Die Technologie zur Verringerung des Luftwiderstandbeiwertes sei bekannt, sagt Ralf Hoffmann, Leiter Aerodynamik, Motor und Komponentenkühlung bei Ford im Interview mit der Autogazette. Die Umsetzung aber sei die große Herausforderung.
Die Aerodynamik nimmt einen immer größeren Raum bei den Automobilherstellern ein. «Aerodynamik ist nach wie vor ein effizientes Mittel, den Fahrwiderstand zu verringern und damit den Kraftstoffverbrauch beziehungsweise die CO2-Emissionen zu senken. Andere Technologien, wie zum Beispiel innermotorische Maßnahmen, sind zum Teil wesentlich teurer», sagt Ralf Hoffmann, Leiter Aerodynamik, Motor und Komponentenkühlung bei Ford im Interview mit der Autogazette.
Nicht nur deshalb hätten fast alle Hersteller «ihre Windkanäle entweder modernisiert» oder komplett neu gebaut. Allerdings stoßen die Autobauer an Grenzen, die Hoffmann bei einem Cw-Wert von 0,20 sieht, bevor es zu drastischen Änderungen an den Autos und deren Karosserie kommen werde. «Nicht alles, was technisch machbar ist, ist auch wirtschaftlich sinnvoll und kommt bei den Kunden an.»
«Aerodynamik zunehmend wichtiger für tatsächlichen Alltagsverbrauch»
Autogazette: Hat das Gros der Autobauer die Aerodynamik in den zurückliegenden Jahren vernachlässigt?
Ralf Hoffmann: Ganz im Gegenteil. Fast alle Automobilhersteller haben ihre Windkanäle entweder modernisiert – sie haben nun die Möglichkeit, die Räder der Fahrzeuge drehen zu lassen und den Boden zu bewegen – oder sie haben komplett neue Windkanäle gebaut beziehungsweise planen dies in absehbarer Zeit. Die sogenannte CFD-Simulation, also die Computer Fluid Dynamics-Simulation, hat einen riesigen Schritt nach vorne gemacht.
Autogazette: Trifft das auch auf Ihr Unternehmen zu?
Hoffmann: Ja.
Autogazette: Warum rückt die Aerodynamik gerade wieder stärker in den Fokus der Autobauer, liegt das vor allem an den strengen CO2-Richtlinien zum Flottenverbrauch?
Hoffmann: Aerodynamik ist nach wie vor ein effizientes Mittel, den Fahrwiderstand zu verringern und damit den Kraftstoffverbrauch beziehungsweise die CO2-Emissionen zu senken. Andere Technologien, wie zum Beispiel innermotorische Maßnahmen, sind zum Teil wesentlich teurer. Weiterhin hat man festgestellt, dass die europäische Norm zur Ermittlung des Kraftstoffverbrauchs, der NEDC, nicht unbedingt den Fahrzyklus des typischen Kunden widerspiegelt. Die wirkliche Durchschnittsgeschwindigkeit ist höher als vom NEDC-Zyklus vorgeschrieben und somit ist die Aerodynamik auch zunehmend wichtiger für den tatsächlichen Alltagsverbrauch.
«Kompromiss zwischen Fahrzeugdesign und Aerodynamik finden»
Autogazette: Ist es einfacher und vor allem kostengünstiger, die Effizienz eines Fahrzeuges durch aerodynamische Maßnahmen als durch Leichtbau zu verbessern?
Hoffmann: Grundsätzlich ist verbesserte Aerodynamik ein sehr effizientes Mittel, den Kraftstoffverbrauch zu senken. Es geht jedoch auch darum, einen Kompromiss zwischen Fahrzeugdesign und guter Aerodynamik zu finden. Auch auf anderen Feldern – beispielsweise dem Innenraum-Package – kann es Zielkonflikte geben. Bei Unterbodenverkleidungen gilt es abzuwägen, ob die aerodynamische Verbesserung nicht durch das zusätzliche Gewicht wieder zunichte gemacht wird.
Autogazette: Wird die Aerodynamik das Design der Autos in Zukunft nachhaltig verändern?
Hoffmann: Teilweise. Größere aerodynamische Verbesserungen erfordern drastische Veränderungen zum Beispiel der Karosserie. Deshalb legt Ford auch einen besonderen Schwerpunkt auf die Optimierung des Unterbodens und der Rad-Umströmung.
Autogazette: Ist das Ein-Liter-Auto VW XL1 mit einem Luftwiderstandsbeiwert von 0,189 wegweisend für zukünftige Fahrzeuggenerationen oder ist es nur eine Fingerübung für Designer und Aerodynamiker?
Hoffmann: Es gibt viele Forschungsprojekte mit Fahrzeugen, die einen besonders niedrigen Cw-Wert haben. Auch der Ford Probe IV von 1983 hatte bereits einen exzellenten Luftwiderstandsbeiwert, nämlich von 0,15. Die Technologie, um einen geringen Luftwiderstandsbeiwert zu erreichen, ist allgemein bekannt, die Umsetzung ist die Herausforderung. Und außerdem gilt: Nicht alles, was technisch machbar ist, ist auch wirtschaftlich sinnvoll und kommt bei den Kunden an.
Keine Zukunft für Tropfenform
Autogazette: Hat die Tropfenform bei zukünftigen Fahrzeugen wieder eine Perspektive?
Hoffmann: Eher nicht, wobei einige Elemente wie zum Beispiel der hintere Fahrzeugeinzug bei manchen Modellen durchaus tropfenförmig aussehen.
Autogazette: Wo liegt für Sie der größte Zielkonflikt zwischen Design und Aerodynamik?
Hoffmann: Nur ein Beispiel: Designer lieben große Räder und offene Felgen, Aerodynamiker eher nicht.
Autogazette: Stellen die steigenden Anforderungen an die Fahrzeugsicherheit wie beispielsweise Fußgängerschutz die Aerodynamik vor besondere Probleme?
Hoffmann: Nicht grundsätzlich, wobei der aus Sicherheitsgründen hohe Vorderwagen aus aerodynamischer Sicht nicht unbedingt ein Vorteil ist.
«Cw-Wert von 0,20 ist sicherlich eine magische Grenze»
Autogazette: Der Rumpler-Tropfenwagen von 1921 kam auf einen Cw-Wert von 0,28. Vergleicht man das mit den Luftwiderstandsbeiwerten der heutigen Fahrzeuge, dann haben sich seither keine Quantensprünge vollzogen. Herrschte in der Aerodynamik in den zurückliegenden 92 Jahren eher Stillstand statt Fortschritt?
Hoffmann: Der durchschnittliche Luftwiderstandsbeiwert aller produzierten Fahrzeuge betrug 1920 etwa Cw = 0,7. Heute liegt dieser Durchschnittswert etwa bei Cw = 0,30. Dies ist durchaus eine dramatische Verbesserung.
Autogazette: Der Mercedes CLA ist derzeit mit einem Cw-Wert von 0,22 der Aerodynamik-Champion unter den Serienfahrzeugen. Welche Reduktion ist zukünftig noch vorstellbar?
Hoffmann: Ein Cw-Wert von 0,20 ist sicherlich eine magische Grenze für Serienfahrzeuge. Es geht aber letztlich aus Herstellersicht darum, den Durchschnitt aller Fahrzeuge zu reduzieren. Der Fokus sollte darauf liegen, den durchschnittlichen Luftwiderstandsbeiwert auf deutlich unter 0,3 zu bringen. Zusätzlich gilt es auch den Trend zu stoppen, dass die Stirnfläche der Fahrzeuge immer größer wird. Der Luftwiderstand ist ein Produkt aus Cw-Wert mal Stirnfläche. In den vergangenen Jahren hat die Vergrößerung der Stirnfläche die Verbesserung des Cw-Wertes oft kompensiert.
Die Fragen an Ralf Hoffmann stellten Frank Mertens und Thomas Flehmer