Es hat 13 Jahre gedauert, doch im Juni ist es soweit: Dann rollt die zweite Generation des Volvo XC90 zu den Händlern. Für die Schweden ist es der Beginn einer neuer Ära – die bis zum Jahr 2020 in einer Verdoppelung des Absatzes münden soll.
Von Frank Mertens
Wenn im Juni der neue Volvo XC90 zu den Händlern rollt, dann ist das etwas Besonderes. Schließlich hat es bis dahin 13 Jahre gedauert, bis die Schweden die zweite Generation ihres SUV-Flaggschiffs auf den Markt bringen konnten.
Das ist ein Zeitraum, in der andere Hersteller gleich zwei neue Fahrzeuggenerationen gelauncht haben. Doch bei den Schweden war alles lange etwas anders, vor allem zu der Zeit, als man unter dem Dach von Ford irgendwie keinen Raum bekam, die Marke weiter zu entwickeln. Doch das ist anders, seitdem der chinesische Autobauer Geely bei Volvo eingestiegen ist. Seither genießt man am Firmensitz in Göteborg die Freiheiten und vor allem finanziellen Möglichkeiten, die Marke nach vorn zu bringen.
Neuer Rekordabsatz in 2014
Dass die Schweden sich auf einem guten Weg befinden, zeigt auch das zurückliegende Jahr. Mit weltweit 465.000 abgesetzten Einheiten konnte Volvo einen neuen Absatzrekord aufstellen - und dabei soll es nicht bleiben. Das Langfristziel sieht einen Absatz von 800.000 Fahrzeugen bis zum Jahr 2020 vor.
Auf dem Weg dorthin spielt der neue XC90 eine besondere Rolle. Denn er ist das erste Modell, das auf der neuen skalierbaren Produktarchitektur (SPA) beruht. Dahinter verbirgt sich nicht weniger als eine Vereinheitlichung der Technik, die den Entwicklern und Designern vielmehr Freiheiten bietet und vor allem für Skaleneffekte bei den Kosten sorgt. Bis auf die kleinen Baureihen wird jedes kommende Modell auf dieser dem Modularen Querbauksten (MQB) des VW-Konzerns vergleichbaren Plattform basieren.
Die Modelloffensive der Schweden ist mit dem XC90 eingeleitet, der bis Ende 2018 dann bereits das älteste Fahrzeug im Portfolio sein wird. Entwicklungschef Peter Mertens spricht mit Blick auf den XC90 dann auch davon, dass man an diesem Modell sehen könne, wie "das neue Volvo" ausschaut.
Bereits 16.000 Bestelleingänge
Bei den Kunden scheint das anzukommen. Noch vor dem offizielen Marktstart liegen weltweit 16.000 Vorbestellungen vor, davon allein 2000 in Deutschland. Volvo plant allein für dieses Jahr mit einem Absatz von 50.000 Einheiten für das neue Luxus SUV, dessen Einstiegspreis für den 190 PS starken D4 bei 49.400 Euro beginnt. Von uns gefahren wurde der 225 PS starke Vierzylinder (D5), der mit Allrad und Automatik ausgestattet ist. Der Motor gehört wie alle anderen Aggregate zur neuen Motorengeneration von Volvo, die unter dem Label Drive E laufen und den Abschied von den altbekannten Fünfzylinder-Aggregaten einleiten. Volvo bietet ausschließlich Zweilitermotren mit vier Zylindern an und verzichtet selbst für Märkte wie die USA und China auf einen Sechs- oder Achtzylinder. Der D5, der D4 und auch der 320 PS starke Turbobenziner (T6) sind allesamt laufruhige Motoren mit ausreichend Kraft, ein fast zwei Tonnen schweres Auto wie den XC90 in Bewegung zu setzen.
Allerdings sollte man von ihnen keine allzu sportlichen Eigenschaften erwarten - denn dafür ist das 4,95 Meter lange Luxus-SUV der Schweden auch nicht das richtige Auto. Dafür ist es schlicht zu schwer und bringt mit seinem hohen Aufbau halt auch nicht den Charakter mit, ihn als Kurvenräuber zu missbrauchen. Sein Kerngebiet ist die Langstrecke und das gemächliche und komfortable Cruisen auf der Landstraße. Dafür ist er vor allem in Kombination mit der Achtgangautomatik gemacht, auch wenn man über den Regler in der Mittelkonsole auch unter den Fahrmodi Eco, Komfort, Individual, Offroad auch Dynamik wählen kann. In dieser Stellung wird dann die Kennlinie von Lenkung, Motor und Federung beeinflusst.
Der Sicherheit verschrieben
Aber wie gesagt: der XC90 hat sich nicht der Sportlichkeit verschrieben, sondern mit seinem Fahrwerkssetup (optional gibt es auch Luftfederung) der Bequemlichkeit und insbesondere der Sicherheit seiner Insassen. Schließlich verfolgt man die Vision Zero. Mit ihr will man erreichen, dass bis zum Jahr 2020 kein Insasse eines Volvo mehr bei einem Unfall getötet wird.
Entsprechend bietet der XC90 neben dem Schwedenstahl der Karosserie auch alles auf, was man bislang an Fahrassistenzsystemen kennt - und noch vielmehr. So kommt im XC90 neben dem City-Safety-Notbremssystem mit Fahrradfahrer- und Fußgängererkennung beispielsweise auch eine Spurthalteassistent, ein Staupilot, ein Head-up-Display mit Gefahrenmeldung, ein Totwinkelwarner, ein Ausparkassistent, ein Müdigkeitswarmner, Gurtstraffer und eine adaptive Geschwindigkeitskontrolle zum Einsatz.
Premiere feiert auch der Kreuzungsassistent, der beim Übersehen eines anderes Fahrzeugs beim Abbiegen eine Bremsung einleitet. Angesichts dieser Vielzahl von Fahrassistenzsystemen spricht Entwicklungschef Mertens dann auch zufrieden und selbstbewusst vom "sichersten SUV der Welt". Dass das alles seinen Preis hat, versteht sich von selbst. So kann man seinen individuell aufgehübschten XC90 dann auch locker in Bereiche von 70.000 bis 80.000 Euro bringen - und für ausreichend gute Margen bei Volvo sorgen.
Ein Hauch von Tesla
Doch neben dieser Technik vermag der neue XC90 nicht nur durch seinen wuchtigen Auftritt für Aufsehen zu sorgen, sondern insbesondere durch seinen wertigen Innenraum. Hier gibt es nicht nur wohlkonturierte Sitze mit einer Vielzahl von Einstellmöglichkeiten, sondern auch im Fond verschiebbare Einzelsitze. Und wer möchte, kann den XC90 auch zum Siebensitzer (Aufpreis 1500 Euro) aufrüsten. Diese Investition lohnt sich durchaus - wie eine Sitzprobe in der dritten Reihe beweist. Hier gibt es für Menschen um die 1,80 Meter Körpergröße nicht nur Notsitze, sondern zwei durchaus akzeptable Sitzmöglichkeiten. Der Kofferraum hält übrigens ein Volumen von mindestens 314 bis zu 1868 Liter bereit. So kann der nächste Familien-Urlaub bequem geplant werden.
Wer den ab Herbst auch als T8 Plug-in-Hybrid erhältlichen XC90 mit einer Systemleistung von 400 PS und einem maximalen Drehmoment von 640 Nm ordert, braucht übrigens keine Abstriche beim Kofferraumvolumen machen. Der Volvo-Kunde steht dieser Technik übrigens sehr aufgeschlossen gegenüber. Mehr als zehn Prozent der bisherigen Bestellungen entfallen bereits auf den Plug-in-Hybrid, der mindestens 76.705 Euro kostet und bei einer rein elektrischen Reichweite von 40 Kilometern auf einen Verbrauch von nur 2,5 Litern kommen soll.
"Ich gehe davon aus, dass diese Technologie auch nach dem Markstart auf einen Anteil von über zehn Prozent kommen wird", sagte Mertens. Für den gebürtigen Ostwestfalen, der mittlerweile seit vier Jahren bei Volvo ist, ist der XC90 das erste komplett neue Auto, das unter seiner Verantwortung entstanden ist. Sein Aufschlag ist Mertens gelungen - vor allem auch was das neue Bediensystem in diesem SUV betrifft.
Intuitive Bedienung
Es wird von einem Hochkant-Touchscreen bestimmt, was einen unweigerlich an Tesla erinnert. Nur sieht es hier doch viel wertiger aus. Die Bedienung erscheint zunächst etwas kompliziert - doch der Eindruck täuscht. Denn alle Funktionen des Autos lassen sich statt über Tasten und Knöpfe durch Touch- und Wischbewegungen über vier Kachelmenüs (Navigation, Telefon, Klimaanlage, Musik) ansteuern. Ihren Nationalstolz zeigen die Schweden dann auch selbstbewusst nicht nur durch das Anbringen der Nationalflagge mittels eines kleinen Stickers an der Seitenwange der Vordersitze, sondern auch im Untermenü der Soundeinstellung. Hier kann man die Musik aus der Bowers & Wilkins-Hifi-Anlage so hören, wie in der grafisch dargestellten Göteborger Konzerthalle. Soviel Patriotismus darf schon mal sein.
Wer in Deutschland einen XC90 fahren will, sollte übrigens angesichts der bereits erfolgten 2000 Vorbestellungen nicht allzu lange warten. Denn Volvo Deutschland steht für dieses Jahr nur ein Kontingent von 4300 Einheiten zur Verfügung. Geht der Run auf den XC90 so weiter wie bisher, dann dürfte er bereits zum Marktstart in Deutschland ausverkauft sein. Gut für Volvo, schlecht für den Kunden.