«Volks-Ferrari» zum Schnäppchenpreis

Sechs Zylinder sind für einen Sportrenner aus Maranello einfach zu wenig. Dabei ist der Mittelmotor-Floh Dino 246 für viele der Ferrari schlechthin.

Von Tobias Renk

Danny Wilde ist kein Zauderer. Er überlegt nie lange. Die eine Hälfte von «Die Zwei», der TV-Kultserie der 70er, ist ein Mann der Tat. Der andere, Lord Brett Sinclair, hingegen: distinguiert, zurückhaltend, reflektiert, auch ein bisschen affektiert. Und sehr britisch. Darum fährt Ihre Lordschaft alias Roger Moore auch Aston-Martin oder Monteverdi. Derweil tobt Wilde (Tony Curtis) wild im Ferrari herum. In einem, der eigentlich gar nicht Ferrari heißen darf, sondern nur Dino - zu Ehren von Enzo Ferraris früh (1956) an Leukämie verstorbenem Sohn Alfredino («Dino»).

Gelungene Co-Produktion

Kein Ferrari, weil er keine zwölf Zylinder hat, sondern derer nur sechs. Dabei sieht er hinreißend aus. Und der Sound erst ... So etwas kommt heraus, wenn man jeder Zylinderreihe gleich zwei Auspuffrohre spendiert, so dass jedes nur eineinhalb Zylinder bedienen muss. Bleiben wir erstmal beim Motor: Er ist das Kind einer geglückten Liaison von Ferrari und Fiat. Von Fiat kamen die Einzelteile, bei Ferrari wurden sie neu zusammengesetzt, wobei entsprechende Maßnahmen eine Leistungssteigerung um 20 auf 180 PS brachten. Wohlgemerkt: aus 2,0 Litern Hubraum, die sich auf die sechs in 65-Grad-V-Form angeordneten Zylinder verteilten.

Ungewöhnliche Mittelmotor-Bauweise

Satte 300 Liter fasst der Kofferraum im Heck. Foto: Press-Inform

Das Triebwerk war seinerzeit hypermodern: Es bestand aus Leichtmetall und hatte vier oben liegende Nockenwellen, das Superbenzin wurde in sechs Weber-Doppelvergasern aufbereitet. Und es hatte noch eine Besonderheit: Der ohnehin schon recht kompakte Motorblock war mit dem Fünfganggetriebe und dem Differenzial zu einer Einheit zusammengebacken. Alles saß dann quer vor der Hinterachse. Ein Mittelmotor-Coupé also. Heute gibt’s die fast schon wie Sand am Meer, damals waren sie zumindest auf der Straße rar. Für entsprechende Furore hatte der 1966 präsentierte Lamborgini Miura gesorgt, bei dem der Motor ebenfalls quer vor der Hinterachse saß. Der hatte allerdings vier Liter Hubraum und zwölf Zylinder, das ganze Auto spielte in einer höheren Liga. Eher dorthin gehört auch ein weiterer Mittelmotor-Renner jener Ära: der De Tomaso Mangusta.

Porsche-Jäger

Der Dino hingegen war als eine Art «Volks-Ferrari» gedacht, der zum Beispiel dem Porsche 911 S (190 PS, 2,4 Liter, Sechszylinder-Boxer-Motor im Heck) Paroli bieten sollte. Sein Preis lag Anfang der 70er Jahre bei knapp 40.000 Mark. Solch einen Schnäppchenpreis sah man ihm, dem einmal mehr Sergio Pininfarina Form verliehen hatte, allerdings nicht an. Wo der 911er sportlich und trotzdem vernünftig wirkt, kommt der Dino leicht exotisch und rotzfrech daher. Glupschaugen, ein breites Froschmaul, eine schlanke Taille, aber ausladend geschwungene Hüften. Dazu ein langes Heck, das - neben dem Motor - erstaunlichen 300 Litern Gepäck Unterkunft gewährt. Und dann all die Details: die nach innen gewölbte Heckscheibe zwischen den fließend heruntergezogenen Heckfinnen, zahlreiche Luftein- und -auslässe, zweimal zwei große runde Rückleuchten, innen die damals Ferrari-typischen Lederschalen mit Quer-Absteppungen, das obligatorische Wildleder am Armaturenbrett und eine chromblitzende offene Schaltkulisse. Das alles auf nur 423 mal 170 mal 112 Zentimetern.

Das am meisten verbreitete Modell war der 246 GT. Davon und von der Targa-Version 246 GTS wurden zwischen 1969 und 1974 zusammen knapp 3800 Exemplare mit Stahlkarosserie gefertigt. Den Aufsehen erregenden Anfang hatte jedoch - im November 1967 auf dem Turiner Autosalon - der 206 GT gemacht. Der resultierte wiederum aus zwei vorausgegangenen Studien, und ging schließlich nur wenig verändert auf die Straße und in Serie. Mit Aluminium-Haut, ohne die Plexiglas-Hauben über den Scheinwerfern (die man gleichwohl zusätzlich ordern konnte) und mit jenen seitlichen Ausstellfensterchen, die damals so beliebt waren und zeitlos praktisch sind.

Größerer Hubraum

Auch der Innenraum ist betont sportlich ausgelegt. Foto: Press-Inform

Der Wagen wog nur rund 1080 Kilogramm, war 225 km/h schnell, der Motor drehte bis über 8000 Touren. Das bekam ihm dem Vernehmen nach nicht nur gut, und vielleicht entschloss man sich deshalb bei Ferrari zu einer Hubraumvergrößerung. Es war dann, nach 152 206 GTs, im Frühjahr 1969 so weit, stilecht auf dem Autosalon in Genf. Das Auto hieß von da an 246 GT, hatte 2418 ccm Hubraum, leistete 195 PS bei 7500 - 7600 U / min und galt als rundum zuverlässiger und dauerhafter als der 206. Zumindest Letzteres dürfte stimmen, denn es sind noch erstaunlich viele 246-Dinos am Leben. Der Neue war jetzt aufgrund der Stahlkarosserie - und weil man auch für den Motor von da an preiswertere Gussteile verwendete - mehr als drei Zentner schwerer, was indes nicht auf (damals) beeindruckende Fahrleistungen durchschlug: 7,4 Sekunden zum Landstraßenlimit und gut 238 km/h Spitze attestierte der auto motor und sport-Test. Der Verbrauch allerdings war (auch für heutige Verhältnisse) enorm.

Gefragte Targa-Version

Die Tankdeckelklappe war beim 246 nun in der linken Dachfinne untergebracht, und ziemlich bald verschwanden die kessen Schnellverschlüsse der Alu-Räder von Rudge für die 195/70-VR-14-Reifen von Michelin zugunsten sehr viel profanerer Bolzen. Optisch auffälliger und zweifellos wichtiger war indes die Einführung der Targa-Version 246 GTS mit ihrem herausnehmbaren Dacheinsatz vor dem Überrollbügel. Klar, dass sie vor allem in sonnigen Gegenden besonderen Anklang fand, zum Beispiel in Kalifornien.

Dort wurden dem Dino allerdings wegen der US-Vorschriften in punkto Sicherheit und Abgasen ein paar Zähnchen gezogen: 20 PS weniger hatten rund 25 Kilogramm Mehrgewicht zu bewegen. Konzessionen an den amerikanischen Geschmack waren auch nach und nach lieferbare Extras wie Klimaanlage, elektrische Fensterheber, Stereo-Kassettenradio und ein zweiter Außenspiegel.

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