Musste das wirklich sein, dass Ford sein neues Elektromodell Capri nennt? Schließlich hat der Stromer mit dem Ur-Capri nichts gemein. An den Qualitäten des Stromers ändert das aber nichts.
Wer in diesen Monaten von Ford spricht, der muss meist über Negatives sprechen. Europaweit werden Tausende Stellen gestrichen, zudem ließ der Mutterkonzern in den USA gerade wissen, dass die sogenannte Patronatserklärung endet. Mit ihr bürgte Ford USA für die Schulden der deutschen Tochter. Im Gegenzug erhielten die Kölner eine Kapitalspritze von 4,4 Milliarden Euro zur Schuldentilgung. Damit steht man jetzt jedoch finanziell auf eigenen Füßen.
Diese Finanzspritze geht indes nicht 1:1 in die Schuldentilgung, sondern mehre Hundert Millionen Euro sollen helfen, das Geschäft in den nächsten vier Jahr zu stabilisieren. Das ist angesichts der herausfordernden Zeiten auch dringend nötig. Denn der Pkw-Absatz schwächelt. In Deutschland brachen die Neuzulassungen um 14,6 Prozent auf 99.554 Einheiten ein. Es sind teils selbstverschuldete Probleme, denn das Modellangebot wurde stark ausgedünnt. Modelle wie wie Ka, Fiesta, S-Max, Galaxy und Mondeo sind Geschichte, in diesem Jahr wird auch die Produktion des Focus beendet. Der Fokus bei den Kölner liegt längst auf den leichten Nutzfahrzeugen.
Reaktivierung von Traditionsnamen

Doch bei den Pkws will man in Zukunft auch weiterhin wahrgenommen werden – und dazu sollen die neuen Elektroautos sorgen. Bei den Pkws gibt es bereits den Mustang Mach E und zudem den Explorer und den Capri. Sie basieren beide aufgrund der bestehenden Kooperation mit VW auf dem Modularen Elektrifizierungsbaukasten der Wolfsburger. Gebaut werden sie im Werk Köln, das mit einer Investition von zwei Milliarden Euro fit für die E-Mobilität gemacht wurde. In Kürze kommt zudem der Puma Gen E, der aber im rumänischen Craiova gebaut wird.
Von diesen Modellen dürfte vor allem der Capri bei älteren Kunden Erinnerungen wecken an den Ur-Capri, der 1964 auf den Markt kam und es zu Kultstatus brachte. Die Neuauflage hat mit dem Ur-Capri indes wenig gemein, weshalb man sich fragt, weshalb man den Namen für das neue rein elektrisch angetriebene Crossover-Modell reanimieren musste. Entsprechend wurde die Namensgebung auch kritisiert. Davon zeigt sich Ford indes unbeeindruckt, glaubt fest daran, dass man mit der Reaktivierung von Namen von Kultmodellen („Hero Names“) wie dem Mustang oder jetzt dem Capri genau die richtige Entscheidung getroffen hat.
Erstes MEB-Modell mit Frunk
Doch abseits des Namens bringt der Capri alles mit, die Hoffnungen des Autobauers zu erfüllen, die er in das 4,63 Meter lange Crossover-Modell setzt. Mit ihm bietet man ein Modell, mit dem man auch Familien anspricht. Auf der Rückbank finden selbst Großgewachsene ausreichend Platz – und der Kofferraum bietet ein Volumen von 572 Litern. Das ist mehr als beim Mondeo. Daneben hat Ford sich einige nette Lösungen überlegt: dazu gehören kleine Kunststoffeinsätze, die man im Kofferraum links und rechts in die Ausbuchtungen der Seitenwand stecken kann. Beispielsweise kann man hier das Ladekabel oder schmutzige Wanderschuhe verstauen. Wer mag, der kann das Ladekabel aber auch im Frunk verstauen.
Frunk? In einem MEB-Fahrzeug? Richtig. Dafür haben die Ford-Ingenieure eine Ablage entwickelt, die fast über die gesamte Breite des Fahrzeuges reicht: hier kann beispielsweise auch ein Regenschirm oder auch besagtes Ladekabel seinen Platz finden. Erstaunlich, dass nicht die VW-Tochter Skoda auf diese Idee kam, die für ihre Simply-Clever-Lösung bekannt ist.
Verschiebbarer Touchscreen
Da wir schon bei pfiffigen Lösungen sind: dazu gehört auch das große 14,6-Zoll-Zentraldisplay. Es bietet nicht nur eine hervorragende Auflösung und eine leichte, intuitive Bedienung, sondern ist auch verstellbar. Damit bietet sich für den Fahrer ein optimaler Blickwinkel. Hinter dem Bildschirm befindet sich übrigens zusätzlicher Stauraum, der von außen bei entsprechender Bildschirmposition nicht einsehbar ist. Unter der Mittelarmlehne lässt sich zudem noch bis zu 17 Liter Krimskrams verstauen. Das ist alles durchdacht – und die Qualität im Innenraum ist auch nicht zu beanstanden. Das wirkt alles sehr wertig.
Doch wie fährt der Neue nun? Wir waren bei den Testfahrten im Hinterland von Marseille mit sowohl mit dem Hecktriebler mit 287 PS als auch mit dem Allradler mit 340 PS unterwegs. Beide Modelle standen jeweils als Extended Range-Version mit einer 77 kWh (Reichweite 627 km) bzw. 79 kWh starker Batterie (592 Kilometer) zur Verfügung. Daneben gibt es noch ein Einstiegsmodell mit einer Leistung von 170 PS und einer Batterie mit einer Kapazität von 52 kWh (Reichweite 394 km).
Gute Fahrwerksabstimmung
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Dass Ford in der Lage ist, Fahrwerke gut abzustimmen, ist bekannt, Das gelang den Fahrwerksspezialisten auch beim Capri. Bereits mit Heckantrieb gibt es bei flotter Kurvenfahrt am Handling und am Fahrspaß wenig zu beanstanden. Der Abrollkomfort ist sehr gut, gleiches trifft auf die Geräuschdämmung zu. Da passt alles: die Lenkung spricht gut an, auch wenn sie nach meinem Geschmack etwas direkter ausgelegt sein könnte. Ein kleiner Kritikpunkt gilt den Sitzen. Sie sind bequem, aber könnten bei schnelleren Kurvenfahrten etwas mehr Seitenhalt vertragen.
Was die Leistungsentfaltung betrifft gibt es zwischen beiden gestesteten Varianten kaum Unterschiede. Das Drehmoment liegt bei beiden Varianten bei jeweils satten 545 Nm an, auch die Höchstgeschwindigkeit liegt bei jeweils völlig ausreichenden 180 km/h. Unterschiede gibt es indes beim Sprint von 0 auf 100 km/h: da braucht der eine 6,4 Sekunden, der andere 5,3 Sekunden. Es ist ein Unterschied, den man indes nur mit Blick auf die Stoppuhr bemerkt. Wer also nicht unbedingt auf Allrad angewiesen ist, dem reichen 284 PS allemal. Vor allem auch deshalb, weil er sich dann doch noch etwas effizienter gibt. Im Datenblatt steht bei ihm ein Verbrauch von 13,3 kWh bis 14,7 kWh/100 km im Datenblatt, bei der Topmotorisierung sind es 15 kwh bis 16,4 kWh/100 km.
Realitätsnahe Verbräuche
Es sind übrigens Werte, die ziemlich realistisch sind: So zeigte der Bordcomputer nach den Testfahrten Verbräuche von 15,7 kWh bzw. 17,4 kWh an. Da sist für eine Auto mit dieser Leistung und einem Gewicht zwischen 2,1 und 2,2 Tonnen wirklich gut. Ist die Batterie leer, steht eine Ladeleistung von 135 kW bzw. 185 kW zur Verfügung. Von 10 auf 80 Prozent vergehen gerade einmal 28 Minuten, bei der Topvariante sind es zwei Minuten weniger. Übrigens ist auch Plug & Charge möglich, wenn man an den Stationen von beispielsweise Ionity oder Aral Pulse lädt. Damit sind die Zeiten vorbei, wo man noch seine Ladekarte zücken oder die App aufrufen musste. Bequemer geht Laden nicht.
Damit es angesichts des für die E-Mobilität nach wie vor schwierigen Marktumfeldes mit dem Absatz klappt, hat Ford gleich an der Preisschraube gedreht. Das Einstiegsmodell Style mit 170 PS kostet nur noch 42.400 Euro (2500 Euro weniger als zuvor). Die Variante mit dem mittelgroßen Akku startet bei 51.450 Euro und beim Allradler (Select) geht es bei 55.400 Euro los. Nun kann bleibt abzuwarten, wie sich der der neue Capri schlägt. Das Gesamtpaket jedenfalls ist stimmig.