GM-Chefin Barra wird vor US-Kongress angehört

Rückrufaktion weitet sich aus

GM-Chefin Barra wird vor US-Kongress angehört
GM-Chefin Mary Barra © dpa

Die Rückrufaktion von über zwei Millionen Fahrzeugen des GM-Konzerns beschäftigt nun auch den US-Kongress. Dort wird ab Dienstag die neue GM-Chefin Mary Barra zur Pannenserie befragt.

Eine Pannenserie mit Toten, ein Rückruf von über zwei Millionen Fahrzeugen - das ist der Gau für jede Automobilfirma. Gerade einmal drei Monate steht die 51-jährige Mary Barra an der Spitze von General Motors (GM). Doch schon jetzt muss sie sich einer unangenehmen Anhörung im US-Kongress stellen.

Das Schlimmste ist: Bei der Untersuchung am Dienstag und Mittwoch in Washington geht es nicht nur um technische Fehler, Konstruktionsmängel oder schlichtweg Schlamperei. Die Gretchenfrage, die die Abgeordneten und Senatoren stellen werden, lautet: Wurde die fatale Unfallserie wegen defekter Zündschlösser von den Machern in Detroit etwa absichtlich verschleppt? Von den Antworten Barras dürfte es abhängen, ob GM - das Unternehmen, das 2009 faktisch pleite war - das Vertrauen von Millionen Amerikanern verliert.

Anhörungen im US-Kongress sind kein Pappenstiel. Im Ton freundlich und verbindlich, doch in der Sache knallhart gehen die Damen und Herren Volksvertreter vor. Offensiv bis aggressiv fallen ihre Fragen aus. Gerade mächtige Konzernchefs belieben sie besonders genüsslich zu "grillen". Manager von Toyota können davon etwa ein Lied singen.

Auf Mary Barra warten unangenehmen Fragen

"Es gilt, Antworten auf simple Fragen zu finden, die die Öffentlichkeit stellt sowie diejenigen, die bei diesen Unfällen geliebte Menschen verloren haben", bringt der Republikaner Tim Murphy das Thema auf den Punkt. "Warum brauchte es eine so lange Zeit, bis diese Sicherheitsprobleme angesprochen wurden?" Eines steht schon vor den Anhörungen fest: Frau Barra dürfte gehörig ins Schwitzen kommen.

Wie so häufig in solchen Fällen, kommen die Wahrheit und das ganze Ausmaß des Debakels nur scheibchenweise ans Tageslicht. Die "New York Times" enthüllte dieser Tage, dass Ingenieuren von GM bereits vor fünf Jahren klar war, dass mit den Zündschlössern etwas nicht stimmte - und dass dies potenziell gefährlich sei. Doch die ersten Autos wurden erst vor einigen Wochen zurückgerufen.

Das eigentliche Dilemma der Opel-Mutter reicht noch tiefer in die Vergangenheit. In den Jahren 2003 bis 2007 wurden in Hunderttausende Autos Zündschlösser eingebaut, die nichts taugten. Sie waren zu schwach ausgelegt. Wenn etwas Schweres am Schlüsselbund hing oder das Auto über holprige Straßen fuhr, drohte der Zündschlüssel in die "Aus"-Position zurückzuspringen. Die Folge: Bremskraftverstärker, Servolenkung und Airbag fielen aus - bei Unfällen waren Tote und Verletzte zu beklagen.

Rätsel um Anzahl der Toten

Bei den meisten betroffenen Autos handelt es sich um in den USA verkaufte Chevrolets, Pontiacs und Saturns. Aber auch verwandte Modelle des Opel GT Roadster brauchen neue Zündschlösser. Strittig ist, wie viele Menschen die Pannen tatsächlich das Leben kosteten. GM spricht von lediglich zwölf Unfalltoten, die mit einem mangelhaften Zündschloss in Verbindung zu bringen seien. Merklich anders fallen die Recherchen des Center for Auto Safety, einer Verbraucherorganisation, aus. Sie kommen unter Berufung auf externe Auswertungen offizieller Unfalldaten auf über 300 Tote bei Crashs, in denen die Airbags nicht ausgelöst wurden. Möglicherweise liege die Zahl sogar noch höher, deutete die Organisation an.

Rasch und geschmeidig reagierte die neue Frau an der Spitze. Barra erkannte die Gefahr für den Konzern, zögerte nicht zuzupacken, machte das Debakel zur Chefsache. "Wir werden dafür einstehen", meinte sie. Doch ausgerechnet ein paar Tage vor dem delikaten Kongress-Termin musste Barra neue Hiobsbotschaften einräumen.

Der Schaden sei beachtlich größer als zunächst angenommen. Die Rückrufaktion musste drastisch ausgeweitet werden: Bis zum vergangenen Freitag war von "nur" 1,6 Millionen Autos die Rede, jetzt seien eine weitere Million Fahrzeuge betroffen, verlautete aus Detroit - insgesamt also ein Rückruf für 2,6 Millionen Wagen. Die meisten betroffenen Autos sind Chevrolets, Pontiacs und Saturns, die in den USA verkauft wurden. Bei Autos der Baujahre 2008 bis 2011 wurden zwar verbesserte Zündschlösser verwendet. Doch in Detroit fürchtet man, dass bei Reparaturen alte Teile benutzt worden seien.

Auch Opel GT Roadster betroffen

Aber auch verwandte Exemplare des Opel GT Roadster brauchen neue Zündschlösser. Bislang war nur das Modelljahr 2007 betroffen - nun werden auch die Modelljahre 2008 bis 2010 des seitdem nicht mehr gebauten Wagens zurückgerufen, wie Opel in Rüsselsheim mitteilte. Insgesamt gehe es um 7450 Roadster in Europa und somit um wenige tausend in Deutschland. "Darüber hinaus sind keine anderen Opel-Modelle von diesem Rückruf betroffen", versicherte Opel.

"In Sicherheitsfragen gehen wir kein Risiko ein", versprach die Konzernchefin am Freitagabend. Die Abgeordneten werden Barra diese Aussage bei ihrem "Kreuzverhör" im Kongress sicherlich erneut vorhalten. Und die Frage stellen: Warum erst jetzt? (dpa)

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