Forster: Astra-Export sichert Arbeitsplätze

Carl-Peter Forster hat das Jahr 2006 als einen «Meilenstein» für GM-Europa bezeichnet. Im Interview mit der Autogazette spricht der Europachef des weltgrößten Autobauers über die Gründe für den Turnaround, den Export des Opel Astra und die CO2-Diskussion.

Der weltgrößte Autobauer General Motors (GM) wird 2006 mit einem Turnaround beenden. «Die Quartalszahlen für das vierte Quartal liegen noch nicht vor. Ich kann aber bereits sagen, dass 2006 für uns ein enorm wichtiger Schritt war, ein Meilenstein. Es zeigt, dass wir uns auf dem richtigen Kurs befinden», sagte GM-Europachef Carl-Peter Forster im Interview mit der Autogazette.

«2006 ist für uns ein Meilenstein»

Autogazette: Herr Forster, GM hat in Europa unter Ihrer Führung den Turnaround geschafft. Mit den Marken Opel, Vauxhall, Saab und Chevrolet konnten Sie 2006 über zwei Millionen Fahrzeuge verkaufen und einen Gewinn im dreistelligen Millionen-Euro-Bereich erzielen. Ist das der Durchbruch Ihres Konsolidierungskurses?

Carl-Peter Forster: Die ersten neun Monate des zurückliegenden Jahres konnten wir nach Steuern mit einem Gewinn von 196 Millionen Dollar abschließen. Die Quartalszahlen für das vierte Quartal liegen noch nicht vor. Ich kann aber bereits sagen, dass 2006 für uns ein enorm wichtiger Schritt war, ein Meilenstein. Es zeigt, dass wir uns auf dem richtigen Kurs befinden.

«Wir bauen wieder attraktive Autos»

Autogazette: Sie haben das Unternehmen seit Ihrem Amtsantritt einem Sparkurs unterzogen, insgesamt 12.000 Stellen wurden eingespart. Worauf führen Sie diesen Erfolg vor allem zurück?

Forster: Der Sparkurs hat etwa 50 Prozent der Verbesserung unserer finanziellen Situation ausgemacht. Umsatz- und Margenverbesserungen machen die anderen 50 Prozent aus und sind eine sehr nachhaltige Basis für den zukünftigen Erfolg. Wir haben das Glück, dass unsere Kunden sich wieder verstärkt den Marken Opel, Chevrolet und Saab zuwenden. Wieso tun sie das? Wir bauen attraktive Autos, haben unsere Qualität wieder im Griff, nachdem wir zwischenzeitlich etwas von den Schienen gesprungen waren. Die Fahrzeuge von Opel sind bereits wieder ganz vorne dabei. Aktuell wurde der Opel Meriva als bestes Auto unter allen Wettbewerbern vom TÜV-Autoreport identifiziert.

Autogazette: Zur Umsatzverbesserung dürften insbesondere auch die neuen Modelle beigetragen haben...

Forster: ...natürlich. Die neusten Produkte kommen sehr gut im Markt an. Ich meine den Zafira, den Meriva, den Astra und aktuell den Corsa. Auch beim Antara freuen wir uns über einen guten Auftragseingang. Wir legen wieder mehr Aufmerksamkeit darauf, wie wir unsere Preis-Position im Markt verbessern können und dass der Mix stimmt. Die Kunden haben wieder Freude an unseren Autos und sind bereit, die eine oder andere Option mehr zu bestellen. Wir wissen alle, dass wir an den Optionen mehr verdienen als an den Basisautos.

«Müssen weniger Rabatte geben»

Autogazette: Sie konnten in 2006 den Ertrag pro Auto steigern. Was heißt das konkret?

Der Astra GTC Foto: Werk

Forster: Die genaue Zahl will ich aus Wettbewerbsgründen nicht verraten. Ich kann Ihnen aber sagen, dass die Marke Opel ihre Preisposition zum unmittelbaren Wettbewerb über die letzten Jahre verbessern konnte. Eine einprozentige Netto-Preis-Steigerung bedeutet für Opel eine Verbesserung von 215 Millionen Dollar vor Steuern. Die Marke gewinnt an Attraktivität, entsprechend müssen wir weniger Rabatte geben und können mehr vom Netto-Preis für uns behalten. Ein Beispiel nenne ich doch: der Opel Astra GTC kann im Schnitt für 5000 Euro mehr verkauft werden als sein dreitüriger Vorgänger.

Autogazette: Welche Absatzerwartung haben Sie nach den zwei Millionen Fahrzeugen in 2006 für das laufende Jahr?

Forster: Das ist schwer zu sagen: Wir erwarten einen höheren Absatz. Wie hoch er genau sein wird, können wir noch nicht genau einschätzen. Doch der Absatz allein ist gar nicht so wichtig, weil wir in Westeuropa auf eine ergebnismaximierende Balance zwischen Volumen und Preisposition setzen. Da kann es sein, dass ein paar tausend weniger abgesetzte Autos eine bessere Ertragssituation bringen. Das sieht man beim Flottengeschäft, das wir zurückgefahren und damit unsere Marge verbessert haben.

«Opel ist auf richtigen Weg»

Der neue Opel Corsa Foto: Werk

Autogazette: Durch den Modellwechsel beim Corsa und eine geänderte Strategie beim Flottengeschäft musste Opel in Deutschland einen Absatzrückgang hinnehmen. Enttäuscht Sie das?

Forster: Ich bin darüber nicht besorgt. Denn die Ergebnisseite zeigt, dass die Marke Opel auf dem richtigen Weg ist. Die Marke Opel darf wieder etwas wertiger sein. Wir müssen nicht ausschließlich das Verkaufsvolumen pushen, sondern können die Wertigkeit der Marke betonen. Untersuchungen zeigen, dass die Kunden das honorieren - klar, denn es hält die Wiederverkaufspreise hoch. Wenn wir deshalb Marktanteile verlieren, weil wir das Flottengeschäft reduzieren, beunruhigt mich das ganz und gar nicht.

Autogazette: Ist der Imagewandel von Opel mit dem GT abgeschlossen, der eine Markenkampagne auf vier Rädern ist, wie Sie sagen?

Forster: Ich bin vor fünf Jahren angetreten, um das Image der Marke Opel zu verbessern. Heute kann ich sagen, dass das gelungen ist. Ist der Imagewandel abgeschlossen? Nein, es muss unser Ehrgeiz sein, die Marke weiter mit neuen Produkten zu stärken.

«Werden weiter Nischen besetzen»

Autogazette: Was ist denn zu erwarten?

Forster: Gehen Sie davon aus, dass wir in den kommenden Jahren in der gleichen Geschwindigkeit wie bislang neue Modelle herausbringen und Nischen besetzen werden. Wir haben gezeigt, dass wir attraktive Autos bauen können. Der Corsa sieht nicht nur gut aus, hat nicht nur ein hochwertiges Interieur, sondern bringt pfiffige Ideen mit. Ich nenne da nur das Gepäckträgersystem FlexFix. Solche Dinge können Sie auch in Zukunft von Opel erwarten.

«Klassische Win-Win-Situation»

Autogazette: Ende dieses Jahres bringen Sie den Opel Astra unter den Namen Saturn auf den nordamerikanischen Markt. Was versprechen Sie sich von diesem Schritt, außer dass die Marke Saturn auf dem schwächelnden US-Markt attraktiver wird?

Forster: Es ist eine klassische Win-Win-Situation. Von diesem Schritt wird jeder profitieren. Die Marke Saturn wird durch hochattraktive Produkte aus Europa aufgewertet. Mittlerweile konstatieren bei GM alle, dass die Europäer im Segment der kleinen und mittelgroßen Fahrzeuge eine starke Position haben. Das liegt daran, dass unsere Kunden hier einen hohen Anspruch haben. Saturn gewinnt durch den Astra an Attraktivität. Für Opel bedeutet das, dass wir uns Produkte und Nischenmodelle leisten können, die wir uns sonst nicht hätten leisten könnten.

Autogazette: Damit meinen Sie beispielsweise den Opel GT?

Der Opel GT Foto: Werk

Forster: Ja, der Opel GT ist dafür das beste Beispiel. Für die einige tausend Einheiten, die man von einem solchen Auto in Europa absetzen kann, hätten wir selbst ein solches Produkt nicht in die Spur bringen können. Aufgrund der Zusammenarbeit mit Saturn wird es in Zukunft noch weitere Nischenmodelle geben, die sich Opel allein hätte nicht leisten könnte. Und unser Team in Europa ist sehr stolz, dass ein Auto wie der Astra in die USA geht.

Astra-Export sichert Arbeitsplätze

Autogazette: Wird der Schritt, Modelle von Opel auf den US-Markt zu bringen, die Arbeitsplätze in Europa sicherer machen oder ist vorstellbar, Teile der Produktion zu verlagern?

Forster: Das ist schwer vorherzusagen. Aufgrund des Exports des Astra in den USA sichert dieser Schritt zunächst einmal Arbeitsplätze in Europa. Beim Opel GT ist es umgekehrt. Wahrscheinlich wird es am Ende des Tages ein relativ balanciertes Verhältnis sein.

«GM hat große Fortschritte gemacht»

Autogazette: Während Sie in Europa den Turnaround geschafft haben, schreibt der Mutterkonzern auf dem Heimatmarkt weiter Verluste und beklagt Absatzrückgänge. Ab wann wird man auch hier wieder voll wettbewerbsfähig sein?

Forster: Aus den Zahlen der letzten neun Monate des Jahres 2006 ist abzulesen, dass GM enorme Fortschritte gemacht hat, vor allem in den Regionen Lateinamerika, Afrika und Mittlerer Osten. Wir sind enorm profitabel; sind vor allem enorm gut aufgestellt in Asien/Pazifik, insbesondere in China, wo wir Marktführer sind. Außerhalb Nordamerikas sind wir überall gut aufgestellt. Doch auch in Nordamerika sehen wir enorme Fortschritte beim Abbau der Kosten: wir haben eine Einigung mit den Gewerkschaften bei den Gesundheitskosten und haben deutliche Fortschritte bei der Qualität gemacht, wie die jüngsten JD Power-Studien zeigen. Unsere großen Trucks werden gut angenommen - diesen Markt beherrschen wir. Zugleich kommen auch unsere Pkw immer besser an. Doch lassen Sie uns das Jahresergebnis abwarten, dann können wir genaueres sagen.

Autogazette: Was ist dran an Gerüchten, dass Sie in 2008 als Entwicklungschef in die Konzernzentrale nach Detroit wechseln werden? Gab es ein Gespräch mit Konzernchef Wagoner auf der Detroit Motorshow?

Forster: Solche Gespräche finden doch nicht ein Jahr im Vorfeld statt. Man muss konstatieren, dass Bob Lutz einen Super-Job für GM macht. Er hat weiter einen großen Spaß an seiner Tätigkeit. Es gibt keinen Grund, weshalb er sich zurückzieht. Für mich gilt, dass ich mit großer Freude in Europa bin. Wir können hier noch viel voranbringen.

«Wollen CO2-Ausstoß reduzieren»

Autogazette: EU-Umweltkommissar Dimas hat gerade gefordert, bis 2012 einen CO2-Ausstoß von 120 Gramm pro Kilometer für Neuwagen verbindlich festzuschreiben. Wieso reagiert die Autoindustrie so entsetzt darauf, liegt der Klimaschutz Ihnen so wenig am Herzen?

Forster: Absolut nicht. Man darf nicht vergessen, dass Herr Dimas in einer Arbeitsgruppe saß, die sich Cars 21 nannte. Den Vorsitz hatte der Vizepräsident der EU-Kommission, Herr Verheugen. Diese Arbeitsgruppe hat miteinander einen sehr sauberen Rahmen zum Thema Emissionen entwickelt. Die Autoindustrie steht klar zum Commitment, den CO2-Ausstoß weiter zu reduzieren. Hier besteht überhaupt kein Dissenz. Es geht nicht um das ob, sondern darum, wie wir es tun wollen. Herr Dimas setzt alleinig darauf, dies über extrem teure Technik im Auto zu erreichen, die der Kunde bezahlen müsste. Der integrierte Ansatz, auf den sich die Arbeitsgruppe festgelegt hat, besagt jedoch, dass alle Faktoren berücksichtigt werden müssen. Wir müssen Biokraftstoffe einführen, wir müssen Anreize einführen, weshalb Kunden ein Auto mit geringerem Benzinverbrauch kaufen sollen. Einen solchen Anreiz gibt es derzeit noch nicht in ausreichendem Maße.

Kfz-Steuer an CO2-Ausstoß bemessen

Autogazette: Mit anderen Worten: Sie fordern eine Kfz-Steuer, die sich am CO2-Ausstoß bemisst?

Der Saab 9-5 BioPower Foto: Werk

Forster: Das ist eine Möglichkeit. Aber wir müssen noch mehr tun. Nicht zuletzt sollten wir zum Beispiel auch Fahrschülern vermitteln, wie man benzinsparend fährt. Wir brauchen einen Ansatz, der alle Dinge berücksichtigt, nicht nur die Technik im Auto, die letztlich der Kunde bezahlen muss. Vor allem würden die Kunden belastet, die kleinere Autos fahren. So etwas halten wir für sozial ungerecht, es würde den Wettbewerb verzerren und würde enorm schädlich für die europäische Autoindustrie sein.

Autogazette: Muss sich die Autoindustrie zum Vorwurf machen lassen, ihre Hausaufgaben nicht gemacht zu haben? So wird die Selbstverpflichtung von 140 g CO2 pro Kilometer für das Jahr 2008 von den Herstellern ja nicht eingehalten.

Forster: Wir haben enorme Fortschritte bei der CO2-Reduzierung gemacht. Wir stoßen jedoch an gewisse Grenzen, die dem Benzinverbrauch stark entgegenlaufen. Da ist zum Beispiel die verbesserte Crash-Sicherheit zu nennen, die zu einem massiven Mehrgewicht bei den Fahrzeugen und entsprechend einem höheren Verbrauch führt. Die Verordnung zum Fußgängerschutz im Frontbereich der Autos verschlechtert den Luftwiderstand. Zudem wurden bisher besonders sparsame Modelle von den Kunden schlecht angenommen. Ein Beispiel: Bei Opel hatten wir den Corsa Eco und den Astra Eco im Angebot: Sie wurden jedoch kaum gekauft, obwohl sie einen deutlich geringeren Benzinverbrauch hatten und nicht einen Euro Aufpreis gekostet haben. Das war sehr enttäuschend und ernüchternd zugleich.

Schweden als Vorbild

Autogazette: Welche Anreizsysteme wären außer einer CO2 basierten Kfz-Steuer für Sie denn noch zielführend?

Forster: Staat und Hersteller müssen hier stärker zusammenarbeiten. Ich nenne da nur Schweden, das sich bis 2020 zum Ziel gesetzt hat, vom Rohöl unabhängig zu werden. In Schweden wird das Thema Bioethanol nicht nur fiskalisch gefördert. Hier wird Fahrern eines Bioethanol-Fahrzeuge trotz City-Maut beispielsweise auch die kostenlose Zufahrt in die Innenstädte erlaubt. Es sind Maßnahme, die nicht viel Geld kosten, doch einen enormen Anreiz bieten. Diese Bioethanol-Autos sind in Schweden stark nachgefragt. Die Regierung hat zudem verlangt, an den Tankstellen eine Bio-Ethanol Zapfsäule anzubringen. Solche integrierten Ansätze zwischen Hersteller und öffentlicher Hand brauchen wir.

Das Interview mit Carl-Peter Forster führte Frank Mertens

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