VW Polo: Digital auf den Spuren des Käfers

Kleinwagen erstmals mit Erdgas

VW Polo: Digital auf den Spuren des Käfers
Der VW Polo klettert erstmals über die Vier-Meter-Marke © VW

VW führt den Polo in die sechste Generation. Der Kleinwagen erhält dank des Modularen Querbaukastens viel Vorschusslorbeeren mit auf dem Weg zur 20-millionsten verkauften Einheit.

Von Thomas Flehmer

Eigentlich dürfte alles klar sein. Seit 1975 befindet sich der VW Polo auf den Straßen und fand in den vergangenen 42 Jahren mehr als 14 Millionen Liebhaber – allein die fünfte und letzte Generation des Kleinwagens wurde über 4,2 Millionen Mal verkauft.

Doch seit der Einführung der bald abgelaufenen Variante im Jahr 2009 hat sich die automobile Welt gewandelt wie zuvor nur das Computer-Segment, das sich alle halbe Jahre erneuert. Fahr-Assistenzsysteme, digitale Vernetzung, alternative Antriebe bilden die neuen Parameter, die im Laufe der vergangenen Jahre von der Oberklasse den Weg in die unteren Segmente gefunden haben und nun auch die ab Ende September erhältliche sechste Auflage des Polos beglücken, die dem klassenhöheren Golf recht nah auf die Pelle rückt.

Griff ins Baukasten-Regal

Dank des im Volkswagen-Konzern angesiedelten Modularen Querbaukasten-Systems (MQB) konnten sich die Ingenieure auch beim Kleinwagen im Konzern-Regal bedienen und den Polo sinnvoll bestücken. Elf Assistenzsysteme wie der Adaptive Abstandstempomat (ACC), der Totwinkel-Warner oder die Multikollisionsbremse und Verkehrszeichenerkennung hielten Einzug in den Polo. Dadurch entwickelt sich das Fahren nicht nur sicherer, sondern auch angenehmer.

Denn der Abstandstempomat – mit einem Preis von 250 Euro nicht einmal teuer - hält sich auf der Autobahn den Vordermann vom Leib. Ein Spurhalte-Assistent würde die Autobahnfahrt noch sicherer machen und den Polo zum Teilautonomen verwandeln, doch wird auf den Assistenten verzichtet, da er laut VW von den Polo-Kunden nicht gewünscht wird. Sollte sich das Verhalten ändern, könnte der Griff in den MQB schnelle Abhilfe schaffen.

Active Info Display debütiert im VW Polo

Der VW Polo klettert erstmals über die Vier-Meter-Marke
Das Cockpit des Polo ist komplett neu gestaltet VW

Welche Wertschätzung der Polo innerhalb des Konzerns einnimmt, wird bei der Premiere des neuen Acitve Info Display deutlich, das zuerst im Polo verbaut wird. Über die Diagonale von 11,7 Zoll kann der Fahrer auf seinem Instrumentenboard die hochauflösenden Grafiken wie Navi direkt vor sein Auge zaubern. Eine spezielle „View“-Taste am Lenkrad erlaubt den schnellen Zugriff auf das Info Display, das individuell mit den jeweils gewünschten Anzeigen bestückt werden kann.

Neben den Fahrassistenzsystemen hielten auch die Vernetzung und Konnektivität Einzug in den Kleinwagenklassiker, der natürlich auch hier vom Modularen Infotainment Baukasten profitierte. Ältere Smartphones haben bei der Ankopplung keine Chance mehr, aktuelle kommen in den Genuss von Apple Car Play oder Android Auto sowie die Spiegelung auf den bis zu acht Zoll großen HD-Monitor, dessen Rückfahrkamera gestochen scharfe Bilder in den Innenraum schickt und das Einparken zum Kinderspiel macht. Wer Wert auf ein wenig Style legt, kann sich sein Fahrzeug mit diversen Dekorelementen selbst einrichten und bunter gestalten als es ein Polo jemals war – das Harlekin-Modell aus den 90er Jahren mal außen vorgelassen.

Drei Dreizylinder zum Marktstart

Der VW Polo klettert erstmals über die Vier-Meter-Marke
Auch das Kofferraumvolumen des Polo ist gewachsen VW

Die Vorteile können alle in gut konturierten Sitzen genossen werden, die genügend Kontur verleihen. Dank eines um gleich 9,2 Zentimeter gewachsenen Radstandes können auch die hinten sitzenden Insassen jegliche Mäkeleien vergessen. Überhaupt spielt Größe ein Thema beim neuen Polo. Der Kofferraum legte von 280 auf 351 Liter zu und erreicht fast schon Golf-Maße. Das ganze Auto selbst wuchs in der Länge um 8,1 Zentimeter. Mit nunmehr 4,05 Metern kletterte der Polo erstmals über die Vier-Meter-Marke und ist damit länger als so mancher Golf-Veteran.

Drei Dreizylinder stehen zum Marktstart zur Verfügung, bis zum Jahresende folgen sechs weitere Triebwerke, darunter die neue VW-Allzweckwaffe 1.5 TSI mit Zylinderabschaltung sowie der GTI mit 200 PS. Und natürlich darf zu Beginn der Erdgasoffensive des Mehrmarken-Konzerns ein TGI-Dreizylinder mit 90 PS nicht fehlen.

Kleiner Turbo völlig ausreichend

Bis dahin müssen sich die Interessenten noch mit den beiden Saugern mit 65 und 75 PS sowie ein Turbo mit 70 kW/95 und jeweils einem Liter Hubraum begnügen. Der ein Liter große TSI macht dabei seine Sache sehr ordentlich. Der Sprint ist in moderaten 10,8 Sekunden abgeschlossen, die Höchstgeschwindigkeit von 187 km/h reicht vollkommen aus. Auf der Autobahn bewegt sich der 1.0 TSI auch in hohen Geschwindigkeitsbereichen sehr souverän und erinnert nur durch seinen etwas rauen Klang daran, dass Fahrer und Beifahrer in lediglich einem Dreizylinder sitzen.

Das Fahrwerk agiert ebenso souverän und hat sich dem Längenwachstum angepasst. Die fünf Gänge lassen sich gut einlegen, die Lenkung agiert direkt – mehr braucht man/frau nicht. Selbst der später folgende 115 PS starke Dreizylinder mit Doppelkupplung muss nicht unbedingt sein. Rund 4,4 Liter sollen innerhalb von 100 Kilometern durch die Schläuche fließen.

VW Polo ab 12.975 Euro

12.975 Euro ruft VW für seinen neuen Klassiker aus, der nur noch als Viertürer ausgeliefert wird. Der Basis-Polo mit 65 PS avanciert zum Lockvogel. Bereits 17.200 Euro müssen für den kleinen Turbo investiert werden. Je nach Ausstattungsvariante, Individualisierungsgrad oder auch der Bestückung mit Fahrassistenzsystemen schnellt der Preis dann in Richtung der 20.000 Euro, was bisher für die Kundschaft noch nie ein Hinderungsgrund war.

So wird sich der Polo in seiner sechsten Auflage in Richtung der 20-Millionen-Marke aufmachen und somit dem VW Käfer gefährlich nahe kommen. Das Urgestein aus Wolfsburg wurde von 1938 bis 2003 in 65 Jahren über 21,5 Millionen Mal verkauft. Keine Frage, dass der Polo diese Marke knacken wird – zur Not mit der Generation sieben.

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Thomas Flehmer
Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

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