
Für den Pick-up-Klassiker Hilux bietet Toyota zwei neue Varianten: den ersten Mild-Hybriden der Reihe und einen Breitbau mit Diesel pur.
Ginge es allein nach dem Anschein, man müsste bei jedem dritten Auto annehmen, es tauge auch für eine mittelschwere Expedition. Schwarzer Kunststoff an den dicken Backen, ein Hauch von Unterfahrschutz – das Segment derer, denen man die Federbeine langgezogen hat, verzeichnet zweistellige Zuwachsraten. Dabei sehen die meisten Besitzer in einem gekiesten Parkplatz schon die abenteuerlichste aller Offroad-Aktivitäten. Eher nicht bestehen kann man mit Crossover und Co. da, wo Forstarbeiter, Bauleiter oder Teichwirte gerne mal unterwegs sind. Wo die Pfade entweder steinig sind oder gar nicht erst da. An Herausforderungen mit verschränkten Achsen wagt man sich dann doch besser mit einem Raubein…
Für alle, die echt neben der Spur sein wollen oder müssen, hat Toyota die achte Generation des Hilux um zwei Modelle erweitert. Erstmals in der Geschichte der Pritschen-Ikone greift ein 48-Volt-System dem 2,8 Liter großen Vierzylinder Turbodiesel (204 PS) mit 12 kW (16 PS) hilfreich unter die Kolben. Die Abgase reinigt eine Kombination aus Oxi-Kat, Partikelfilter, SCR-Kat und Harnstoff-Einspritzung. Wie alle Hilux Modelle lässt sich auch der Mild-Hybrid mit HVO100-Diesel betreiben, der zu 100 Prozent aus erneuerbaren Quellen gewonnen wird.
Kleiner Akku unter der Sitzbank

Dem Einsatz im Gelände ist Stromes Stütze kein bisschen abträglich. Der E-Generator sitzt weit oben am Motor, eine Aramid-Schicht im Antriebsriemen hält auch nasser Umgebung stand, und der Lithium-Ionen-Akku (4,3 Ah) zwängt sich unauffällig unter die hintere Sitzbank. Das Resultat der elektrischen Aufrüstung sind kaum wahrnehmbarer Schub beim Anfahren und bis zu fünf Prozent weniger Spritverbrauch. Dazu trägt auch die Reduzierung der Leerlaufdrehzahl von 720 auf 600 Umdrehungen pro Minute bei. Selbst Kleinstvieh macht eben Mist. Dennoch schmerzt das Auto mit bis zu 280 Gramm CO2 je 100 Kilometer in der europäischen Abgas-Bilanz gewaltig – aber weltweit gesehen ist der Hilux nun mal eine Bank. Mehr als 27 Millionen Exemplare haben die Japaner seit 1968 abgesetzt. Ein zuverlässiger Begleiter, den man braucht, weil er nützlich ist – nicht, um damit anzugeben.
Schlamm und Chic müssen aber nicht unbedingt Gegensätze sein, haben sie sich bei Toyota gesagt und beim Top-Modell GR Sport II nicht bloß auf Diesel pur gesetzt, sondern auch auf deutlich breitere Spur für noch dickere Backen. Da fällt dann schon auf, dass da mit 5,33 Metern Länge und zwei Metern Breite ein ordentliches Trumm steht. Kollateralnutzen des Radstandes von 3,09 Metern: Die kurzen Karosserieüberhänge sehen nicht bloß gut aus, sondern helfen dank größerer Böschungswinkel (30 Grad vorne, 26 Grad hinten) im Gelände. Die 180-Grad-Wende gerät mit 12,80 Metern zum raumgreifenden Unterfangen. Allerdings ist der Hilux ja auch ein Lkw – wenn auch einer mit fünf Sternen im NCAP-Crashtest.
Der GR Sport II macht sich breit
Drinnen hat’s vorne wie hinten reichlich Platz – und schick eingerichtet haben sie den Wagen auch. Dass untenrum Hartplastik dominiert, stört allenfalls den Connaisseur. Immerhin lässt sich so leichter wischen, wenn’s mal richtig dreckig zuging. Es gibt konturierte Sitze, Cockpit-Display samt Touchscreen, Sound-System, Rückfahrkamera – und eine Armada elektronischer Assistenten wacht über den sicheren Weg. Einen größeren Verstellbereich für das Lenkrad hätte man allerdings schon erwartet. Auch das Navi zeigt sich gelegentlich träge, und bei Schrittgeschwindigkeit springt die Anzeige früh auf Parkwarnung um. In unbekanntem Terrain den richtigen Abzweig zu finden, kann da nervig werden.
Der GR Sport II kommt zusätzlich mit breiteren Querlenkern, modifizierter Hinterachse, Einrohr-Dämpfern und allerlei sportlicher Zierrat – von der Alu-Pedalerie über Schaltwippen bis zur rot abgesetzten Zwölf-Uhr-Marke am Lenkrad. Ein bisschen soll man schon sehen, wie erfolgreich das Motorsportteam Toyota Gazoo Racing mit dem Modell bei der Rallye Dakar und in der Rallye-Raid-WM schon war. Da vergisst man fast, dass man vor gut zwei Quadratmetern Ladefläche herfährt. Zumal der üppige und durchaus komfortable Innenraum der Doppelkabine eher an den Aufenthalt in einem SUV erinnert. Wem da die gründliche Weichspülung schwant – keine Sorge: Achtern bleibt es trotz Lifestyle-Anspruch bei blattgefederter Starrachse und ordentlich Nutzlast. Oben drauf dürfen bis zu einer Tonne, hinten dran bis zu dreieinhalb. Da darf’s dann auch mal die ganz große Fuhre sein. Das ESP ist für alle Fälle vorbereitet.
Auf Knopfdreh Kraft nach vorne
Ohne groß von sich hören zu lassen, gibt der Selbstzünder mächtige 500 Nm Drehmoment an die Sechs-Stufen-Automatik weiter. Wer will schon von Hand sortieren, wenn man mit vier Rädern dort unterwegs sein muss, wo man sich mit zwei Beinen schon schwertut? Einstellige Verbrauchswerte lassen sich unter derlei Voraussetzungen schlicht nicht erreichen. Immerhin wollen bei ordentlicher Ausstattung knapp 2,4 Tonnen bewegt sein. Dass der Tank 80 Liter fasst, hat Gründe.
Über normale Straßen lässt sich der Hilux bequem per Heckantrieb bewegen. Erst auf Knopfdreh wird die Kraft dann zusätzlich nach vorne gereicht. Selbst mit der gewöhnlichen Hinterachse neigt sich der Pick-up in schnellen Kurven nicht zu sehr aus dem Lot – und für ausreichend Verzögerung sorgen ordentliche Scheiben. Auch in Sachen Lenkung schlägt sich der Schlechtwegerich mehr als achtbar. Feine Linie geht mit derlei Fahrwerk nun mal schwer, allzu zügiges Geschlängel gehört aber auch nicht zur Kernkompetenz.
Mild-Hybrid mit sechs Fahrprogrammen
Abseits des Asphalts allerdings liegt des Hilux’ wahres Terrain. Da wühlt er, dass es eine Freude ist. Sperre, Kriechgang, Gas – fertig ist der Vortrieb. Noch feiner geht die Abstimmung im Mild-Hybriden, der zusätzlich mit sechs Fahrprogrammen für diverse Untergründe aufwartet. Mag es unwegsam oder matschig sein, hoch oder runtergehen – bei 31 Zentimetern Bodenfreiheit und 70 Zentimetern Wat-Tiefe darf einiges an Ungemach unter die bis zu 18 Zoll großen Räder kommen. Mit dem Hilux ist nicht Ende Gelände – hier ist erst der Anfang. Angenehm selbst für hartgesottene Offroader: Sogar bei übelster Verwindung im Gelände ist der Power-Pritsche kaum ein Knarzen zu entlocken.
Zu haben ist Toyotas Neuzugang in Deutschland ausschließlich als Doppelkabine mit vier Türen und fünf Sitzen. Das freut die Fahrgäste, geht aber zu Lasten der 48 Zentimeter hohen Cargobox. Die Ladefläche von 1,55 Meter Länge und 1,53 Meter Breite (1,10 Meter zwischen den Radkästen) mag im Arbeitsalltag prima taugen, beim Transport längerer Fracht wird’s aber schon knapp.
Die Trittbretter des neuen Mild-Hybriden darf man ab 54.335 Euro (45.660 netto) erklimmen, für den GR Sport II ruft Toyota mindestens 65.580 Euro (55.110 netto) auf. Das ist nicht wenig Geld – und trotzdem glauben sie in Köln, dass künftig jeder zehnte Hilux hierzulande ein GR Sport II sein wird. Wer etwas mehr aufs Budget achten muss: Der handgeschalte Hilux ohne 48-Volt-Technik beginnt bei 46.386 Euro (38.980 netto), der 2,4-Liter-Diesel 150 PS) mit Automatik bei 47.469 Euro (39.890 netto). Serienmäßig ist indes das Gefühl, nichts und niemand könne den Hilux aufhalten. Go anywhere, sagen sie bei Toyota gerne. Fahr, wohin du willst. Klingt nicht nach Übertreibung.