«Es kommt die große Ernüchterung»

Interview Daimler-Entwicklungsvorstand Thomas Weber

Thomas Weber hat den Entwicklungsplan Elektromobilität der Bundesregierung begrüßt. Doch dabei dürfe es nicht bleiben. «Auch auf EU-Ebene brauchen wir zusätzliche Förderprogramme», sagte der Daimler-Entwicklungsvorstand im Interview mit der Autogazette.

Daimler-Entwicklungsvorstand Thomas Weber hat nach dem gerade von der Bundesregierung verabschiedeten Entwicklungsplan Elektromobilität weitere Fördermaßnahmen gefordert. «Mit dem Nationalen Entwicklungsplan für Elektromobilität hat die Bundesregierung in einer schwierigen konjunkturellen Phase ein wichtiges Signal gesetzt. Das muss man anerkennen. Es darf aber nicht versäumt werden, rechtzeitig über Anschlussprojekte zu diskutieren und sie auf den Weg zu bringen», sagte Weber im Interview mit der Autogazette.

Förderprogramme auf EU-Ebene

«Auch auf EU-Ebene brauchen wir zusätzliche Förderprogramme, um beim jetzt startenden globalen Wettlauf bei der Elektromobilität vorne dabei zu bleiben. Es darf uns nicht passieren, dass wir in Deutschland mit hohem Aufwand Technologien entwickeln, die dann in anderen Ländern industrialisiert und auf den Markt gebracht werden», fügte Weber hinzu.

«Es kommt die große Ernüchterung»

Autogazette: Herr Weber, die Regierung hat fünf Milliarden Euro für die Abwrackprämie ausgegeben, für den Entwicklungsplan Elektromobilität stellt man nur 500 Millionen Euro zur Verfügung. Sind Sie arg enttäuscht?

Thomas Weber: Wir haben es immer kritisch gesehen, fünf Milliarden Euro für die Abwrackprämie aufzuwenden. Denn nach einem kurzfristigen positiven Effekt kommt die große Ernüchterung. Das spüren jetzt die Hersteller, die bislang davon profitiert haben. Für uns als Premiumhersteller gilt das zum Glück nicht.

Autogazette: Das Geld hätte also sinnvoller verwendet werden können, zum Beispiel für die Förderung der Elektromobilität?

Weber: Mit fünf Milliarden Euro hätten viele Forschungs- und Technologieprogramme unterstützt werden können. Man darf aber nicht übersehen, dass das 500 Millionen-Programm für die Elektromobilität ein erster guter Schritt ist. Es werden aber in Zukunft sicherlich noch weitere Maßnahmen erforderlich sein. Darauf setze ich.

Autogazette: In den USA werden 2,4 Milliarden Dollar in die Elektromobilität investiert. Nimmt man das Thema in anderen Ländern ernster als in Deutschland?

Weber: Mit dem Nationalen Entwicklungsplan für Elektromobilität hat die Bundesregierung in einer schwierigen konjunkturellen Phase ein wichtiges Signal gesetzt. Das muss man anerkennen. Es darf aber nicht versäumt werden, rechtzeitig über Anschlussprojekte zu diskutieren und sie auf den Weg zu bringen. Auch auf EU-Ebene brauchen wir zusätzliche Förder-Programme, um beim jetzt startenden globalen Wettlauf um die Vorreiterrolle bei Elektromobilität vorne dabei zu bleiben. Es darf uns nicht passieren, dass wir in Deutschland mit hohem Aufwand Technologien entwickeln, die dann in anderen Ländern industrialisiert und auf den Markt gebracht werden.

«Geht um Frage der Priorisierung»

Die Lithium-Ionen-Batterie im S400 Foto: Mercedes

Autogazette: Deutschland will Leitmarkt im Bereich der Elektromobilität werden. Was erwarten Sie nach den Wahlen von der neuen Regierung?

Weber: Im neuen Bundeshaushalt wird es mehr denn je um die Frage der Priorisierung von Themen und Projekten gehen, unter anderem auch der Elektromobilität. Dies ist eines der Zukunftsthemen schlechthin, mit riesigen Chancen für den Standort Deutschland. Wir haben uns hier eine Vorreiterrolle erarbeitet, die wir absichern und ausbauen müssen.

Autogazette: Geht es nach der Bundesregierung, sollen bis 2020 eine Million Elektrofahrzeuge auf den deutschen Straßen unterwegs sein. Halten Sie eine solche Zahl für realistisch?

Weber: Natürlich ist das ein sehr anspruchsvolles Ziel, dem wir uns mit hohem Engagement stellen werden. Denn ich gebe dieses globale Rennen nicht schon vor dem Start auf. Und die strategische Botschaft dieser Nachricht ist gut, denn die Elektromobilität bringt für alle Vorteile.

Autogazette: Kann das Ziel von einer Million E-Autos ohne ein Marktanreizprogramm überhaupt erreicht werden? In Monaco fördert man den Kauf von E-Autos beispielsweise mit 8.000 Euro.

Weber: Es geht jetzt zunächst darum, die Technologien mit Nachdruck zu entwickeln und zu fördern. Aber im zweiten Schritt sollte dann eine Diskussion über entsprechende Marktanreizprogramme geführt werden. Denn nur so wird es möglich sein, neue - zu Beginn teuere - Technologien schnell im Markt zu etablieren.

«In Japan gibt man mächtig Gas»

Der Tachom im Mercedes S400 zeigt den Ladezustand der Batterie an. Foto: Mercedes

Autogazette: Wie sollte ein solches Programm aussehen?

Weber: Da gibt es viele Möglichkeiten. Vorstellbar wären neben Incentivierungen, beispielsweise auch Steuerbefreiungen oder zinsgünstige Darlehn. Ich wünsche mir hier von der Politik Kreativität bei der Entwicklung von Optionen. Das gerade in Berlin gegründete «Forum Elektromobilität» von Wissenschaft, Industrie und Politik kann beispielsweise dazu beitragen, die internationalen Fördermodalitäten genauer zu analysieren und Vorschläge zu unterbreiten, wie wir im internationalen Wettbewerbsumfeld zumindest mithalten können.

Autogazette: Andere Länder sind da aber schon jetzt weiter

Weber: Ja, das stimmt. Wenn ich derzeit nach Japan oder auch in die USA schaue, gibt man dort bereits mächtig Gas. Deutschland ist bei der Technologie aber immer noch Vorreiter. Wir müssen nur aufpassen, dass wir unseren Vorsprung nicht verlieren.

Autogazette: Laufen die deutschen Hersteller also Gefahr, wie beim Hybridfahrzeug wieder nur zweiter Sieger zu sein?

Weber: Für eine solche Diskussion sehe ich derzeit überhaupt keinen Anlass. Deutschland besitzt hier eine sehr gute Ausgangsposition. Dass der Entwicklungsplan Elektromobilität so schnell von der Bundesregierung verabschiedet worden ist, gibt mir für die Zukunft Hoffnung.

«Große Chance in urbanen Regionen»

Smart Fortwo Electric Drive Foto: Daimler

Autogazette: Elektrofahrzeuge wie beispielsweise der Mitsubishi I-MIEV werden seit diesem Sommer in Japan für rund 34.000 Euro angeboten. Hat ein E-Fahrzeug zu diesem Preis überhaupt eine Chance, eine breite Käuferschicht zu finden?

Weber: Ich bin überzeugt, dass Elektrofahrzeuge gerade in urbanen Regionen eine große Chance haben. Und wenn ein Konzept gut und pfiffig gemacht ist - wie unser Elektro Smart - wird der Kunde auch bereit sein, mehr Geld dafür auszugeben.

Autogazette: Was wäre denn ein realistischer Preis?

Weber: Zu Beginn muss man den Kunden sicherlich durch attraktive Leasingangebote die Entscheidung für diese Hightech-Konzepte leichter machen. Klar ist aber auch, dass wir mit einem solchen Auto möglichst frühzeitig Geld verdienen möchten. Und unser Mercedes-Benz S 400 HYBRID zeigt, dass gute Konzepte vom Kunden auch stark nachgefragt werden.

Autogazette: Auch wenn die Hybrid-Technologie als Übergangstechnologie gilt: Toyota hat weltweit bereits zwei Millionen Hybridfahrzeuge verkauft. Wie sieht es beim 400 Hybrid aus?

Weber: Wir sind mit dem weltweiten Anlauf des S 400 Hybrid außerordentlich zufrieden. Innerhalb kürzester Zeit hat unser Hybrid einen Anteil von knapp 20 Prozent in der S-Klasse erzielt. Wir sehen ganz deutlich: Die Rahmenbedingungen haben sich grundsätzlich geändert. Bei den Kunden ist aufgrund der Ressourcenverknappung und des Klimawandels ein Umdenken spürbar. Für uns ist diese Entwicklung nicht neu, deshalb haben wir uns schon vor Jahren dem Thema der nachhaltige Mobilität angenommen. Dabei stellt die Hybrid-Technologie eine wichtige Schlüsseltechnologie für größere Fahrzeuge dar. Von der C-Klasse aufwärts wird man deshalb bald jeweils auch eine Hybridversion bei Mercedes ordern können.

«Gute Plattform geschaffen»

Der S400 Hybrid Foto: Daimler

Autogazette: Sie sagen, dass Kooperationen für die Entwicklung alternativer Antriebe enorm wichtig sind. Stehen Sie mit dieser Annahme nicht relativ allein dar?

Weber: Nicht jeder hat auf diesen Technologiefeldern schon soviel Erfahrung wie wir und kann die Potenziale entsprechend einordnen. Die Bereitschaft zur Zusammenarbeit, nimmt aber mit jedem Tag auf allen Seiten zu. Mit dem Forum Elektromobilität haben wir eine Plattform geschaffen, um die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft, Industrie und Politik noch besser zu bündeln. Hier tut sich was.

Autogazette: Wichtig ist doch vor allem die Kooperation unter den Herstellern...

Weber: ...sicherlich, doch das kann man zu Beginn der Arbeit an einer neuen Technologie oder Innovation noch nicht final entscheiden. Ich begrüße aber auch hier sinnvolle Kooperationen, die Vorteile für beide Seiten bieten. Wenn wir kooperieren, können wir schneller größere Stückzahlen und damit Synergieeffekte erzielen. Letztlich kommt das auch den Kunden zugute.

Autogazette: Durch diese Kooperationen können vor allem die Kosten deutlich reduziert werden...

Weber: ...natürlich. Über große Stückzahlen kommen wir durch Synergien schneller zu attraktiveren Preisen. Und wenn uns das gelingt, wird der Kunde auch schneller zum Beispiel ein Elektroauto kaufen. Daher sind Kooperationen für eine schnelle Marktdurchdringung auch so enorm wichtig.

«Zusammenarbeit ausbauen»

BlueZero E-Cell Plus Foto: Daimler

Autogazette: Mit Daimler, Ford, Honda, Toyota, GM/Opel, Kia, Hyundai und Renault und Nissan haben sich gerade führende Hersteller verständigt, dass Thema Brennstoffzellentechnologie voranzutreiben. Ist dies ein erster Schritt zu einer stärkeren Zusammenarbeit?

Weber: Zunächst einmal war es ein enorm wichtiger Schritt, der die Infrastrukturpartner dazu gebracht hat, jetzt den flächendeckenden Aufbau eines Tankstellennetzes für Wasserstoff in Deutschland anzugehen. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass auf dieser Basis jetzt auch die Zusammenarbeit zwischen den Herstellern ausgebaut wird.

Autogazette: Warum sind eigentlich VW und BMW nicht dabei?

Weber: Wir haben uns mit den Automobilherstellern zusammengetan, die bei Elektrofahrzeugen mit Brennstoffzelle führend sind. Natürlich ist die Initiative für weitere Partner jederzeit offen.

Autogazette: Die Kooperation zwischen Daimler und BMW bei der Entwicklung von Hybridantrieben läuft im Spätherbst aus. Wird sie verlängert?

Weber: Wir arbeiten erfolgreich mit BMW auf den unterschiedlichsten Gebieten zusammen. Dem ist vorerst nichts hinzuzufügen.

«Benötigt variables Konzept»

Autogazette: Auf der IAA zeigen Sie den BlueZero E-Cell Plus, ein Elektroauto mit einem Verbrennungsmotor. Hat man sich das Konzept Chevrolet Volt beziehungsweise den Opel Ampera zum Vorbild genommen?

Weber: Nein, keineswegs. Uns war immer schon klar, dass man ein variables Konzept benötigt, mit dem wir auf die vielfältigen Kundenanforderungen reagieren können. Mit unserer Zukunftsarchitektur BlueZERO können wir drei unterschiedliche Antriebskonzepte darstellen. Damit bieten wir 200, 400 oder 600 Kilometer Reichweite an. Und der Kunde wird zukünftig nicht mehr darüber diskutieren, wie viel PS das Auto hat, sondern wie viel Reichweite. Relevant ist, wie weit er damit umweltschonend fahren kann. Hier zeichnet sich eine Trendwende ab.

Autogazette: Erwarten Sie nach dem Ende der Abwrackprämie eine Rabattschlacht auf dem deutschen Markt?

Weber: Ein Teil der Kunden hat sich an die Zuschüsse gewöhnt und es wurden Rabattbegehrlichkeiten geweckt. Das hat in Summe Auswirkungen auf die gesamte Autoindustrie. Unsere Antwort darauf heißt: faszinierende, sichere und komfortable Autos mit hoher Umweltverträglichkeit - also Autos mit spürbarem Mehrwert. Das ist, was unsere Kunden von Mercedes erwarten.

Das Interview mit Thomas Weber führte Frank Mertens

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