VW ID. Buzz: Sympathie muss teuer bezahlt werden

VW ID. Buzz: Sympathie muss teuer bezahlt werden
Der VW ID. Buzz ist optischeanspreched, gerade mit einer Zweifarblackierung. © Mertens

Retro-Design für Hightech-Stromer: Der ID. Buzz elektrisiert auf ganz eigene Weise. Ob der elektrische Bulli-Nachfolger das Zeug zum Verkaufsschlager hat, untersucht unser Praxistest.

Gern üben sich Autohersteller in nostalgisch motiviertem Image-Transfer, wenn automobile Ikonen neu interpretiert werden. So sollte der Beetle vom Ruhm des VW Käfers profitieren oder der aktuelle Fiat 500 von seinem winzigen Vorgänger.

Wer möchte, kann deshalb im ID. Buzz von Volkswagen auch die elektrische Reinkarnation des legendären Bullis erkennen, der heute eher profan als T1 oder T2 bezeichnet wird. Dass der Neuling von Volkswagen rund dreimal so viel wiegt wie der Ur-Bulli, wird billigend in Kauf genommen.

ID. Buzz ist 4,71 Meter lang

Dabei ist der E-Bus noch nicht einmal das längste Auto der ID-Familie. Er misst nur 4,71 Meter und der ID.7 überragt ihn um stolze 25 Zentimeter. Dennoch wirkt der Schiebetüren-Van sehr groß, denn immerhin ist er fast zwei Meter hoch und seine 20-Zoll-Felgen betonen noch die wuchtige Präsenz. Die stark geneigte Frontscheibe hilft zwar bei der Windschlüpfrigkeit, schafft aber eine große Distanz zum Geschehen vor dem Fahrzeug. Da es auch in rückwärtiger Richtung an Übersichtlichkeit mangelt, sind Kameras unabdingbar, die auf dem zentralen Monitor anzeigen, was draußen Sache ist.

Einzeln bestellen kann man sie freilich nicht. Sie sind nur als Teil des 2445 Euro teuren Assistenzpakets „Plus“ erhältlich, was den ohnehin schon nicht ganz billigen Wagen zusätzlich verteuert. Immerhin gehören zum Paket auch Spurhalte- und Parkassistent, automatische Distanzregelung und Innenraumüberwachung mit Alarmanlage.

Ausgedehnte Plastik-Landschaften

Am Cockpit des ID. Buzz wurde viel Plastik verbaut, was man von einem Auto dieses Preises nicht erwartet. Foto: VW

Rund 76.000 Euro kostete der Testwagen und es tröstet nur wenig, dass auch der VW-Bus mit Verbrenner kein wirklich preisgünstiges Auto mehr ist. Was wirklich erstaunt, ist die Tatsache, dass innerhalb der ID-Kabine nur schwer etwas zu finden ist, was den enormen Kostenaufwand plausibel oder wenigstens erträglich erscheinen lässt.

Großflächig verbaute Hartplastikteile an A- und B-Säulen, Armaturenbrett, Türverkleidungen und Ablagen werden auch durch teils genarbte Oberflächen nicht freundlicher. Natürlich kann man, wie beim Testwagen geschehen, gegen Bares den Innenraum etwas aufhübschen. Ob die verfügbaren Interieur-Pakete für vierstellige Summen das herrschende Spar-Ambiente tatsächlich verschönern, müssen letztlich die Kunden entscheiden.

Reichlich Kofferraumvolumen

Nur die Armablagen an den vorderen Türen sind unterschäumt, aber überflüssig, wenn man sich für so ein Paket entscheidet. Die manuell einstellbaren Vordersitze haben dann beidseitig klappbare Armlehnen. Die Kabinenbreite vorn beträgt 1,51 m. In der zweiten Reihe ist etwas mehr Platz (1,58 m) und die Beinfreiheit mehr als auskömmlich. Die elektrischen Schiebetüren sind gut handhabbar, nur lassen sich deren Scheiben leider nicht öffnen. Der Kofferraum fasst 1121 bis 2205 Litern, Platz für Gepäck ist also reichlich. Er kann mit einem Zwischenboden versehen werden, worunter die Ladekabel unauffällig Platz finden. Auch ist die Ladekante mit 63 cm angenehm niedrig.

Beim Parken sollte man stets auf genügend Abstand zum Hintermann achten, da das Aufschwingen der elektrischen Klappe reichlich Platz beansprucht.

Mit genügsamen Verbrauch

Weniger zu kritisieren gibt es an der Fahrdyanmik des ID. Buzz von VW. Foto: Mertens

Der Testwagen war mit einer 82 kWh-Batterie ausgestattet, deren Netto-Kapazität mit 77 kWh angegeben ist. Das soll laut Hersteller nach WLTP-Messverfahren für 420 km Reichweite gut sein. Umso größer das Erstaunen, dass der Testwagen nach mehrstündigem Aufenthalt an der 22-kW-Säule und 100 Prozent Ladung einen Aktionsradius von sogar 450 km versprach. Zuvor war das Fahrzeug hauptsächlich im Stadtverkehr unterwegs, entsprechend häufig konnte rekuperiert werden, was in die Hochrechnung mit einbezogen worden sein dürfte.

Die Verlässlichkeit der Reichweiten-Angaben illustriert eine andere Test-Beobachtung: Während einer Ausfahrt mit überwiegendem Landstraßentempo wurde nach 33 Kilometern Strecke ein Reichweiten-Rückgang von 100 km (also dem Dreifachen) errechnet. Im innerörtlichen Verkehr benötigte der Testwagen um 18 kWh, außerorts waren es zwischen 22 und 24 kWh. Um den Verbrauch im Zaum zu halten, ist die Höchstgeschwindigkeit auf 145 km/h begrenzt.

Lenkung könnte direkter sein

Der Fahrkomfort ist entspannt, der Antritt munter, die Geräuschentwicklung mäßig. Bei 100 km/h wurden in der Kabine um 60 db(A) gemessen. Die Lenkung fühlt sich etwas synthetisch an, lässt aber an Genauigkeit nichts vermissen. Mit Kopfsteinpflaster kann das Fahrwerk nicht so souverän umgehen, wie es wünschenswert wäre: Auf dem besonders in Ostdeutschland häufig anzutreffenden Belag machten sich schon bei unter 30 km/h Poltergeräusche bemerkbar, als deren Quelle die Schiebetüren identifiziert wurden.

Die immer intelligenter werdenden Geschwindigkeits-Regelanlagen haben schon viele Fahrer und Fahrerinnen vor Knöllchen bewahrt. Auch der ID.Buzz besitzt so ein System, das bei nahendem Ortseingangsschild oder einer akuten Tempo-Beschränkung die Geschwindigkeit automatisch auf das erlaubte Limit reduziert.

Geschwindigkeit passt sich an – nach oben

Auf eine Eigenheit des kamera- und radar-gestützten Reglers kann man aber getrost verzichten: Erkennt das System ein Verkehrsschild mit einem höheren als dem vorgewählten Tempo, wird selbstständig beschleunigt.

In der Praxis bedeutet das: Wer auf freier Autobahnstrecke nur 100 km/h fahren möchte, um den Stromvorrat zu schonen, bekommt ohne sein Zutun 20 km/h draufgepackt, wenn eine Geschwindigkeits-Beschränkung auf 120 km/h angezeigt ist. Fällt die Beschränkung, wird nochmals auf 130 km/h Richtgeschwindigkeit erhöht. Das ist zwar nicht nutzerfreundlich, dafür aber lästig.

Klima-Automatik mit Fantasie

Der ID. Buzz von VW ist selbstbewusst eingepreist. Foto: Mertens

Abgesehen von den schon häufig genug kritisierten „Slidern“ für Lautstärke oder Temperaturregelung ist das Infotainment-System durch die Touchscreen-Bedienung einleuchtend und leicht beherrschbar. Lediglich in das Klima-Menü sollte man sich sorgfältig einarbeiten, denn es neigt zu einem gewissen Eigenleben. Der Testwagen überraschte bei jedem Fahrtantritt mit einer ebenso fantasievollen wie selbstständigen Neueinstellung der Klimawerte.

Originell ist dagegen, die Sitzbelegungs-Erkennung, die für die Gurtanlege-Erinnerung gebraucht wird, mit der Startfunktion zu verknüpfen: Hat jemand hinterm Lenkrad Platz genommen, kann es sofort losgehen. Dort, wo sonst der Scheibenwischer-Hebel sitzt, werden Vorwärts-, Rückwärts- und Parkfunktion aktiviert.

Insgesamt ist der ID.Buzz ein genügsamer Begleiter, der mit seinem Stromvorrat sorgsam umgeht und im Alltag bei Passanten auf viel Sympathie stößt. Die Handhabung ist größtenteils unkompliziert und der Fahrkomfort in den meisten Fällen ohne größere Auffälligkeiten. Allein die Innen-Möblierung ist ein wenig zu schlicht und auf Kostenreduktion ausgerichtet, als dass die Wohnlichkeit, die angesichts des stattlichen Anschaffungspreises erwartet werden darf, aufkommen könnte. Wie sich jedoch herausgestellt hat, wissen viele Kunden mit dieser erklecklichen Summe umzugehen und fahren Buzz auf Leasing-Basis.

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