Renault Megane E-Tech: Spätstarter mit Erfolgsgenen

Kompaktes Elektro-Modell

Renault Megane E-Tech: Spätstarter mit Erfolgsgenen
Renault bringt einen großen Bruder für den Zoe auf den Markt: den Megane E-Tech Electric. © Renault

Es hat gedauert, aber nun hat auch Renault mit dem Megane E-Tech Electric einen kompakten Stromer. Er hinterlässt beim ersten Test einen starken Eindruck.

Laurens van den Acker hat in seinen nun fast elf Jahren als Designchef von Renault schon viele Autos gezeichnet. Dazu gehören der Clio, Captur oder auch die Zoe. Aber kein Auto liegt ihm so am Herzen wie der Renault Megane E-Tech Electric. „Es ist ohne Frage mein wichtiges Auto. Ich bin richtig stolz darauf“, sagt van den Acker bei der Fahrpräsentation des neuen Stromers in Marbella.

Dass Renault erst jetzt mit dem elektrischen Megane auf den Markt kommt, kann durchaus als Verspätung gewertet werden. Schließlich gehörten die Franzosen 2013 mit dem Renault Zoe zu den Vorreitern bei der E-Mobilität. Über die zurückliegenden Jahre führte die Zoe immer mal wieder die Verkaufslisten in Europa an – und bei den Pkws schob man im Vorjahr den Twingo electric als weiteren Stromer nach. Doch gerade im volumenträchtigen Kompaktsegment hatte Renault kein Angebot. Bis jetzt.

Konkurrenz zum VW ID.3

Entsprechend hoch ist die Bedeutung des Megane E-Tech für die Wachstumsziele des Autobauers, der unter seinem neuen Vorstandschef Luca de Meo nach Rekordverlusten im Vorjahr endlich wieder in die Gewinnzone zurückgekehrt ist. Von daher verwundert es vielleicht auch nicht, dass Renault sich Zeit gelassen hat mit der Einführung des Megane E-Tech. Der erste Wurf muss sitzen. Schließlich tummelt sich in diesem Segment auch der VW ID.3 – den die Renault-Verantwortlichen auch als ihren Hauptkonkurrenten ausgemacht haben.

Das Cockpit des Renault Megane E-Tech mit dem großen Mitteldisplay. Foto: Renault

Doch anders als die Wolfsburger haben sich die Franzosen entschieden, ihr neues E-Modell nicht mit einem neuen Namen in den Kampf um Marktanteile zu schicken. Man hält bewusst an dem Namen Megane fest. „Er steht für eine Tradition, für Werte, die die Kundinnen und Kunden mit der Marke verbinden“, so van den Acker. Von daher habe man keinen Grund gesehen, sich für einen neuen Namen zu entscheiden.

Versprechen gehalten

Dass man bei der Entwicklung des Megane auch auf die Stärken und Schwächen des Hauptkonkurrenten geschaut hat, versteht sich von selbst. Schließlich will man seinen Kundinnen und Kunden ab Sommer dieses Jahres ein konkurrenzfähiges Angebot machen. Dass es konkurrenzfähig ist, daran besteht für den Designchef kein Zweifel. „Dieses Auto hält, was es von außen verspricht“, ist der Niederländer überzeugt, der seit 2009 bei dem französischen Autobauer ist und seit vergangenem Jahr das Design für alle Marken der Renault-Gruppe (Renault, Dacia, Alpine) verantwortet.

Doch hält der Stromer wirklich das, was van den Acker mit seinen lobenden Worten in Aussicht stellt? Der Niederländer verspricht nicht zu viel. Von außen überzeugt der Megane mit dynamisch gezeichneten Formen, kurzen Überhängen und einer Lichtgrafik, die mit ihren schmalen LED-Leuchten an Front und Heck wirklich schick ist. Hier zeigt sich viel Liebe zum Detail.

Liebe zum Detail

Der setzt sich auch im Innenraum fort. Dort, wo der ID.3 und auch sein größerer Bruder ID.4 mit einer schlichten Innenraumgestaltung aufwarten, setzt Renault u.a. durch großflächige Displays für Akzente. Blickfang ist der je nach Ausstattung bis zu 30,5 Zentimeter hochformatige Multimediamonitor, der mit dem Zentraldisplay eine Einheit bildet und eine Fläche von 774 Quadratzentimetern aufweist (Serie ab Ausstattungsvariante Techno). Über das Touchscreen lassen sich alle wesentlichen Funktionen intuitiv aufrufen.

Wie mittlerweile üblich, lässt sich Android Auto oder Apple CarPlay übers Smartphone ins Auto holen. Und Google Maps inklusive einer guten Sprachsteuerung tun ihr übriges. Für das Smartphone wurde die induktive Ladeschale übrigens direkt unter dem Monitor angebracht. Damit liegt es in ergonomisch optimaler Position – und in direkter Griff- und Blickrichtung der Fahrerin oder des Fahrers. Es sind diese kleinen Details, die zu einem positiven Gesamteindruck beitragen.

Ausreichend Platz im Fond

Der setzt sich bei dem gerade einmal 4,20 Meter langen Megane E-Tech auch im Innenraum fort. Er bietet selbst Großgewachsenen im Fond gute Platzverhältnisse. Trotz seiner abfallenden Dachlinie bietet der Megane bei einer Höhe von 1,50 Meter ausreichend Koppfreiheit. Wer einmal im Megane Platz genommen hat, der weiß, was van den Acker unter Designaspekten damit meint, wenn er sagt, dass dieses Auto hält, was es verspricht.

Doch Aussehen ist das eine, Fahreigenschaften und Effizienz bei einem E-Auto das andere. Doch von einem Hersteller, der zu den Vorreitern bei der E-Mobilität gehört und bisher 400.000 E-Autos verkauft hat, kann ausreichend Know-how erwartet werden. So weist das im Unterboden des Megane verbaute Batteriepack nur eine Höhe von elf Zentimetern auf, was für einen niedrigen Schwerpunkt sorgt und gut Fahreigenschaften verspricht.

Bei den Batterien hat Renault bisher nur zwei Größen im Angebot. Eine mit 40 kWh und 60 kWh. Unser Testwagen war mit dem größeren Akku unterwegs, der den Elektro-Motor mit einer Leistung von 218 PS angetrieben hat. So motorisiert kann man in dem Megane bis zu 160 km/h schnell fahren – und das auch ausgesprochen sportlich. Für den Sprint auf Tempo 100 braucht der Stromer 7,4 Sekunden.

Mittelweg aus Komfort und Sport

Doch allzu sportliche Ambitionen sollte man mit Blick aufs Fahrwerk nicht haben. Die Franzosen haben sich für einen Mittelweg aus ausreichender Straffheit und Komfort entschieden. Es dürfte genau das sein, was sich der Käufer eines solchen Modells verspricht. Wer indes die etwas dynamische Fahrweise schätzt, der würde sich selbst im Sportmodus etwas mehr Straffheit wünschen.

Zwar versprechen die Entwickler mit Blick auf die Lenkung einen kürzeren Lenkeinschlag als bei der Konkurrenz, doch so richtig bemerkbar machte sich das bei den Testfahrten nicht. Aber das dürfte zu den Dingen gehören, die das Gros der Kunden ohnehin nicht zu sehr interessiert. Für sie zählt vielmehr die Reichweite und die Effizienz. Während die Reichweite bei der Topmotorisierung mit großer Batterie bei 450 Kilometer liegt, sind es bei der Variante mit 131 PS 20 Kilometer mehr.

Effizient unterwegs

Und wie schaut es mit dem Verbrauch aus? Der wird mit 16,1 kWh/100 km für unseren Testwagen angeben. Ein Wert, der durchaus realistisch ist, auch wegen der guten Rekuperation. Die kann in vier Stufen über die Schaltpaddel am Lenkrad bestimmt werden.

Bei unseren Fahrten durch das hügelige Hinterlande von Marbella entlang der zu dieser Jahreszeit noch touristenarmen Costa del Sol zeigte der Bordcomputer 15,5 kWh an – ein wirklich guter Wert für ein Auto dieser Klasse. Ist der Akku leer – was auch bei einem Auto mit einem derart niedrigen Verbrauch irgendwann passiert – stehen je nach Ausstattungsvariante Ladeleistungen von bis zu 130 kW.

Wer mit so viel Ladeleistung unterwegs sein will, der muss bei der Auswahl genau hinschauen. Denn in der Preisliste wird zwischen „Standard Charge“, „Boost Charge“ und „Optimum Charge“ unterschieden. Übersichtlichkeit, so viel sollte man den Produkstrategen mit auf den Weg geben, sieht anders aus. Wie dem auch sei: Das Einstiegsmodell mit der 40 kWh-Batterie (35.200 Euro/mit Förderung 25.630 Euro) lädt höchstens mit 4,6 kW. Das bedeutet eine Ladezeit von bis zu 10:40 Stunden an der Wallbox. Man kann mit der kleineren Batterie auch mit bis zu 85 kWh laden, doch das lässt sich Renault mit 1900 Euro Aufpreis vergüten. Wer die große Batterie mit 130 kW kauft, der braucht an einem entsprechenden Schnelllader 1:14 Stunden für die Vollladung. Dann werden indes auch 41.700 Euro vor Abzug der Prämie fällig.

Lieferzeiten bis drittes Quartal

Die Reichweite des Renault Megane E-Tech Electric beträgt bis zu 470 Kilometer. Foto: Renault

Wer indes in den Genuss der vollen Kaufprämie von 9570 Euro kommen will, der sollte sich mit der Bestellung des ab Sommer auf dem deutschen Markt erhältlichen Megane E-Tech Electric aber beeilen. Wer jetzt ein Auto bestellt, der muss darauf wohl angesichts der langen Lieferzeiten wegen der anhaltenden Chipkrise bis zum dritten Quartal gedulden, wie Deutschland-Chef Markus Siebrecht sagt. Der Manager verspricht sich dann auch einen Absatzschub von dem neuen Stromer. „In einem vollen Jahr erwarten wir einen Absatz von 18.000 bis 20.000 Einheiten.“

Der Megane E-Tech Electric ist ein Auto, mit dem sich die Franzosen bei der E-Mobilität gut aufgestellt sehen, um auch den ein oder anderen Kunden zu erreichen, der sich sonst für ein Produkt aus Wolfsburg entschieden hätte. Kein Wunder, schließlich hält er das, was er verspricht.

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Frank Mertens
Nach dem Studium hat er in einer Nachrichtenagentur volontiert. Danach war er Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche.

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