«Diesel-Fahrverbote sind rechtlich zulässig und unausweichlich»

DUH nach Stuttgarter Urteil

«Diesel-Fahrverbote sind rechtlich zulässig und unausweichlich»
Jürgen Resch nach der Urteilsverkündung. © dpa

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart ist wegweisend. Fahrverbote in den Großstädten für ältere Diesel werden damit immer wahrscheinlicher. Auch der Diesel-Gipfel am 2. August dürfte davon beeinflusst werden.

Besitzer älterer Dieselwagen müssen nach einer Entscheidung des Stuttgarter Verwaltungsgerichts weiter mit Fahrverboten rechnen. Das Land Baden-Württemberg dürfte kaum um die unpopuläre Maßnahme bereits ab Anfang 2018 herumkommen.

Die geplanten Software-Updates, die beim nationalen Diesel-Gipfel am 2. August festgeklopft werden sollen, seien kein adäquates Mittel zur Verbesserung der Luft, argumentierte Verwaltungsrichter Wolfgang Kern am Freitag. Er machte klar: Der Gesundheitsschutz in der Stadt sei höher zu bewerten als die Interessen der Diesel-Fahrer. Das Land muss seinen Plan zur Luftreinhaltung in Stuttgart deutlich nachbessern.

Ob und wann es tatsächlich zu Fahrverboten für viele Dieselmodelle kommt und wie diese aussehen könnten, ist aber weiter offen. Das Land will das Urteil zunächst prüfen und dann sehen, welche Schritte einzuleiten sind, sagte ein Sprecher. Es ist damit zu rechnen, dass der Streit beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig weitergeht. Dort liegt schon ein ähnlicher Fall aus Düsseldorf zur Entscheidung. Das Stuttgarter Urteil könnte auch die Debatte um Fahrverbote in anderen Großstädten wie München oder Berlin beeinflussen.

Verbot ab 1. Januar 2019 möglich

Laut Richter Kern wäre ein ganzjähriges Verkehrsverbot die effektivste und derzeit einzige Maßnahme zur Einhaltung der oftmals erheblich überschrittenen Emissionsgrenzwerte für Stickstoffdioxid. Diese werden in Stuttgart teils um das Doppelte überschritten. Komme das Land der gesetzlichen Vorgabe - einer «schnellstmöglichen Einhaltung» der Grenzwerte - nach, müsste das Verbot zum 1. Januar 2018 in Kraft gesetzt werden. Unklar ist die Art der Umsetzung. Zur Not müsse das Land Zusatzschilder zur Umweltzone selbst gestalten.Baden-Württemberg scheiterte damit auch mit dem Versuch, durch Nachrüstungen vieler älterer Motoren Verbote zu verhindern. Das Land dürfe sich bei der Luftreinhaltung nicht darauf verlassen, dass die Autoindustrie irgendwie handelt, erklärte Kern.

Außerdem hatte er bei der Verhandlung von Experten des Landes erfahren, dass die bisher von der Industrie angedeuteten Nachrüstungen am Neckartor - Deutschlands schmutzigster Kreuzung - im allerbesten Fall eine Verringerung der Schadstoffe um neun Prozent bringen würden. Und dies sei «von maximalem Optimismus getragen», so Kern - sowohl, was die Bereitschaft der Autobesitzer zur Nachrüstung angehe, als auch, was die technischen Möglichkeiten betreffe.

DUH: Urteil gut für Großstädte

Richter Wolfgang Kern
Richter Kern dpa

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) als Klägerin in dem Verfahren ist ihrem Ziel ganzjähriger und genereller Fahrverbote für Diesel nun einen Schritt näher gekommen. „Diesel-Fahrverbote sind rechtlich zulässig und unausweichlich", heißt es in einer DUH-Mitteilung zum Urteil. Das Urteil sei gut für alle Großstädte. «Es wird zukünftig nicht mehr möglich sein, die Luft in unseren Städten mit giftigem Dieselabgas zu verschmutzen», sagte DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch. Das Signal an die Autobranche laute: «Es muss Schluss sein mit dem Verkauf schmutziger Diesel.» Mit Blick auf den Diesel-Gipfel betonte er, dass Software-Updates nicht ausreichten. «Sie müssen es so machen, dass es funktioniert.»

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks hatte am Donnerstag bei einem Besuch der VW-Zentrale in Wolfsburg ebenfalls angedeutet, dass aus ihrer Sicht Fahrverbote längst nicht vom Tisch sind. Sie sieht nun die Autobranche am Zug. Es sei höchste Zeit, «dass die Autoindustrie in eigener Verantwortung dafür sorgt, dass es nicht zu Fahrverboten kommt», sagte die SPD-Politikerin am Freitag in Hamburg.

Einig waren sich in Stuttgart alle Beteiligten, dass die wirksamste Maßnahme für weniger Schadstoffe nicht nur hier die Einführung einer Blauen Plakette als Einfahrtsberechtigung in die Umweltzone wäre. Diese Plakette würden Dieselfahrzeuge nur erhalten, wenn sie die Abgasnorm Euro-6 erfüllen. Warum die schwarz-rote Bundesregierung diesen Wunsch auch anderer Großstädte nicht erfülle, sei nicht nur dem Land und der DUH, sondern auch dem Gericht schleierhaft, sagte Kern in der Verhandlung. Das Verhalten Berlins sei da «indiskutabel». (dpa)

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Frank Mertens
Nach dem Studium hat er in einer Nachrichtenagentur volontiert. Danach war er Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche.

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