Dem komfortablen Espace stellt Renault mit dem Rafale ein sportliches Pendant zur Seite. Mit Vollhybrid und später auch als Stecker-Version.
Vor einem Jahr noch hätten sie sich bei Renault vermutlich gewünscht, ihre Marketingstrategie wäre nicht bis ins Allerletzte aufgegangen. Dass die Weltpremiere eines Wagens, der übersetzt Windstoß heißt, beinahe einem mittleren Orkan zum Opfer fiel, war dann doch fast zu viel des renommierten Namens. Erdacht wurde der einst bei Renault, berühmt gemacht indes hat ihn der französische Kampfflugzeug-Hersteller Dassault. Nun also darf der Jüngste im Zeichen der Raute so heißen wie der legendäre Jet. Und ähnlich pfeilschnell sieht er aus.
Jahre habe Renault daran gearbeitet, die Marke mit ihren Wurzeln zu verbinden, hatte Konzernchef Luca de Meo in Le Bourget geschwärmt – nun endlich folge die Verknüpfung mit ihren Träumen. Und so wird es künftig zwei Flaggschiffe geben bei Renault: den komfortablen Raumgleiter Espace, der den Platz schon im Namen trägt – und den Rafale als Markenbotschafter in Sachen Design und Sportlichkeit. Das SUV-Coupé reckt stolz seine Rhombus-Nase, beeindruckt mit breiten Schultern, kurzen Überhängen, 20 Zoll großen Rädern – vor allem aber mit einem wunderbar schnittigen Heck, das so weit nun wirklich nicht von einem Leitwerk entfernt ist.
Elektrisch dimmbares Glasdach
Der beste Platz ist – selbstverständlich – der des Piloten. Hier wird nicht gesessen, hier residiert man. Gerne unter einer Überkopfverglasung, die ihresgleichen sucht. An Größe und an Technik. Gedimmt wird schließlich nicht profan über ein Rollo, sondern elektrisch mittels polymerer Kristalle. Das Cockpit wird von zwei Zwölf-Zoll-Bildschirmen dominiert – der flache über dem Lenkrad und das stehende Multi-Media-Display in der Mitte verschmelzen zu einem spiegelverkehrt liegenden „L“ mit 774 Quadratzentimetern. Auf Wunsch wirft ein Head-up-Display alles Wissenswerte an die Scheibe.
Schließlich verkörpert auch der neue Rafale, was Renault unter automobilem Anspruch versteht: viel Liebe zum Detail und ein Hauch Finesse. Konturierte Alcantara-Sitze vereinen Komfort und Sicherheit, für die extravagante und komplett lederfreie Umgebung sorgen Schiefer, getönter Kork und eine Armauflage, die an den Schubregler eines Flugzeugs erinnert. Für die makellos gesteppten Zierstiche, gerne auch in den Farben der landeseigenen Trikolore, haben die Franzosen extra eine Nähmaschine mit drei Köpfen angeschafft.
Allerdings geht rund um den Kommandostand Design leider mitunter vor Funktion. Eine Mittelkonsole in Mauerstärke sieht zwar imposant aus, blockiert aber gerne mal den Ellbogen beim schnellen Lenkeinschlag. Auch eine vollwertige Zeiger-Variante für Tempo und Drehzahl hätten die Renault-Ingenieure durchaus ins digitale Cockpit programmieren dürfen. Dafür lässt der Rafale selbst bei höherem Tempo erfreulich wenig von sich hören.
Viel Platz auch in zweiter Reihe
Dank 2,74 Metern Radstand bleibt auch in zweiter Reihe ordentlich Platz. Hinterbänklern fordert das Design nur beim Einstieg eine kleine Verbeugung ab, innen angekommen kann man hoch erhobenen Hauptes sitzen. Wer lieber Last transportiert als Leute – der Rafale packt 627 Liter weg, mit geklapptem Gestühl sogar 1,9 Kubikmeter. Wem das nicht reicht: Bis zu 1,5 Tonnen dürfen hinten noch an den Haken.
In Sachen Elektrifizierung wählt Renault – anders als beim Espace – den doppelten Weg. Für die Hybrid-Version schließen sich ein 130 PS starker 1,2-Liter-Dreizylinder und zwei E-Motoren (50 und 25 kW) zu 200 PS Systemleistung an der Vorderachse zusammen. Dabei dient der stärkere dem Antrieb, der schwächere sorgt als Starter-Generator für den Wechsel der Fahrstufen. Inklusive Leerlauf sortieren sich damit vollautomatisch 15 Antriebskombinationen, die den Verbrauch auf Diesel-Niveau senken und gut 1100 Kilometer Radius erlauben sollen.
Offiziell verspricht Renault einen Verbrauch von 4,7 Litern. Im Stadtverkehr, heißt es, ließen sich trotz der nur 1,7 kWh fassenden Batterie bis zu 80 Prozent aller Wege rein elektrisch zurücklegen. Bei einer Testfahrt über Land und keineswegs im Safety-Car-Modus standen am Ende 5,6 Liter auf der Anzeige. Da kann man nicht meckern. Ansonsten gilt wie bei jedem Auto: Wer sich zügelt, kommt am Ende weiter. Auch deshalb wird der Rafale bei Tempo 174 elektronisch eingebremst.
Plug-in-Version mit Allradantrieb und 300 PS
Obendrein offeriert Renault zum Ende des Jahres eine Version mit 300 PS, die an der Vorderachse mit denselben Komponenten operiert, hinten jedoch einen zusätzlichen E-Motor bietet – allerdings als Plug-in-Version daherkommt. Zum Preis, zur Kapazität der Batterie und damit auch zur rein elektrischen Reichweite hält sich Renault noch bedeckt, verspricht allerdings ordentlich Fahrspaß.
Womöglich lohnt das Warten ja, denn das 200-PS-Modell bleibt in Sachen Vortrieb doch ein wenig hinter dem optischen Anspruch zurück. Fairerweise ist die allzu flotte Fahrt nicht die Kernkompetenz eines Hybriden, aber wer beim Anblick auf Überflieger macht, darf durchaus etwas zügiger durchstarten. Dass aus dem Stand immerhin nach 8,9 Sekunden die dritte Stelle der Tachoanzeige leuchtet, liegt auch eher nicht am automatisierten Multi-Mode-Getriebe, sondern am vergleichsweise moderaten Gewicht von rund 1,7 Tonnen.
Wendekreis auf Clio-Niveau
Abgestimmt ist der Wagen ausreichend straff, aber dennoch nicht unkomfortabel. Jede Menge Pluspunkte gibt es für die Allrad-Lenkung (nicht bei der Basisausstattung). Sie sorgt für hohe Agilität und hält auch bei zügiger Bogenfahrt der Drang Richtung Tangente in stets beherrschbaren Grenzen. Kollateralnutzen für die City: Die mitlenkenden Räder reduzieren den Wendekreis auf Clio-Niveau von 10,40 Metern. Zusammen mit der präzisen, aber um die Nullstellung ein bisschen synthetisch wirkenden Lenkung ergibt das einen guten Mix für die gepflegte Tour und den kleinen Kurvenhunger zwischendurch. Dafür nimmt man sogar das etwas sehr unrund geratene Volant in Kauf.
Sicherheit wird im Rafale großgeschrieben. Je nach Ausstattung wacht eine Armada von bis zu 32 Assistenten. So wahrt Renaults Jüngster Tempo und Abstand, beachtet Kreisverkehre, leuchtet per LED-Matrix tief in die Nacht, späht in Querverkehr und tote Winkel – und wirft im Notfall den Anker. Selbstständig parken kann der Wagen auf Wunsch natürlich auch.
„Der Rafale ist das Herzstück der Renaulution und symbolisiert unseren Aufstieg in die Oberklasse“, sagt Renault-Chef Fabrice Cambolive nicht ohne Stolz. Und natürlich hat derlei Anspruch seinen Preis – auch wenn das Modell nicht in Frankreich, sondern im spanischen Palencia vom Band läuft. Die wuchtigen Türen öffnen sich ab 43.800 Euro, bei „Rafale mit allem“ bringt man auch locker eine Fünf nach vorne. Das ist nicht wenig Geld – im Gegenzug aber eben auch eine ganze Menge Auto.