Xpeng G9: Rechtfertigt hohe Ambitionen

Elektro-SUV im Alltagstest

Xpeng G9: Rechtfertigt hohe Ambitionen
In den G9 setzt Xpeng hohe Ambitionen. © Axel F. Busse

Elektro-SUVs gibt es mittlerweile eine Menge. Dennoch bringt  Xpeng mit dem G9 ein weiteres Modell in diesem Segment auf den Markt. Wie sind die Aussichten?

Ganz neu in Deutschland ist die chinesische Marke XPeng. Das Verkaufsvolumen ist noch klein, groß sind dagegen die Ambitionen. Das Elektro-SUV G9 scheint dies zu rechtfertigen Rund 21.000 Pkw haben die wichtigsten chinesischen Hersteller in den ersten neun Monaten dieses Jahres in Deutschland neu zulassen können. Das entspricht in etwa einem Prozent des Gesamtaufkommens.

Erst seit ein paar Monaten mit von der Partie ist Xpeng, wo mit den drei verfügbaren Modellen zwar noch nicht wirklich Geld verdient wird, die konzernweiten Verluste aber kontinuierlich sinken. So hat auch Tesla mal angefangen. Ist Xpeng ein potenzieller China-Kracher oder ein Rohrkrepierer, fragen sich viele.

Ab Werk ist im G9 bereits alles drin

Der stattliche Fünftürer G9 ist das Aushängeschild der Marke. Mit fast 4,90 Metern Länge und nahezu 1,70 m Höhe will er nicht nur in Sachen Platzangebot und Ausstattungsniveau punkten, sondern auch mit Reichweite und schneller Ladeleistung. Das Fahrzeug ist in der Standardversion mit einem 78-kWh-Akku versehen, das Long-Range-Modell bietet 98 kWh. 230 Kilowatt Leistung (313 PS) stehen dort 2,3 Tonnen Leergewicht gegenüber, wie die Waage über unseren Testwagen verriet. Angetrieben wird über die Hinterräder.

Die Knöpfe im Xpeng G9 finden sich nur noch auf dem Lenkrad. Foto: Xpeng

Die von schmalen Lichtleisten bestimmte Frontpartie mutet nicht nur klinisch rein an, sondern zeigt auch eine gewisse Verwandschaft mit einem anderen, in den Abmessungen sehr ähnlichen chinesischen Produkt: dem Nio EL6. Beiden gemein ist, dass sie ab Werk umfangreiche Komfort- und Sicherheits-Features bieten und auf lange Optionslisten verzichten. Das mindert die Individualisierung-Möglichkeiten, bringt aber in der Produktion Kostenvorteile. Für den G9 spricht, dass er sogar noch etwas günstiger ist als der Nio.

Wobei günstig nicht unbedingt billig bedeutet. Einerseits sind mindestens 57.600 Euro für den Wagen kein Pappenstiel, andererseits ist wegen der jüngst in Kraft getretenen EU-Ausgleichszölle auf chinesische Pkw wohl mit Preiserhöhungen bei allen Autos aus dem Reich der Mitte zu rechnen. XPeng verfolgt in Deutschland aber eine andere Verkaufsstrategie als jene, die auf Online-Vertrieb setzen. Niedergelassene Händler sollen als Ansprechpartner vor Ort fungieren, bis 2026 will die Marke 120 Verkaufspunkte hierzulande aufgebaut haben.

Beifahrer entspannt bei Videos

Anstatt auf versenkbare Bügelgriffe setzt der XPeng auf Kipphebel, die nicht ganz so handlich sind, aber in Fahrt ebenfalls bündig mit der Karosserie abschließen. Der Heckscheibenwischer ist elegant unter dem Dachkantenspoiler verborgen. Mit der Fahrertür öffnet sich der Blick auf ein gediegen gestaltetes Cockpit, das von zwei nebeneinander montierten 15 Zoll großen Touchscreens bestimmt wird. Auf dem vor dem Beifahrersitz befindlichen Bildschirm können Passagiere nicht nur Routenpläne oder Menü-Einstellungen abrufen, sondern auch Online-Inhalte wie zum Beispiel Youtube betrachten. Vom Fahrersitz aus ist nichts zu sehen, so dass eine Ablenkung durch Videos ausgeschlossen ist.

Auf dem Beifahrersitz soll es maximale Entspannung geben, denn er ist als Ottomane mit elektrisch beweglicher Unterschenkelauflage konzipiert. Die gute Idee krankt aber leider etwas daran, dass die Sitzschiene nicht lang genug ist, um als hochgewachsener Mensch wirklich eine relaxte Haltung einzunehmen. Ansonsten ist das Raumangebot vorzüglich, auch hinten gibt es an Bein- und Kopffreiheit nichts zu tadeln.

Möblierung zum Wohlfühlen

Weil genug „Luft nach oben“ herrscht, dürften die Rücksitze ein paar Zentimeter höher montiert sein. Die hinteren Kopfstützen wären besser abklappbar, um das Sichtfeld im Innenspiegel bei Bedarf verbessern zu können. Ansonsten ist die Rundumsicht gut. Die vorn Sitzenden können sich über 1,51 Meter Kabinenbreite freuen, hinten sind es immerhin noch 1,47m. Der Kofferraum wird mit 660 bis 1605 Liter angegeben. Die Premium-Möblierung zeichnet sich durch edle Materialien und gute Verarbeitung, hübsche Ziernähte und durchgängig weiche, unterschäumte Verkleidungen aus. Wer sich da nicht wohl fühlt, hat selbst Schuld.

Der Verzicht auf Knöpfe und Tasten hätte nicht ganz so radikal ausfallen müssen, denn für Sitzheizung, Spiegel- oder Lenkrad-Einstellung sind herkömmliche Schalter immer noch die beste Lösung. Sie sind stattdessen auf dem mittleren Bildschirm hinterlegt. Die Fahrmodi sowie der Tempomat werden durch den rechten Lenkstockhebel aktiviert. In der üppig dimensionierten Ladeschalte auf der Mittelkonsole finden zwei Smartphones Platz. Es gibt – weitere Analogie zu Nio – auch einen ansprechbaren virtuellen Begleiter, der aber die deutsche Sprache erst noch erlernen muss.

Permanent-Info über Verkehrsdichte

Insgesamt sind Menüführung und Symbolik schlüssig und leicht beherrschbar. Die Navi-Grafik gibt unabhängig von einer etwaigen Routenführung durch Farbcodierung der Straßen Auskunft über Verkehrslage und –dichte. Das übliche Arsenal an Assistenz-Systemen ist an Bord, lediglich die Verkehrsschild-Erkennung erwies sich im Test als anfällig für Leseschwäche. Verbesserungs-Potenzial ist auch bei der Klimasteuerung zu erkennen, denn sie liegt ebenfalls im Monitor-Menü und die Ausströmdüsen lassen sich nicht manuell verschließen.

Der G9 von Xpeng hinterlässt im Alltagstest einen positiveb Eindruck. Foto: Axel F. Busse

Dank 800-Volt-Technik ist der G9 ein ausgesprochener Kurz-Lader. An der 300-kW-Säule soll im Idealfall ein Befüllen des Akkus von 10 auf 80 Prozent in 20 Minuten möglich sein. Im Test errechnete das Bordsystem bei 100 Prozent Füllstand eine Reichweite von 570 km. Im Schnitt lag der Testverbrauch bei rund 20 kWh/100 km. In 6,3 Sekunden soll der Sprint auf 100 km/h gelingen, der Testwagen erreichte statt 200 km/h (Datenblatt) sogar 207 Stundenkilometer (GPS-Messung).

Das kommode Fahrgefühl genügt ohne Zweifel Premium-Ansprüchen, lediglich die etwas synthetisch ansprechende Lenkung könnte etwas mehr Direktheit vertragen. Das Geräuschniveau in der Kabine wurde bei 100 km/h mit knapp mehr als 60 dB gemessen, was zum entspannten und bequemen Gesamteindruck passt. Das überdurchschnittliche Potenzial der XPeng-Produkte hat offenbar auch Volkswagen erkannt und sich mit fünf Prozent an dem Unternehmen beteiligt. Es sollen gemeinsam zwei elektrische Mittelklasse-Fahrzeuge entwickelt werden.

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