Der Renault Kangoo ist spätestens nach seiner Auffrischung im letzten Jahr den viel teureren Kompakt-Vans auf die Pelle gerückt. Trotz neuer Plattform kann der Hochdachkombi seinen Ursprung aus dem Segment der Nutzfahrzeuge nicht verbergen.
Der Billige ist des Preiswerten Feind. Weil seit 2012 das Low-Budget-Modell Dacia Dokker das untere Ende in Renaults Hochdachkombi-Portfolio bildet, haben die Franzosen den Kangoo ihrer Hauptmarke zuletzt noch mal ordentlich aufgewertet. Nicht nur deswegen hat sich der Fünfsitzer längst als ernstzunehmende Alternative zu den weit kostspieligeren Kompakt-Vans gemausert. Einige Macken aus seinen Ursprüngen als Nutzfahrzeug hat er aber behalten.
Gefälliges Interieur des Renault Kangoo
Von denen ist beim Einstieg spätestens seit der Modellpflege im Mai 2013 zunächst aber nichts zu bemerken. Zuerst fällt das großzügige Raumangebot auf allen Plätzen auf; selbst auf der Rückbank ließe sich Hut tragen. Dafür, dass man sich dabei trotzdem nicht wie in einem Transporter, sondern eher wie in einem Loft fühlt, sorgt die durchaus gefällige Innenausstattung.
Zwar dominiert hier auch nach dem Lifting immer noch harter Kunststoff, Instrumente und Bedienelemente sind aber so hübsch drapiert und zusammengestellt, dass die nüchterne Materialauswahl gar nicht mehr groß auffällt. Als willkommener Farbtupfer fungiert das seit Mai als Option angebotene Infotainment-System R-Link, das über einen handygroßen Bildschirm auf dem Armaturenbrett sogar einen Online-Zugang bietet (590 Euro Aufpreis).
Renault Kangoo auf Megane-Plattform
Wer die älteren Generationen des Kangoo oder seiner Konkurrenten gewohnt ist, dürfte die positive Überraschtheit auch nach Fahrtantritt noch wahren. Denn dass die aktuelle Generation auf der Plattform des kompakten Mégane ruht, und nicht mehr die des Kleinwagens Clio nutzt, macht sich sofort bemerkbar. In Sachen Komfort ist der Abstand zu Vollpreis-Vans wie Renault Scénic oder VW Touran zwar noch vorhanden, aber spürbar gesunken.
Wer nicht gerade über Kopfsteinpflaster fährt, kann sich über übermäßiges Rütteln oder Klappern nicht beschweren. Kurven nimmt der recht hohe Kangoo naturgemäß etwas verhalten, das Gefühl, demnächst mit einem trockenen "Kloing" umzukippen kommt aber nicht auf. Lediglich die französisch-gefühllose Lenkung und das anstrengende Geräuschniveau bei hohem Tempo sind hier zu kritisieren.
Nutzfahrzeug-Gene des Renault Kangoo erkennbar
Wenig zu bemängeln gibt es auch beim Motor. Der 66 kW/90 PS starke 1,5-Liter-Diesel gibt im Kangoo den ehrlichen Arbeiter und bietet bei niedrigen und mittleren Drehzahlen einen deutlich besseren Durchzug als die alternativ angebotenen Benziner. Beim Überholen oder auf Autobahn-Steigungen erreicht er aber schnell seine Grenzen. Und Verbrauch sowie Geräuschentwicklung steigen nicht zuletzt wegen des Fünfganggetriebes auf schneller gefahrenen Passagen unangenehm an. Im Schnitt gibt sich der Kangoo mit knapp sechs Litern zufrieden – ein akzeptabler Wert.
Dass es sich beim Kangoo trotz des mittlerweile Pkw-ähnlichen Charakters im Kern um die aufgewertete Version des Lieferwagens Kangoo Rapid handelt, merkt man allerdings immer noch an einigen Details. Zum Beispiel lassen die seitlichen Schiebetüren erkennen, dass bei der Entwicklung die Bedürfnisse von Familien in Konkurrenz zu denen von Handwerkern standen. So macht die Öffnungs-Mechanik zwar einen stabilen Eindruck, sie ist aber zu hakelig und verlangt nach relativ hohem Kraftaufwand.
Renault Kangoo ab 16.850 Euro
Die hohen Schweller in Kombination mit der vergleichsweise großen Bodenfreiheit machen den Ein- und Ausstieg für kleinere Kinder schwierig. Und auch die Grundvariabilität des Gestühls kann mit der eines modernen Vollpreis-Vans nicht ganz mithalten. So lassen sich die Fondsitzbank zwar zu bündig im Boden versenken, aber nicht längs verschieben. Immerhin sind die Lehnen bereits in der Basisvariante geteilt umlegbar.
Letztlich werden die Nachteile aber über den günstigen Preis ausgeglichen. 16.850 Euro werden für die – zugegeben mager ausgestattete - Basisversion mit dem 78 kW/106 PS-Benziner fällig, wer weitere 1100 Euro investiert hat aber das Wichtigste an Bord. Bei dem gefahrenen Diesel startet die Preisliste mit 18.550 Euro, eine ordentliche Ausstattung ist dann aber schon dabei. Von den 8990 Euro die die Tochter Dacia für den – optisch ähnlichen, aber technisch nicht verwandten – Dokker verlangt, ist man damit zwar weit entfernt. Dafür erhält man mit dem Kangoo das komfortablere und modernere Auto. Und dass der Kangoo-Preis recht fair ist, sieht man auch am Mercedes Citan. Der kostet trotz weitgehend identischer Technik mit dem gleichen Dieselmotor und weniger Ausstattung ab 21.277 Euro – so viel wie ein vollwertiger Kompakt-Van. (SP-X)