Eine Million verkaufte Skodas keine Utopie

Der tschechische Autobauer Skoda eilt von Erfolg zu Erfolg. Im Interview mit der Netzeitung spricht Vorstands-Vorsitzender Detlef Wittig über die neuesten Modelle und die Zukunftspläne der VW-Tochter.

Der tschechische Autohersteller Skoda wird auch im laufenden Jahr einen neuen Absatzrekord aufstellen. «In diesem Jahr werden wir 530.000 bis 540.000 Autos bauen», sagte Skoda-Vorstandsvorsitzender Detlef Wittig im Interview mit der Netzeitung. «Wir peilen für 2006 ein Wachstum von zehn Prozent an. Das ist im Vergleich zur Industrie nicht schlecht», so Wittig.

Mit Blick auf Deutschland, dem wichtigsten Absatzmarkt der VW-Tochter, sieht Wittig noch Wachstumspotenzial. Nachdem Skoda in Deutschland im zurückliegenden Jahr mehr als 100.00 Fahrzeuge absetzen konnte, geht Wittig davon aus, dass man diese Grenze «klar überschreiten» wird. «Wir haben im Moment einen Marktanteil von über drei Prozent und die Auftragslage ist sehr erfreulich, so dass wir auch in 2006 unseren Marktanteil ausbauen werden. Ich rechne mit einem Marktanteil von etwa 3,5 Prozent», sagte der Skoda-Chef.

Für die Zukunft hat sich Skoda große Ziele gesetzt. Bis zum Jahr 2015 rechnet Wittig bei optimalem Geschäftsverlauf weltweit mit einer Million verkaufter Fahrzeuge. «Wir müssen Visionen haben, wo es hingehen könnte. Ich kann aber heute nicht sagen, dass wir im Jahr 2015 eine Million Autos weltweit verkaufen. Doch wenn wir aufgrund unserer bisherigen Wachstumszahlen das Lineal anlegen und eine Linie machen, was 2015 stehen könnte, dann käme eine solche Zahl heraus», so Wittig. «Aber bekanntlich wachsen Bäume nicht in den Himmel und schon gar nicht gradlinig. Man kann auch erwarten, dass es alle sechs, sieben Jahre einen auf die Mütze gibt, dann geht es wieder nach unten. Doch wir haben in den zurückliegenden Jahren nichts auf die Mütze bekommen. Deshalb könnte die Produktion von einer Million Skodas auch keine Utopie sein», fügte er hinzu.

Bei den Wachstumsplänen des Unternehmens nimmt China eine wichtige Rolle ein. «Wir wollen dort Anfang kommenden Jahres auf den Markt präsent sein. Wir peilen in China hohe Ziele an. Wir haben beschlossen, nicht nur mit dem Octavia, sondern auch den Fabia und den Superb auf den chinesischen Markt zu bringen», sagt Wittig. «Im November werden wir zu Testzwecken auf der Beijing-Motorshow den Roomster und auch die Yeti-Studie präsentieren, um zu sehen, wie die Menschen darauf reagieren. Wir schätzen, dass wir 60, 80, ja selbst 100.000 Autos verkaufen können. Und das ist viel für uns.»

Joyster als Einstiegsauto

Netzeitung: Herr Wittig, Sie haben auf dem Automobilsalon in Paris die Studie des Joyster vorgestellt. Auf den ersten Blick sind Ähnlichkeiten mit der VW-Studie Iroc zu erkennen. Soll so die Nähe zur Konzernmutter unterstrichen werden?

Der Skoda Joyster Foto: Press-inform

Detlef Wittig: Im Gegenteil, dieses ist eine Skoda-Designstudie. Unsere Designer hatten den Iroc vorher nicht gesehen. Dass manchmal bei Designern ähnliche Dinge herauskommen, wenn sie als Zielgruppe an junge Leute denken, das kann man, wenn man die Studie sieht, nicht ausschließen. Aber wir haben ein anderes Konzept für ein unterschiedliches Publikum vor Augen: Volkswagen peilt im Gegensatz zu uns die kaufkräftigeren Kunden an. Zudem ist der Iroc ein sportlich ausgelegtes Fahrzeug, ein Coupe.

Netzeitung: Was unterscheidet den Iroc denn vom Joyster?

Wittig: Der Joyster ist ein Einstiegsauto für die Marke und ganz klar auf junge Leute zugeschnitten, die als ersten Kaufgrund Styling haben. Deshalb haben wir sehr viel Wert auf ein emotionales Styling gelegt. Der Joyster ist eben kein Coupe, sondern eher ein Kombi, stilistisch ganz anders und aus unserer Sicht hervorragend gemacht. Man kann in diesem Fahrzeug sogar hinten ordentlich sitzen. Was wir nicht zeigen: Vorne unter der Motorhaube sitzt ein Dreizylinder Skoda-Motor. Das ist ein Unterschied zum Iroc mit 210 PS. Der Joyster ist ein Fahrzeug, das wir unterhalb des Fabia ansetzen. Deswegen ist der Joyster kein Iroc oder Mini-Iroc. Mit dem Joyster wollen wir das jugendliche Publikum für die Marke begeistern.

Emotionalen Nerv getroffen«

Netzeitung: Sind Sie mit den ersten Reaktionen auf den Joyster zufrieden?

Wittig: Ja, absolut. Wir waren mit dem Joyster auf der ersten Seite des Figaro abgebildet. Die Studie erregte Aufmerksamkeit und wir hatten auf unserem Stand einen regen Publikumsverkehr. Offensichtlich haben wir den emotionalen Nerv der Zeit getroffen.

Netzeitung: Das heißt, dass das Auto auch auf den Markt kommen wird...

Wittig: ...wir werden das nicht nach nur einer Automobilausstellung entscheiden, sondern den Joyster mehrmals vorstellen, um mehr Rückmeldung zu erhalten. Die erste Rückmeldung fiel positiv aus. Doch nun muss man genau analysieren: was ist positiv, was ist weniger positiv? Daraus ergibt sich dann die Ableitung, ob die Konzeptstudie genauso umgesetzt wird. Natürlich ist eine Serienreife immer noch etwas ganz anderes als eine Konzeptstudie.

Fehlende Kapazitäten

Netzeitung: Haben Sie überhaupt die Kapazitäten, um eine neue Modellreihe aufzubauen?

Der Skoda Roomster Foto: Werk

Wittig: Nein, haben wir heute nicht. Wir sind voll ausgebucht und fahren 100 Prozent. Aber Sie haben ja gesehen, dass wir über die Jahre unsere Kapazitäten weiter ausgebaut haben. Wir haben vor zwei Jahren 400.000 Autos produziert, jetzt sind wir bei über 500.000 Fahrzeugen und peilen über 600.000 Einheiten an. Wir bauen aber auch Kapazitäten außerhalb Tschechiens auf, und zwar da, wo die Nachfrage anfällt.

Netzeitung: Beispielsweise Richtung Russland?

Wittig: Russland und natürlich auch China. Was dort heranwächst, werden wir auch vor Ort befriedigen. Die nötige Schaffung von Kapazitäten wird nicht nur in Tschechien stattfinden.

Netzeitung: Sie haben die Zahl 600.000 genannt. Was sind denn Ihre konkreten Ziele für das laufende Jahr?

Wittig: In diesem Jahr werden wir 530.000 bis 540.000 Autos bauen...

«Peilen 10 Prozent Wachstum an»

Netzeitung: ...im letzten Jahr waren es nur 492.000....

Wittig: ...wir peilen für 2006 ein Wachstum von zehn Prozent an. Das ist im Vergleich zur Industrie nicht so schlecht.

Netzeitung: Was sind Ihre Ziele für Deutschland, dem wichtigsten Markt?

Der Yeti Foto: Werk

Wittig: Wir haben in Deutschland in 2005 die 100.000 er-Grenze überschritten. Das Wichtige ist, dass man im zweiten Jahr diese Grenze bestätigt - und wir werden diese klar überschreiten. Wir haben im Moment einen Marktanteil von über drei Prozent und die Auftragslage ist sehr erfreulich, so dass wir auch in 2006 unseren Marktanteil ausbauen werden. Ich rechne mit einem Marktanteil von etwa 3,5 Prozent.

Netzeitung: Sie haben mit dem Roomster gerade die vierte Modellreihe auf den Markt gebracht. Allein in Deutschland gab es über 8500 Vorbestellungen. Die Nachfrage kann kaum befriedigt werden...

Wittig: ...wir sind in der Produktion schon bei 22.000, obwohl wir nur 15.000 geplant hatten. Mehr bekommen wir aber nicht heraus für den Restzeitraum in diesem Jahr. Bisher sind wir zudem mit dem Roomster nur in vier Märkten vertreten. Wir haben noch richtig große Märkte mit England, Italien, Spanien und Frankreich vor uns.

Netzeitung: Was haben Sie an Stückzahlen für das kommende Jahr für den Roomster geplant?

Wittig: Wir haben immer gesagt, wir planen mit 60.000 bis 70.000 Stück und danach schauen wir, ob es so weiter geht.

Netzeitung: Hat Sie denn die große Nachfrage überrascht?

Wittig: Wir hatten eine realistische Planung gemacht. Da wir kein Sozialverein sind, sondern ein wirtschaftliches Unternehmen, war die Planung so, dass es betriebswirtschaftlich gut aussieht. Und dass es derzeit darüber hinausgeht, erfreut uns.

«Roomster kam zur rechten Zeit»

Netzeitung: Zeigt die hohe Nachfrage nicht auch, dass dieses Auto schon früher hätte kommen müssen?

Wittig: Das Auto ist zur rechten Zeit gekommen. In der ersten Phase ist es ja noch kontrovers diskutiert worden. Aus dem Kontroversen konnte man ableiten, dass es ein Risiko beinhaltet. Nun ist es in eine potenzielle Chance umgeschlagen. Wenn wir es zwei Jahre vorher gebracht hätten, wäre vielleicht die Stylingakzeptanz für den ein oder anderen zu strapaziös gewesen.

Netzeitung: Wie groß waren denn die Kontroversen im «Inner Circle»?

Wittig: Als wir das Concept Car gebracht hatten, hatten wir unsere Kontroversen schon hinter uns.

Netzeitung: Waren die heftig?

Wittig: Ja natürlich, wenn sie ein solches - selbst in der Industrie - interessantes Styling machen. Dass wir zwei Autos in einem gemacht haben, war eine bewusste Entscheidung, aber man muss sich zu dieser Entscheidung durchringen. Dieses Auto ist profiliert und unverwechselbar...

Eine Million Skodas keine Utopie

Netzeitung:... das unverwechselbare Auto soll zum Wachstum beitragen. Was ist dran an der Aussage, dass Skoda bis zum Jahr 2015 eine Million Autos pro Jahr produzieren will?

Wittig: Wir müssen Visionen haben, wo es hingehen könnte. Ich kann aber heute nicht sagen, dass wir im Jahr 2015 eine Million Autos weltweit verkaufen. Doch wenn wir aufgrund unserer bisherigen Wachstumszahlen das Lineal anlegen und eine Linie machen, was 2015 stehen könnte, dann käme eine solche Zahl heraus. Aber bekanntlich wachsen Bäume nicht in den Himmel und schon gar nicht gradlinig. Man kann auch erwarten, dass es alle sechs, sieben Jahre einen auf die Mütze gibt, dann geht es wieder nach unten. Doch wir haben in den zurückliegenden Jahren nichts auf die Mütze bekommen. Deshalb könnte die Produktion von einer Million Skodas auch keine Utopie sein.

Netzeitung: Welche Ziele setzen Sie sich für den chinesischen Markt? Dort will Skoda ja nächstes Jahr präsent sein.

Wittig: Wir wollen dort Anfang kommenden Jahres auf dem Markt präsent sein. Wir peilen in China hohe Ziele an. Wir haben beschlossen, nicht nur den Octavia, sondern auch den Fabia und den Superb auf den chinesischen Markt zu bringen. Im November werden wir zu Testzwecken auf der Beijing-Motorshow den Roomster und auch die Yeti-Studie präsentieren, um zu sehen, wie die Menschen darauf reagieren. Wir schätzen, dass wir 60, 80, ja selbst 100.000 Autos verkaufen können. Und das ist viel für uns.

Netzeitung: Ist es ein Vorteil, dass die Marke Skoda aus dem ehemaligen Ostblock kommt und entsprechend über gute Kontakte zu China verfügt?

Der Skoda Scout Foto: Werk

Wittig: Nein, wir haben sogar eher einen Nachteil. Skoda hat Ende der achtziger, Anfang der neunziger Jahre aus alten Verbindungen heraus Fahrzeuge der älteren Generation von Skoda nach China eingeführt, die nicht unserer heutigen Qualität entsprechen. Diese Modelle wurden ohne Service eingeführt. Deshalb besitzt die Marke in China nicht den besten Ruf. Für uns steht deshalb im Vordergrund, diesen schlechten Ruf zu bereinigen.

Netzeitung: Expansion bedeutet auch, dass es einen Zuwachs an Modellen geben muss. Wann kommt denn nun der Yeti?

Wittig: Der ist in Vorbereitung. Die Experten wissen, wie lange man für die Serienvorbereitung braucht...

Yeti kommt 2009

Netzeitung:...also 2009. Die Frage ist nur, ob im ersten oder im zweiten Halbjahr.

Wittig: Das kann und will ich Ihnen nicht heute beantworten. Vor allem, es kann ja immer etwas passieren auf dem Weg zur Serienreife. Wenn ich Ihnen sage, im Januar 2009 kommt er und es dauert dann bis Oktober 2009, habe ich ein Problem.

Netzeitung: Aber 2009 können wir mit dem Yeti rechnen?

Wittig: Ja, er könnte 2009 kommen. Es ist nicht möglich, selbst bei schneller Fertigung, ihn vorher zu bringen.

Netzeitung: Sollen Modelle wie der Roomster oder der Joyster zu einem Imagewandel führen?

Wittig: Ein Imagewandel ist es nicht. Unser Hauptgeschäft sind Fabia und Octavia. Das ist unser europäisches Kerngeschäft. Auch die anderen Märkte richten sich auf diese beiden Modelle aus. Bei den Studien sind wir auf der Höhe der Zeit oder versuchen, vor der Zeit zu sein. Es ist also keine Imagekorrektur, sondern eine Ergänzung, weil der Markt sich so entwickelt und wir wollen mit dabei sein. Deshalb ist der Roomster kein Van oder kein Kombi, sondern eine Mischung aus allen. Der Joyster sieht sportlich aus, ist aber ein Einstiegsmodell. Und auch der Yeti als kompakter Allradler ist zwischen den Segmenten positioniert.

Klare Profilierung

Netzeitung: Tragen diese Ergänzungen dazu bei, sich ein wenig vom Mutterhaus zu distanzieren oder gar abzunabeln?

Wittig: Abzunabeln nicht. Sie tragen zu einer klaren Profilierung der Marke bei. Alle Modelle sind etwas größer. Das distanziert uns von Volkswagen oder von Seat, auch wenn wir technisch zusammenarbeiten. Wir versuchen, uns zu positionieren und zu differenzieren. Das heißt nicht, dass wir uns abnabeln.

Das Interview mit Detlef Wittig führte Thomas Flehmer

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