Harley-Davidson Nighster: Zurück in die Erfolgsspur

Harley-Davidson Nighster: Zurück in die Erfolgsspur
Die Silhouette der Harley-Davidson Nightster bietet viele von Sportster-Modellen bekannte Elemente. © Harley-Davidson

Harley-Davidson präsentiert mit der Nighster das zweite Modell der neuen Sportster-Baureihe. Sie soll das Wachstum der Marke beleben.

Wer jemals die Küstenstraße an der spanischen Costa Brava nördlich von Tossa de Mar befahren hat, der weiß, was ein Kurventanz ist. Hier Harley-Fahren? Könnte stressig werden.

Doch exakt auf dieser Küsten-Achterbahn soll die neue Nightster zeigen, was sie kann: Mit 221 Kilo Leergewicht ist sie um mehr als 30 Kilo leichter als die verblichenen 1200er Sportster-Modelle, mit 90 PS Motorleistung ist ihr Antrieb um über 20 PS stärker. Nach der Fahrt hat die Nightster im Bereich der Fußrasten zwar etwas Material verloren, doch im Hirn ihres Fahrers hat sich die Erkenntnis festgesetzt: Da geht was! Denn ähnlich handlich war noch kein anders Motorrad aus Milwaukee.

Wasser- statt Luftkühlung

An der Nightster ist abgesehen von Zahnrad-Endantrieb nichts mehr so, wie es jahrzehntelang der hauseigenen Norm entsprach: Der vermeintliche Blechtank dient jetzt als Abdeckung der Airbox, der 11,7 Liter fassende Kunststofftank befindet sich dagegen unter dem Fahrersitz. Die zwei Zylinder des Motors stehen nun im Winkel von 60 statt 45 Grad, und sie sind von Wasser umspült statt von Luft gekühlt.

Aus vier untenliegenden Nockenwellen sind vier obenliegende geworden, statt des einzigen Fahrmodus im Tucker-Tucker-Stil mit bescheidenen Drehzahlen und eher zähem Drehvermögen stehen jetzt drei Fahrmodi zur Wahl und der flink durcheilte Drehzahlbereich erstreckt sich bis an die 8.000 Touren. Das Design-Kunststück bestand nun darin, die für Harley-Verhältnisse revolutionäre Technik so zu präsentieren, dass sich beim Betrachter dennoch ein Sportster-Gefühl einstellt.

Preis bei rund 15.000 Euro

Das ist weitgehend gelungen, denn die Silhouette der Nightster nimmt viele gewohnte Elemente auf: den kurzen Heckkotflügel mit dem stehenden Kennzeichen, die beiden bestens sichtbaren Federbeine, den Einzelsitz (eine Mitfahrgelegenheit gibt’s als Zubehör), die runden Blinker oder den Rundscheinwerfer mit seiner dunkel eingefärbten Verkleidung. Dass angesichts der Modellbezeichnung die Farbe Schwarz dominiert, nimmt nicht Wunder. Nicht so recht zum Kaufpreis von immerhin 14.995 Euro – Rot oder Grau kosten 280 Euro mehr – will die verbreitete Verwendung von Kunststoffelementen passen. Viele Flächen erscheinen steril, haptisch unattraktiv.

Der aus dem 2021 vorgestellten 1250er-V2 („Revolution Max 1250T“) entwickelte Abkömmling weist zwei Zündkerzen weniger, dafür eine variable Steuerung der vier Einlassventile sowie weniger Hub und Bohrung auf. Die Maximalleistung des 975ers („Revolution Max 975T“) stellt sich bei 7.500 U/min ein, das maximale Drehmoment erreicht bei 5.750 U/min 95 Nm. Das sind gute Werte, wobei die untere Hälfte des Drehzahlbandes fürs Bummeln ideal ist und die obere beim Sporteln zum Einsatz kommt, beispielsweise auf der Costa-Brava-Achterbahn. Ein „Wumms“ im bekannten Harley-Sinn ist dem 975er trotz aller Hightech-Finessen nicht zu Eigen.

Gänge lassen sich nur hart einlegen

Die sechs Gänge schalteten sich am Testbike eher hart, einen Quickshifter gibt es nicht, die Gasannahme war nicht immer geschmeidig. Die Schräglagenfreiheit harmoniert mit der Sitzposition und wird wohl für 95 Prozent aller Fahrerinnen und Fahrer ausreichen. Lenkergriffe und Fußrasten sind gut erreichbar, so dass sich Wohlbefinden im Sattel einstellt.

Kurven sind kein Hindernis, sondern Grund für breites Grinsen. Die einzelne Bremsscheibe im Vorderrad leistet seriöse Arbeit, die hintere Scheibe arbeitet brav zu, das gut regelnde ABS beherrscht sicheres Vermeiden von Radblockaden nur in der Senkrechten und nicht in Schräglage.

Sparsame Instrumentierung

Die Harley-Davidson Nighster kostet rund 15.000 Euro. Foto: Harley-Davidson

Die Instrumentierung der Nightster ist für heutige Verhältnisse eher sparsam; statt eines TFT-Display, in der 15.000 Euro-Klasse inzwischen eher üblich, kommt ein runder Analogtacho mit LC-Anzeigefeld zum Einsatz, in dem alles sonst Nötige klar, aber in kleiner Schrift ablesbar ist. Die Fahrmodi „Rain“, „Road“ und „Sport“ unterscheiden sich stark, die Elektronik beeinflusst Gasannahme, Traktionskontrolle und ABS-Regelung. „Rain“ reduziert darüber hinaus die Motorleistung um 15 Prozent, sagt Harley. Damit lässt sich prima leben. Eine Smartphone-Integration ist nicht vorgesehen. Zum Motorradfahren passt das gut, in die gegenwärtige Zeit und die Preisklasse jedoch weniger.

Man muss weiß Gott nicht die Statur eines Gorillas aufweisen, um sich auf der Nightster wohlzufühlen; der in nur gut 70 Zentimetern Höhe montierte Sitz sorgt auch bei kürzer Gewachsenen für besten Bodenkontakt der Füße beim Anhalten, die Handgriffe sind weitenverstellbar und funktionieren leichtgängig, sämtliche Beleuchtungskörper weisen LEDs auf. Insofern sind alle wichtigen Voraussetzungen erfüllt, um mit der Nightster locker-flockig unterwegs sein zu können.

Bleibt nur ein noch die Kernfrage dieser Marke: Was ist mit dem Sound? Die – natürlich schwarz eingefärbte – Auspuffanlage gut klingt. Allerdings nicht nach Harley. Aber wie soll sie auch angesichts der technischen Gegebenheiten. Während Harley-Davidson in Nordamerika 2021 wieder auf den Wachstumspfad zurückgefunden hat, verzeichnet die Motor-Company überall sonst anhaltend rückläufige Zahlen. Nicht zuletzt mit Hilfe der neuen Sportster-Baureihe soll sich das ändern. (SP-X)

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