Die Neuauflage des VW Golf GTI ist seit dem vergangenen Sommer auf dem Markt. Weshalb der Kompaktsportler so beliebt ist, zeigt unser Test.
Sportlich und alltagstauglich – seit mehr als 40 Jahren und vielen Generationen meistert der Golf GTI diesen nicht immer ganz leichten Spagat in besonders überzeugender Weise. Wohl auch deshalb hat er nicht gerade wenige Fans.
Das gleichzeitig mehr Dynamik als auch Nutzwert möglich sind, beweist die im Sommer 2020 gestartete Neuauflage auf Basis der achten Golf-Generation. Sie ist eine vergnügliche, solide wie niveauvolle Allzweckwaffe fast ohne Schwächen, die sich für Urlaubsfahrt, Einkauf, Kurvengaudi und Vollgas-Etappen bestens eignet.
Design nicht übertrieben sportlich
Optisch überzeugt die achte GTI-Generation mit ihrer fein austarierten Balance gegensätzlich anmutender Ansprüche an Neuzeit und Legende. Da wären zum einen klassische GTI-Insignien, die so dezent wie markant bleiben und zusammen mit den typischen Power-Accessoires wie Spoiler, Diffusor oder Schweller eine kraftmeiernde, doch keineswegs übertrieben protzige Wirkung entfalten. Neben Retro-Charme und Understatement vermittelt der Wolfsburger Wolf im Schafspelz außerdem den Eindruck, technisch weit vorne dabei zu sein.
Verantwortlich dafür sind neben den Zielflaggen-LEDs in der unteren Schürze noch seine feinen Matrixscheinwerfer, Wischblinker oder der auf volle Breite durchgehende, feine Lichtstreifen zwischen Kühlergrill und Motorhaube.
Sitzbezüge mit Karomuster
Innen übt sich der vielleicht letzte GTI mit Verbrenner-Motor ebenfalls geschickt darum, Alt und Jung zu versöhnen. Den Kult der Baureihe transportieren Sitzbezüge mit Karomuster oder der Schalthebel mit knubbligem Golfball-Profil. Das mag trivial klingen, doch wer in seiner Kindheit das Gewese um den Ur-GTI erlebt hat, wird diese Details durchaus goutieren, um sich anschließend mit dem neuen Bedienkonzept rumzuplagen. Der GTI mit seinen beiden XL-Displays und einer auf ein Minimum reduzierten Zahl an Schaltern ist eben auch ein Smartphone auf Rädern.
Und wie bei Handys, Tablets und anderen vertouchten Gadgets üblich, sind auch hier viele Nutzungs- und Einstellungsmöglichkeiten hinter Menüstrukturen versteckt, deren Inhalte man sich entweder nach „Trial and Error“-Prinzip oder Handbuch-Lektüre erarbeiten muss. Doch reinsetzen und losfahren geht, wie bei den Vorgängern, noch immer einfach und zudem erfreulich gut.
Satter Sound inklusive
Bei aktiviertem Sportmodus, den der Fahrer im Innenraum durch eine vom LED-Ambientelicht erzeugte Rottünchung erkennt, meldet der 2.0 TFSI nach dem Druck auf den Startknopf markant und mit dumpfem Dröhnen seine Fahrbereitschaft. Zusätzlich zu der den Innenraum durchwabernden Klangnote wird auch die Außenwelt aus den beiden Auspuffendrohren auf das Kraftpotenzial eingestimmt – bei zügiger Beschleunigung und spätem Gangwechsel sogar mit Sprotzeln. Der GTI ist nicht ganz so giftig und ruppig wie etwa sein Allrad-Bruder R, doch lässt auch er diesem akustischen Testosteron-Gehabe angemessene Taten folgen. In Zahlen heißt das: 6,4 Sekunden bis 100 km/h sowie maximal Tempo 250, sofern die Autobahn frei ist. War sie nicht, doch immer mal wieder waren wir überrascht zu sehen, wie sich die virtuelle Tachonadel deutlich über 200 km/h bewegte.
Beeindruckend ist auch das Fahrwerk, denn selbst Richtung Höchstgeschwindigkeit lässt der GTI keine Unsicherheit aufkommen. Und trotz der gewissen Verbindlichkeit vermittelt der Unterbau zugleich ein für den Alltagseinsatz mehr als akzeptables Komfortniveau. Ob sich dank der im Detail gegenüber dem Vorgänger optimierten Fahrerwerksabstimmung die von den VW-Ingenieuren versprochenen Zehntelsekunden auf dem Track rausfahren lassen, haben wir nicht überprüft. Es bereitet jedenfalls bereits im Alltag großen Spaß, schneller als andere in Kurven ein- und rauszufahren. Das gutmütige, neutrale Handling des GTI verleitet immer wieder dazu.
Hoher Verbrauch
Leider hat der Spaß auch seinen Preis. Statt eines realitätsnahen WLTP-Werts von 7,4 Liter lag in unserem Fall der Spritkonsum nur denkbar knapp noch auf einstelligen Niveau. Auch beim Kaufpreis ist das Niveau stattlich, denn bereits die Variante mit Handschaltgetriebe will in der Basisausstattung mit 36.555 Euro bezahlt sein.
Im Gegenzug bekommt man neben reichlich Leistung noch eine üppige, doch zugleich auch stark ausbaufähige Ausstattung. Es ist noch keine zehn Jahre her, da machte der Golf R Schlagzeilen, als er mit Vollausstattung die 50.000-Euro-Schallmauer durchbrach. Jetzt könnte man auch mit dem GTI in diese Sphären vordringen, wenn noch große Räder, Adaptivfahrwerk, DSG, Ledersitze und weitere Nettigkeiten dazukommen, werden es sogar auch ein paar tausend Euro mehr.
Dann bekommt man allerdings auch einen technisch anspruchsvollen, geräumigen, absolut alltagstauglichen Alleskönner, der mit seiner dynamischen Würze den Autoalltag in unterhaltsamer Weise allgemein und mit dem Kult vergangener Tage versüßen kann. (SP-X)