es das mittelfristige Ziel der Unternehmensführung, die BMW Group «wieder in Größenordnungen von über 1,6 Millionen abgesetzte Fahrzeuge mit guter Profitabilität zu führen. Ich bin überzeugt, dass uns das mit der hervorragenden Substanz gelingen wird.»

Dass sich die Wettbewerbssituation im Premiumsegment durch die Übernahme von Porsche durch den VW-Konzern verändert habe, kann Arndt nicht erkennen. «Wir können diese marktbeherrschende Stellung nicht sehen. Die Wettbewerbssituation hat sich für uns nicht geändert. Die BMW Group ist mit den drei Marken Rolls-Royce, BMW und MINI exzellent aufgestellt.»

«Verschließen uns keiner Zusammenarbeit»

Der Mini Cooper D ist mit einem Kooperationsmotor ausgestattet Foto: Mini

Autogazette: Herr Arndt, ist ein Hersteller wie BMW mit einem Jahresabsatz von 1,5 Millionen Autos in der Zukunft allein noch überlebensfähig?

Frank-Peter Arndt: Größe allein ist kein Schlüssel zum Erfolg, wie man derzeit weltweit beobachten kann. Überleben werden vielmehr die innovativen, finanzstarken und anpassungsfähigen Unternehmen mit der größten technischen Kompetenz. Unser Ziel ist es aber, die BMW Group mittelfristig wieder in Größenordnungen von über 1,6 Millionen abgesetzten Fahrzeugen mit guter Profitabilität zu führen. Ich bin überzeugt, dass uns das mit der hervorragenden Substanz gelingen wird.

Autogazette: Nach einer Studie von PriceWaterhouse müssen Hersteller zur Kostensenkung verstärkt auf Partnerschaften setzen. Warum verschließt sich BMW dieser Realität?

Arndt: Wir verschließen uns keiner Zusammenarbeit, sondern kooperieren bereits erfolgreich mit anderen Unternehmen. Aber differenzierende Umfänge wie Design oder technologisch anspruchsvolle Themen am Produkt oder in der Produktion, mit denen wir uns am Markt abgrenzen, bleiben im Haus.

Autogazette: BMW sieht durch Kooperationen die Gefahr der Verwässerung seiner Markenwerte. Warum bauen Sie dann Peugeot-Motoren in ihren Mini-Fahrzeugen ein?

Arndt: Es ist nicht richtig, dass wir 1:1 Peugeot-Motoren in unsere Minis einbauen. Dieser Motor ist ein von BMW entwickeltes Aggregat, bei dem definierte Umfänge zur Erzielung von Skaleneffekten vom PSA-Konzern gefertigt werden. Der spezifische Zusammenbau und die Auslegung des Antriebs für unseren Mini erfolgt in unserem Werk Hams Hall in England.

Autogazette: Warum verschließt sich BMW trotz möglicher Skaleneffekte einer engeren Kooperation mit Daimler?

Arndt: Wir verschließen uns nicht. Kooperationen sind für einen mittelgroßen Hersteller wie uns wichtig. Deshalb gibt es auch eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit dem Hause Daimler. Beispielsweise im Bereich der Hybridtechnologie oder beim gemeinsamem Einkauf von Komponenten.

Autogazette: Die Partnerschaft mit Daimler bei der Entwicklung von Hybridantrieben läuft im Spätherbst aus. Warum tut sich BMW dann so schwer mit einer Verlängerung?

Arndt: Ich weiß nicht, woher das Bild kommt, dass die Einen angeblich Ja sagen und die Anderen Nein. Eine Kooperation setzt eine Win-Win Situation auf beiden Seiten voraus.

«Habe meine Zweifel»

Der BMW X6 Foto: BMW

Autogazette: Zeigt das Beispiel Porsche nicht, dass der Kunde trotzdem einen Cayenne kauft, obwohl unter der Haube ein Motor aus dem VW-Konzern zum Einsatz kommt? Das Markenimage stimmt trotzdem.

Arndt: Ob so eine Rechnung langfristig aufgeht und es dem Kunden egal ist, in einem Auto einer Marke mit einem Motor aus deren Mutterkonzern unterwegs zu sein, muss sich erst noch zeigen. Wenn das tatsächlich absolut identische Motoren sind, habe ich da persönlich meine Zweifel.

Autogazette: Warum entwickelt sich Audi derzeit besser als BMW und Daimler? Liegt es nicht daran, dass man Vorteile hat, weil man sich aus dem Konzernregal bedienen kann?

Arndt: Die BMW Group ist weiterhin der weltweit führende Premium-Hersteller. Im ersten Halbjahr lagen wir im internationalen Absatz um mehr als 60.000 Einheiten vor unserem Ingolstädter Wettbewerber.

«Werden Top-Position behaupten»

Rolls-Royce gehört auch zur BMW Group Foto: Rolls-Royce

Autogazette: Sie nehmen die Aussage von Audi-Chef Rupert Stadler also gelassen zur Kenntnis, der bis 2018 weltweit erfolgreichster Premiumhersteller werden will?

Arndt: Jedes Unternehmen ist gut beraten, sich ambitionierte Ziele zu setzen. Dass man sich hier am Spitzenreiter orientiert, ist verständlich. Ich bin zuversichtlich, dass wir auch in Zukunft die Top-Position im Premium-Segment behaupten können.

Autogazette: Beunruhigt es Sie, dass VW nach der Übernahme von Porsche mit seinen Marken Audi, Bugatti, Bentley und Lamborghini dabei ist, eine marktbeherrschende Stellung im Premiumsegment einzunehmen?

Arndt: Wir können diese marktbeherrschende Stellung nicht sehen. Die Wettbewerbssituation hat sich für uns nicht geändert. Die BMW Group ist mit den drei Marken Rolls-Royce, BMW und Mini exzellent aufgestellt.

Autogazette: Die BMW Group hat in den ersten acht Monaten mit 817.000 verkauften Fahrzeugen einen Absatzrückgang von 17,7 Prozent hinnehmen müssen. Dennoch spricht Vertriebsvorstand Ian Robertson davon, dass die Richtung stimmt. Müssen Sie sich selbst Mut machen?

Arndt: Keineswegs. Nachdem wir im ersten Halbjahr deutliche Absatzrückgänge hatten, die Produktion um 30 Prozent runter fuhren und punktuell auch Kurzarbeit nutzten, bin ich im September hoch zufrieden. Unsere Werke erhöhen ihre Produktion, die Absatzrückgänge haben sich über fünf Monate in Folge verlangsamt. Derzeit liegt unsere Werksauslastung bei bis zu 110 Prozent, wenn eine Fünf-Tagewoche im Zwei-Schichtbetrieb als 100 Prozent-Basis gesetzt wird. Der Trend kann uns also für das Restjahr 2009 positiv stimmen.

Autogazette: Und wie schaut es für 2010 aus?

Arndt: Es wird ein Jahr, in dem man sich auf die Volatilität des Marktes einzustellen hat. Doch derzeit sind die Vorzeichen verhalten gut. Wir werden 2010 voraussichtlich eine langsame Markterholung sehen. Ab dem kommenden Jahr werden wir außerdem von der weiteren Erneuerung unserer Modellpalette profitieren.

«Zu wenig Lehren gezogen»

DEr BMW 320d Foto: BMW

Autogazette: Gehört für Sie dazu auch die Situation an den Finanzmärkten . . .?

Arndt: . . . auf jeden Fall. Leider muss ich feststellen, dass hier möglicherweise noch zu wenig Lehren aus den Fehlern der Vergangenheit gezogen wurden. Es kann heute keiner ausschließen, dass es wieder irgendeinen Kollaps geben wird, der sich dann in der Realwirtschaft widerspiegeln wird.

Autogazette: Wie lange reichen die Kapazitäten in Ihrem Werk in China angesichts der derzeit erzielten Wachstumsraten noch aus?

Arndt: Derzeit liegt die Produktionskapazität bei 41.000 Fahrzeugen. Ein Großteil davon wird genutzt. Deshalb führen wir Gespräche in China und prüfen weitere Optionen.

Autogazette: Kann BMW in den USA durch die neue Klimapolitik der US-Regierung profitieren, die den Durchschnittsverbrauch bis 2016 von derzeit neun Litern für Autos und Kleinlaster auf 6,6 Litern reduzieren will?

Arndt: Mit unserem Spritsparprogramm EfficientDynamics sind wir sehr gut aufgestellt. Auf dem deutschen Markt haben wir mit unserer Flotte schon heute einen exzellent niedrigen Durchschnittsverbrauch von 5,9 Litern. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen in den USA sind noch nicht abschließend entschieden, aber ich denke, dass wir vergleichsweise gut vorbereitet sind.

«Element der Nachhaltigkeit wird wichtiger»

Autogazette: Der Wert des Autos als Statussymbol schwindet. Wie stellt sich BMW auf diesen Wertewandel ein?

Arndt: Das Verständnis von Premium entwickelt sich weiter. Wir sehen, dass das Element der Nachhaltigkeit stärker hinzukommt: es wird mit zu einem wichtigen Aspekt des Premiumsegments werden. Wir haben auf der IAA gezeigt, dass wir aktiv dieses Thema gestalten. In diesem Zusammenhang sind wir auch stolz darauf, dass wir vom renommierten Dow Jones Sustainability Group Index zum fünften Mal in Reihenfolge zum nachhaltigsten Automobilunternehmen der Welt gekürt wurden.

Autogazette: Wenn man sich auf der IAA umschaut, sieht man hier einen Supersportwagen mit Hybrid und 356 PS, aber keinen neuen Kleinwagen. Verstehen Sie das als Nachhaltigkeit in der Modellpolitik?

Arndt: Wir haben mit der Konzeptstudie des BMW Vision EfficientDynamics gezeigt, dass sich Fahrfreude mit Leistung bei gleichzeitiger Emissions- und Verbrauchsreduktion eben nicht ausschließen. Diese Studie zeigt, was Technologie zukünftig zu leisten vermag. Mit berechneten 3,76 Litern Verbrauch auf 100 Kilometern Fahrleistung zeigt die Studie einen möglichen Weg für die nachhaltige Zukunft individueller Mobilität auf.

«Lösungen, die man noch nicht gesehen hat»

Die Studie Vision EfficientDynamics Foto: BMW

Autogazette: Wäre es nicht wichtiger gewesen, das sogenannte Mega-City-Vehicle mit Elektroantrieb zu präsentieren?

Arndt: Wir werden ein Mega-City-Automobil in der ersten Hälfte des nächsten Jahrzehnts bringen. Derzeit läuft ein Flottenversuch mit Kunden zur Elektromobilität in Ballungsräumen über die Mini E-Flotte. Wir möchten exakt das Nutzungsverhalten und die Bedürfnisse unserer Kunden verstehen. Mit dem Mega-City-Vehicle gehen wir nicht den Weg, einfach nur E-Antriebe in konventionelle Automobile zu adaptieren. Wir entwickeln vom Grunde auf ein neues passendes Fahrzeugkonzept. Das wird zu Lösungen führen, die wir bislang im Automobilbau nicht gesehen haben.

Autogazette: Bislang hieß es immer, dass BMW mit seiner Produktion dem Markt folgt. Wie erklärt es sich, dass Sie in den nächsten zwei Jahren eine Milliarde Euro in die deutschen Werke investieren?

Arndt: Die deutschen Werke sind das Herzstück der BMW-Produktion und sie werden auch weiter elementarer Bestandteil unseres Produktionsnetzwerkes bleiben. Insofern machen wir unsere Werke fit für zukünftige Modelle und setzen neue Technologien ein.

Autogazette: Sie schlossen Kündigungen aus, solange BMW in der Gewinnzone bleibt. Ist es nicht unseriös, angesichts der weltweiten Absatzkrise eine solche Aussage zu treffen?

Arndt: Das ist keine unseriöse Aussage. Es ist eine Aussage mit Blick auf die Vereinbarung, die wir mit unserem Betriebsrat geschlossen haben. Wir haben gesagt, dass es bis 2014 keine betriebsbedingten Kündigungen geben wird, solange wir schwarze Zahlen schreiben. Wir werden aber wie bereits angekündigt auch in Zukunft natürliche Fluktuation und Altersteilzeit nutzen.

Autogazette: BMW hat in der Krise auf Entlassungen verzichtet. Mit welchen Maßnahmen außer Kurzarbeit können Sie in der Produktion auf die gesunkene Nachfrage reagieren, falls 2010 doch desaströs werden sollte?

Arndt: Die Kurzarbeit hat den Sinn, dass sie zeitlich begrenzte Problemzeiten überbrückt. Wir alle können davon ausgehen, dass die Krise nicht die nächsten zehn Jahre dauert. Wir glauben an das Wachstum von Premium. Wir haben keinen Grund an unseren langfristigen Zielen zu zweifeln. Dafür brauchen wir die Standorte, die wir haben und dafür brauchen wir die engagierten Mitarbeiter, die heute für uns arbeiten.

Das Interview mit Frank-Peter Arndt führte Frank Mertens

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