Autokäufer können sich 2010 auch ohne Abwrackprämie weiter auf deutliche Preisnachlässe einstellen. «Jetzt müssen Autos wieder verkauft und nicht nur verteilt werden. Das wird in einem weiterhin schwierigen Marktumfeld vor allem durch Preisnachlässe zu erreichen sein», sagte Steffen Elsässer von Capgemini Consulting der Autogazette.
Die Kunden in Deutschland werden im kommenden Jahr trotz der abgelaufenen stattlichen Förderung durch die Abwrackprämie weiter beim Autokauf weiter mit kräftigen Rabatten rechnen können.
Preisnachlässe zu erwarten
«Warum sollten Kunden auf einmal realisierte Marktpreise verzichten? Die Preisspirale werden einzelne Hersteller und Händler im Jahr 2010 deutlich spüren. Jetzt müssen Autos wieder verkauft und nicht nur verteilt werden. Das wird in einem weiterhin schwierigen Marktumfeld vor allem durch Preisnachlässe zu erreichen sein», sagte der Leiter des Automobilsektor bei Capgemini Consulting, Steffen Elsässer, in Interview mit der Autogazette.
«Autombilvertrieb verändert sich»
Autogazette: Sie haben 3100 Kunden in acht Ländern nach Ihrem Verhalten beim Autokauf befragt und dabei eine hohe Markenloyalität festgestellt. Woran liegt diese hohe Kundentreue?
Steffen Elsässer: In den letzten Jahren ist die Kundenloyalität immer geringer geworden. Einige Hersteller haben darauf mit umfangreichen Maßnahmen im Kundenbeziehungsmanagement sowie bei Schulungs- und Qualifizierungsprogrammen auf Handelsebene reagiert. Hinzu kommt, dass Kunden die aktuelle Mechanik des Marktes «Mehr für weniger Geld» nutzen und dadurch ihrer Marke und ihrem Händler treu bleiben.
Autogazette: Sie gehen davon aus, dass sich Hersteller und Händler auf ein verändertes Kaufverhalten einstellen müssen. Was kommt auf die Branche zu?
Elsässer: Der klassische Automobilvertrieb wird auf absehbare Zeit weiterhin Bestand haben, sich aber stark verändern. Andere Vertriebskanäle und nutzungsspezifische Angebote kommen hinzu. Daraus leitet sich ab, dass Hersteller in Zukunft eine höhere Anzahl unterschiedlicher Vertriebskanäle und -formen betreiben müssen. Die notwendigen Fähigkeiten dazu müssen jetzt aufgebaut werden, um schnell und effizient reagieren zu können.
«Preisspirale wird zu spüren sein»
Autogazette: Gehört zu dem veränderten Kaufverhalten auch, dass die Kunden in Deutschland nach der Abwrackprämie auch einen hohen Preisnachlass von ihrem Händler erwarten?
Elsässer: Ganz bestimmt. Warum sollten Kunden auf einmal realisierte Marktpreise verzichten? Die Preisspirale werden einzelne Hersteller und Händler im Jahr 2010 deutlich spüren. Jetzt müssen Autos wieder verkauft und nicht nur verteilt werden. Das wird in einem weiterhin schwierigen Marktumfeld vor allem durch Preisnachlässe zu erreichen sein.
Autogazette: Wie kann es Herstellern gelingen, sich von den Wettbewerbern abzuheben und ihnen Kunden streitig zu machen? Vor allem über den Preis?
Elsässer: Natürlich spielt der Preis eine Rolle, aber er ist nur ein Faktor neben Markenimage, dem Produkt an sich oder auch der Zuverlässigkeit. Wichtig ist aber auch zu verstehen, dass durch eine gezielte, kundenindividuelle Ansprache von bestehenden und potenziellen Kunden Marktanteile gewonnen werden können. Vor allem kleinere Hersteller und Importeure zeigen uns immer wieder, dass man mit intelligenten Kommunikationskonzepten Kunden zu einem Herstellerwechsel bewegen kann.
Umweltaspekt gewinnt an Bedeutung
Autogazette: Hat der Umweltaspekt beim Autokauf eigentlich an Bedeutung zugenommen?
Elsässer: Auf jeden Fall! Schon in den letzten Ausgaben der Cars Online Studie haben die Kunden ganz klar die Relevanz des Umweltaspekts bestätigt. Ein geringer Spritverbrauch bleibt zwar noch der Hauptgrund für den Kauf eines grünen Autos, aber die Begründung Umweltfreundlichkeit steigt im Ranking immer höher: Für über 30 Prozent der Westeuropäer ist dies bereits der Beweggrund für den Kauf eines verbrauchseffizienten / hybridbetriebenen Autos. Der Erfolg, den einzelne Hersteller mit effizienten Antrieben - klassisch oder Hybrid - haben, bestätigt diesen Trend.
Autogazette: Welche Rolle kommt Mobilitäts-, Inspektions- und Versicherungspaketen bei der Kundenbindung zu?
Elsässer: Guten Service vorausgesetzt, tragen Full-Serviceverträge eindeutig zu einer höheren Kundenloyalität bei. In anderen Industrien sind ähnliche Ansätze mittlerweile fast Standard. Dieser Kundenbedarf wird nach anfänglichem Zögern nun von den meisten Autoherstellern bedient. Full-Service Pakete sichern Auslastung im Service sowie die Möglichkeit, den Kunden zu vorbestimmten Kontaktpunkten wie der jährlichen Inspektion gezielt anzusprechen.
«Informationsmedium Nummer eins»
Autogazette: Wie hat denn das Medium Internet das Verhalten beim Autokauf beeinflusst?
Elsässer: Das Internet hat sich sehr schnell zum Informationsmedium Nummer eins beim Autokauf entwickelt: 90 Prozent der Befragten nutzen es. Dabei beginnen die meisten Verbraucher ihre Recherche ganz klassisch bei einer Suchmaschine, gehen dann auf Hersteller- und Händlerseiten und landen schließlich bei Blogs und Diskussionsforen. Die Möglichkeiten des Internets haben bei den Verbrauchern zu einer sehr hohen Erwartungshaltung geführt: Fast jeder Dritte würde sich nach einem anderen Händler umsehen, wenn er zu lange auf eine E-Mail-Antwort warten muss. Die Mehrheit erwartet eine Reaktion innerhalb von 24 Stunden. Außerdem, und dies ist für viele Händler oft eine schmerzhafte Erkenntnis, sind Kunden im Verkaufsprozess sehr viel besser über Preis-/ Leistungsangebote informiert als in der Vergangenheit.
Autogazette: Ist eine Tendenz feststellbar, dass sich der Autokauf vom Händler ins Internet verlagert?
Elsässer: Das ist eine traditionelle Frage unserer Studie und ich kann diese Tendenz nur bejahen. Bereits mehr als jeder fünfte Verbraucher in Westeuropa, den USA, und Russland kann sich vorstellen, ein Auto via Internet zu kaufen. In der globalen Betrachtung liegt dieser Wert sogar bei 40 Prozent.
Autogazette: Welche Rolle spielen die Herstellerwebsites und die dort integrierten Konfiguratoren bei der Kaufentscheidung?
Elsässer: Verbraucher vertrauen den Informationen auf den Hersteller-Websites. Sie sind oftmals der erste Kontaktpunkt und müssen demnach Markenimage und Fahrzeugerlebnis widerspiegeln. Konfiguratoren dienen für die Mehrheit der Verbraucher als erste Orientierung, die finale Kaufberatung und -entscheidung wird aber noch beim Händler getroffen. Dies kann sich mit zunehmenden Einsatz neuer Technologien wie beispielsweise einer virtuellen Verkaufsberatung in der Zukunft ändern.
«Kataloge nicht mehr so wichtig»
Autogazette: Spielen klassische Verkaufskataloge und Newsletter überhaupt noch eine Rolle?
Elsässer: Kataloge und Newsletter rangieren eindeutig am Ende der Top10-Informationskanäle beim Autokauf. Die Kunden setzen immer mehr auf dialogbasierte Kommunikation, was eher über das Internet möglich ist als über klassischen Medien.
Autogazette: Der Service spielt für die Kunden eine wichtige Rolle, doch nur die Hälfte der Kunden lässt sein Auto in den ersten drei bis fünf Jahren beim Markenhändler warten. Wieso?
Elsässer: Warum sollten Kunden bereit sein, für eine Dienstleistung mehr zu bezahlen nur weil sie vom Markenhändler erbracht wird? Wenn der Händler guten Service zu aus Kundensicht akzeptierbaren Preisen anbietet, bleiben die Kunden loyal. Eine gewisse Preissensibilität in Verbindung mit aggressiven Angeboten unabhängiger Servicegruppen bringen einige Kunden aber zum Nachdenken, ob sie gewisse Dienstleistungen, Teile und Zubehör nicht woanders günstiger einkaufen können. Erneut: Eine sehr rationale Entscheidung der Verbraucher.
Das Interview mit Steffen Elsässer führte Frank Mertens