Mit dem neuen Rolls Royce Phantom ist es BMW gelungen, sein Luxusmodell für die Reichen und Schönen vom schnöden Fahrzeugpöbel abzugrenzen. Woran sich das ausmachen lässt, erklärt Stefan Grundhoff.
Der Automobilmarkt dümpelt trotz beachtlicher Wirtschaftszahlen träge vor sich hin. Die Branche proklamiert trotz zahlreicher neuer Modelle bereits die nächste Flaute und potenzielle Kunden können sich nach dem Kaufrausch Ende des Jahres nicht so Recht nicht für einen fahrbaren Untersatz entscheiden. Eine Marke wie Rolls Royce berührt all das wenig. Wer sich für einen mindestens 385.000 Euro teuren Phantom entscheidet, der ist in vielfacher Hinsicht dieser Welt entrückt. Selbst Kursschwankungen der unangenehmeren Art sorgen kaum für schlaflose Nächte. Da ist es vor der Fahrt zu einem der vier deutschen Rolls-Händler schon eher die gewünschte Staffage die Interieurs, die für Spannung sorgt. Die Konkurrenz in der 400.000-Euro-Liga ist bekanntermaßen dünn. Wie unwürdig selbst Fahrzeuge der Oberklasse gegen einen Rolls Royce erscheinen wird deutlich, als ein 7er BMW die südliche Auffahrtsallee zum Schloss passiert.
Das erste gemeinsame Kind
Zwischen 7er BMW und Rolls Royce Phantom liegen Welten - und auch wieder nicht. Seit ein paar Jahren ist die britische Nobelmarke fest in bayrischer Hand und der Phantom ist das erste gemeinsame Kind. Der Erstgeborene ist ein Zögling der besonderen Art. Mit seiner Länge von 5,83 Metern, dem 21 Zoll großen Radsatz oder dem beängstigenden Edelstahlkühlergrill erscheint er auf der einen Seite groß und übermächtig. Andererseits trägt er grazile Elemente wie die weltbekannte Kühlerfigur Spirit of Ecstasy, kurz Emily. Sie ist nicht nur für kriminelle Kühlergrill-Schänder die Krone ihres Seins. Wer im Straßenverkehr eine Emily zu sehen bekommt ahnt, dass sich dort etwas Exterritoriales seinen Weg bahnt. Selbst die königliche Hofgarde könnte einen Phantom nur kläglich aufhalten.
Luxus mit Einschränkungen
Anders als Mercedes-Benz ist es BMW deutlich besser gelungen, sein Luxusmodell für die Reichen und Schönen dieser Welt vom schnöden Fahrzeugpöbel abzugrenzen. Ähnlichkeiten zwischen hüben und drüben wie bei Mercedes S-Klasse und Maybach sucht vergebens. Niemand auf dieser Welt verwechselt 7er BMW und Phantom. Die wenigen Similaritäten liegen im Verborgenen, geschützt von schwerem Leder, dunklen Holzeinlagen und endlosen Dämmmaterial. Dass ist der Garant dafür, dass keinerlei Geräusche in den opulent ausgeschlagenen Innenraum dringen. Sind die gegenläufig öffnenden Türen einmal geschlossen, rauscht die Welt allzu unwirklich an einem vorbei. Wer sich das Einerlei des Straßenverkehrs nicht mit ansehen möchte, bedient intuitiv einen der drei Schalter im Dach. Elektrisch und selbstverständlich geräuschlos schließen sich die drei Gardinen und verdunkeln den Innenraum zu einem heimeligen Refugium. Dass man angesichts des 3,47 Meter langen Radstandes nicht nur eine bequeme Rückbank, sondern auch voll elektrische Wohlfühlsessel nach Art des Maybach erwarten könnte, sei hierbei nicht nur am Rande erwähnt. Zumindest serienmäßig gibt es weder ausfahrbare Beinauflagen noch elektrische Kopfstützen oder eine Sitzlüftung. The Queen is not amused.
Stattdessen sieht sich Rolls in erster Linie seiner Tradition verpflichtet. Besonders der Chauffeur, seit langem bewährtes und verschwiegenes Familienmitglied, sieht sich im Volant gleichermaßen mit dem gestern und heute auseinandergesetzt. Das tiefschwarze und unvergleichlich dünne Lenkrad erinnert einen auf den ersten Griff an die gute alte Zeit, in der Autofahren noch etwas für die elitäre Oberschicht war. Die mit exklusivsten Hölzern ausstaffierte Armaturentafel lässt einen kaum vermuten, in einem Fahrzeug des dritten Jahrtausends Platz genommen zu haben. Starter, Licht und Lüftungsdüsen lassen sich wie annodazumal bedienen. Wer einen der mittig angeordneten Metalldrücker nach hinten presst, sorgt zumindest bei Unkundigen für einen Aha-Effekt. Einem James-Bond-Streifen gleich schwingt die Analoguhr wie von Geisterhand nach hinten und wird durch einen Navigationsbildschirm der neuesten Gattung ersetzt.
Unvergleichlich dezent
Wenig derart Überraschendes gibt es vom Triebwerk zu berichten. Akustisch nicht zu vernehmen und unvergleichlich dezent verrichtet unter der gefühlt meterlangen Motorhaube ein Zwölfzylinder reinsten Wassers seinen Dienst. Angesichts von über 6,7 Litern Hubraum könnte die Leistungsausbeute eindrucksvoller sein. 338 kW / 460 PS begeistern in Zeiten aufgeladener Luxuslimousinen und potenter Sportwagen kaum jemanden. Und wenn man es nicht besser wüsste, hätte man Zweifel dem Rolls Royce sein maximales Drehmoment von 720 Nm zuzugestehen. Durch Aluminiumkarosserie und zahlreiche Leichtbauelemente wiegt der Phantom nur 2,5 Tonnen. Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass die Höchstgeschwindigkeit 240 km/h beträgt und dass der Hecktriebler in beachtlichen 5,9 Sekunden die Tempo-100-Marke passiert. Durchschnittlich soll sich der Phantom mit 15,9 Litern SuperPlus begnügen. Sein CO2-Ausstoß liegt bei 385 g/km.
Wer in einem Phantom unterwegs sein darf kann nur berichten, dass die im britischen Crewe zusammengebaute Luxuslimousine wie eine Sänfte über die Unwägbarkeiten des Straßenalltags hinwegschwebt. Größere Fahrbahnunebenheiten kennt man allenfalls aus der Zeitung oder von den Erzählungen seines Fahrers. Jener wird mehr als einmal erwähnt haben, dass der Rolls kein Vergleich zu seinen Vorgängern wie zum Beispiel dem zuletzt in Eigenregie entstandenen Silver Seraph ist. Der ellenlange Insulaner stellt den Komfort erwartungsgemäß über alles. Die besonders weich schaltende Sechsstufenautomatik hat daher ebenso ihren Anteil wie das weiche, aber nicht zu schwammige Fahrwerk.
Kleiner Bruder angekündigt
Der Rolls Royce Phantom ist ein fahrbarer Untersatz, der einen zum Träumen zwingt. Das ist bei seinen Insassen nicht anders als beim Ehepaar am Nymphenburger Schloss, die sich vom Phantom gar nicht mehr trennen mochten. Auch die vorbeijoggende Polizeisportabteilung erweist dem eleganten Königsmobil indirekt seine Aufwartung. Sie vermisst einen zu ermahnen, dass man verkehrt herum in der Einbahnstraße steht.
Diese Sonderbehandlung können sich schon bald auch die ärmeren Reichen leisten. Bis zum Jahre 2009 will BMW einen kleinen Bruder des Phantom auf den Luxusmarkt bringen - zu Preisen zwischen 200.000 und 300.000 Euro, wie man am Nymphenburgen Schloss hört.