Der schmale Weg bis zum Weingut Montechiari ist knapp zwei Meter breit. Äste streicheln Flanken und Dach des großen Ssangyong Rexton. Doch der Härtetest kommt noch.
So ungefähr müsste sich ein Wal in einer Badewanne fühlen. Aber der Härtetest kommt noch. Hält das Design des rund 4,90 Meter langen SUV der einmaligen Kulisse, der gelassenen Schönheit der toskanischen Hügellandschaft stand? Denn nicht jedes Auto sieht hier automatisch vorteilhaft aus.
Der Ssangyong Rexton, der zum Jahreswechsel in der mittlerweile vierten Generation aufgelegt wurde, zieht sich mit seiner ruhigen, tatsächlich eleganten Silhouette gut aus der Affäre. Und das, obwohl wenige Meter entfernt ein Lancia-Cabriolet des legendären Karosseriebauers Superleggera steht.
Rexton kostet mindestens 31.000 Euro
Mag der Klassiker auch italienisches Lebens- und Formgefühl in Reinkultur ausstrahlen, der ab 31.000 Euro erhältliche Rexton kann in diesem Augenblick mit einem wichtigen Stück Alltagstauglichkeit punkten. Hat man den Keyless-Go-Schlüssel in der Jackentasche, die entsprechende Option gebucht und platziert sich hoffnungsvoll – beispielsweise beladen mit Wein- und Olivenölkisten – am Heck, öffnet sich die Klappe einladend zu maximal 1.977 Litern Ladevolumen. Das lässt bei einem Italientrip keine Ausreden bezüglich fehlendem Stauraum für lukullische Mitbringsel zu.
Man könnte sich auch dem berechtigten Ingrimm der Winzer aussetzen, in dem man den Allradantrieb mit Geländeuntersetzung dazu schaltet, um den normalerweise über die Hinterachse bewegten Rexton durch die Weinberge pflügen zu lassen. Er könnte das vermutlich ebenso gut wie ein Land Rover oder Toyota ähnlicher Konfiguration. Aber das verbietet sich natürlich und so steuert man den doch leicht schwankenden Koreaner über den Asphalt. Aber zur nächsten Weinlese darf man sich anmelden, denn der Rexton kann mit seiner üppigen Zuglast von 3,5 Tonnen, unter anderem dank des klassischen Leiterrahmens, nicht nur Pferde und Boote ziehen, sondern auch mühelos mit Trauben oder Oliven beladene Anhänger.
Ein angenehmer Reisegefährte
Auch, wenn man nicht gerade verbotene Abenteuer im Sinn hat, ist dieser Geländewagen ein angenehmer Reisegefährte. Der ausschließlich sowohl für den Fünf- wie Siebensitzer erhältliche 2,2-Liter-Diesel hat mit den über zwei Tonnen, die er bewegen muss, keinerlei Probleme. Die 7-Gang-Automatik mit Wandler von Mercedes-Benz ist zwar nicht so spritzig wie Frizzante und der mit gut acht Litern angegebene Verbrauch eher ein Vorschlag, aber zum Entschleunigen durch eine Sehnsuchtskulisse und für das ruhige Dahinrollen auf der wuseligen Autostrada mit 130 km/h-Begrenzung völlig ausreichend.
Die Gangart belohnt mit einem guten Panoramablick. Der Ausblick wird zusätzlich befördert durch die optionale 360-Grad-Kamera, mit der man den präzise lenkbaren Koloss zwar nicht behände wie einen Cinquecento durch Altstadtgassen manövriert, aber zumindest auch nicht unangenehm aneckt. Der eher eigenwillig kantige Auftritt des Koreaners gehört sowieso längst der Vergangenheit an. Ähnlich wie beim neuen Pick-up Musso, der auf der gleichen Plattform basiert, spendierte Ssangyong eine umfassende Wellnesskur für den Innenraum mit hochwertig anmutendem Lederersatz in der Serie, britisch wirkendem, gesteppten Rautenmuster, Holzleisten und kaschiertem Plastik, das jetzt wirklich den feineren Namen Kunststoff verdient.
Belüft- und beheizbare Sitze
Man entsteigt den belüftbaren und natürlich beheizbaren Sitzen auch nach Stunden mit lockerem Rücken. Die Smartphone-Anbindung ist ebenso selbstverständlich wie das große 9,2-Zoll-Display. Serienmäßig sind digitale Cockpitanzeigen gleichermaßen an Bord wie Fahrassistenzsysteme; So wird ein Rexton-Käufer beispielsweise für Notbremsassistent, Spurverlassenswarner oder Fernlichtassistent nicht extra zur Kasse gebeten. Unser Exemplar wurde in der höchsten Ausstattungsstufe Sapphire zur Verfügung gestellt und klopft damit selbstbewusst an der 50.000-Euro-Klasse an. In den Tiefen des Menüs haben die koreanischen Entwickler ihren Spieltrieb ausgelebt: Im Bordcomputer stellen sie fünf unterschiedliche Blinkergeräusche zur Wahl. Darunter Grillenzirpen, das einige italienische Vertreter der Art vor Rätsel gestellt haben dürfte.
Mit dem Rexton in Italien unterwegs ist auch der kleine Ort Cambiano nahe Turin ein naheligendes Ziel: Der Mahindra-Konzern als indische Mutter von Ssangyong hat vor einigen Jahren die italienische Designschmiede Pininfarina gekauft. Dort, wo einst kostbare Ferraris wie der Dino entworfen wurden, sollen auch Ssangyongs von der Handschrift des Stile Italiano profitieren.
In Form gebracht
Noch hält man sich bedeckt, denn man will edle Sportwagenkunden nicht verscheuchen. Aber durchaus möglich, dass der erste der vollelektrischen Koreaner, der voraussichtlich 2020 debütieren wird, von dem Maßschneider in Form gebracht wird. Italienisches Design wäre kein Novum für die Marke mit dem Doppeldrachen im Emblem, schon die erste Rexton-Generation sowie das SUV Korando wurden von Giugiaro gezeichnet und das SUV Tivoli von I.D.E.A.
Anders als die Japaner haben die Koreaner offenbar keine Schwellenangst, sich Design-Knowhow von Europa zu holen. Man denke nur an Peter Schreyer, der zur Verblüffung vieler 2006 von VW als Designchef zu Hyundai und Kia wechselte und freie Hand bekam, um asiatische Schablonen zu sprengen. Danilo, ein junger Pininfarina-Designer, der zuletzt in China gearbeitet hat, schwärmt vom koreanischen Entscheidungsdrang, der in starkem Kontrast zur japanisch-insularen Vorsicht und zur immer wieder verblüffenden chinesischen Kopierfreude steht. Klug ist diese Konzernstrategie schon, denn Ssangyong expandiert in Europa und bereitet sich darauf vor, auch die nord- und südamerikanischen Märkte aufzurollen. (SP-X)