Renault Espace: Siebensitzer mit Luft nach unten

Renault Espace: Siebensitzer mit Luft nach unten
Kürzer und flacher als der Vorgänger, aber trotzdem mit üppig Platz: der neue Renault Espace.

Ein Raumgleiter wandelt sich zum SUV. Platz hat’s im neuen Renault Espace dennoch reichlich. Für Vortrieb sorgt ein Dreizylinder-Vollhybrid.

Man kann hinter Strategien und Modellpolitik Mancherlei vermuten – eines aber tun Autobauer ganz sicher nicht: Autos bauen, die hintennach keiner kauft. Wenn also die halbe Welt nach Fahrzeugen verlangt, denen man die Federbeine langgezogen hat, wären die Hersteller verdammt schlecht beraten, solche nicht in Massen von den Bändern rollen zu lassen. Und so fährt jeder vierte Neuwagen durch die Republik, als sei schon die Fahrt zum Supermarkt eine Expedition. Diesen Trend mag mancher bedauern, ihm nicht zu folgen wäre aber wohl kein allzu gutes Geschäftsmodell. Dass ein rollender Hochsitz nebenbei ordentliche Margen beschert, ist ein für die Hersteller erfreulicher Kollateralnutzen.

Dieser Logik fällt nun der Renault Espace zum Opfer. Jedenfalls in seiner ursprünglichen Form. Der ehemalige Raumgleiter, der Platz schon im Namen trägt, wandelte sich beim Vorgängermodell bereits zum Crossover – in sechster Generation nun ist der Wandel zum SUV abgeschlossen. Auf einer Plattform, die unter anderem auch den Rauten-Reihen Austral und Rafale die Basis bietet. Das, was den Geist der Großraumlimousine seit Mitte der 1980er-Jahre ausmachte, ist mit dicken Plastikbacken und 18 Zentimetern Luft nach unten endgültig Geschichte. Immerhin: Beengt geht es auch in dem Sportnützling nicht zu.

Zum identischen Preis als Fünf- und Siebensitzer

Ohne Aufpreis gibt’s eine dritte Reihe. Als Kind ist man dort allerdings klar im Vorteil. Foto: Renault

Stolz reckt der Espace seine Rhombus-Nase in die Höhe, beeindruckt mit breiten Schultern, kurzen Überhängen und bis zu 20 Zoll großen Rädern. Mit 4,72 Metern Länge fällt er zwar 13 Zentimeter hinter seinen Vorgänger zurück und duckt sich in der Höhe um gute drei Zentimeter auf 1,65 Meter – dennoch hat’s vorne wie hinten rund fünf Zentimeter mehr Kopffreiheit und dank 2,74 Metern Radstand auch in zweiter Reihe ordentlich Platz vor 581 Litern Laderaum. Wer die Beinfreiheit hinten nicht braucht, kann die Lehne 22 Zentimeter nach vorne schieben und das Gepäckabteil auf 777 Liter vergrößern – mit geklapptem Gestühl fasst der Espace sogar 1,8 Kubikmeter. Wem das nicht reicht: Bis zu 1,6 Tonnen dürfen hinten noch an den Haken.

Ganz ohne Aufpreis gibt’s Renaults Flaggschiff übrigens auch als Siebensitzer. Achtern ist man als Kind zwar klar im Vorteil – im Zweifel gilt aber selbst für leicht gestauchte Insassen: Lieber schlecht gesessen als gut gelaufen. Hinter die dritte Reihe passen immerhin noch 159 Liter, maximal packt der Espace mit versenkter Bestuhlung gute 1,7 Kubikmeter hinter die elektrische Heckklappe. Zusätzliche 39 Liter Stauraum finden sich an praktischen Ablagen, davon 20 im Bereich von Cockpit und Vordersitzen.

Der beste Platz ist ohnehin vorne links. Hier wird nicht gesessen, hier residiert man. Gerne unter einer Überkopfverglasung, die mit 1,33 x 0,84 Metern ihresgleichen sucht. Das Cockpit wird von zwei Zwölf-Zoll-Bildschirmen dominiert – der flache über dem Lenkrad und das stehende Multi-Media-Display in der Mitte verschmelzen zu einem spiegelverkehrt liegenden „L“ mit 774 Quadratzentimetern. Auf Wunsch wirft ein Head-up-Display alles Wissenswerte an die Scheibe.

Gepflegte Fahrt mit Liebe zum Detail

Reicihlich Raum, zwei große Bildschirme und viele Ablagen – so präsentiert sich das Interieur. Foto: Renault

Schließlich verkörpert auch der neue Espace, was Renault unter automobilem Anspruch versteht: nicht zuvörderst Leistung, Allradantrieb und Sportlichkeit, sondern gepflegte Fahrt mit viel Liebe zum Detail und einem Hauch französischer Finesse. Doppelt gesteppte Ziernähte, sauber verarbeitete Materialien und eine Armauflage, die an den Schubregler eines Flugzeugs erinnert. Und per Google kann man mit dem Neuen sogar sprechen.

Allerdings geht rund um den Kommandostand Design leider auch mal vor Funktion. Eine Mittelkonsole in Mauerstärke sieht zwar imposant aus, blockiert aber gerne mal den Ellbogen beim schnellen Lenkeinschlag. Auch eine vollwertige Zeiger-Variante für Tempo und Drehzahl hätten die Renault-Ingenieure durchaus ins digitale Cockpit programmieren dürfen. Dafür lässt der Espace auch bei höherem Tempo erfreulich wenig von sich hören. Ganz nebenbei: Die Chance auf ein gewärmtes Gesäß würde man sich serienmäßig auch für die Basisversion wünschen.

Während jedoch andere Hersteller in Sachen SUV-Elektrifizierung auf Plug-in-Modelle oder gleich reinen Batterieantrieb gesetzt haben, schwört Renault auf klassische Hybrid-Technik ohne Stecker. Im neuen Espace schließen sich ein 130 PS starker 1,2-Liter-Dreizylinder und zwei E-Motoren (58 und 28 kW) zu 199 PS Systemleistung an der Vorderachse zusammen. Dabei dient der stärkere dem Antrieb, der schwächere sorgt als Starter-Generator für den Wechsel der Fahrstufen. Inklusive Leerlauf sortieren sich damit vollautomatisch 15 Antriebskombinationen, die den Verbrauch auf Diesel-Niveau senken sollen. Echte Selbstzünder indes sind selbstredend nicht mehr im Angebot.

Auf Wunsch mit Allradlenkung

Mit 4,72 Metern Länge packt der Espace bis zu 1,8 Kubikmeter Ladung hinter die steile Heckklappe. Foto: Renault

Dass der Espace zügig vorankommt und aus dem Stand in 8,8 Sekunden die dritte Stelle der Tachoanzeige erleuchtet, liegt eher nicht am automatisierten Multi-Mode-Getriebe, sondern am vergleichsweise moderaten Gewicht von knapp 1,7 Tonnen. Allerdings ist die allzu flotte Fahrt ohnehin nicht die Kernkompetenz eines Hybriden, sondern eher der Stadtverkehr. Für die Rekuperation stehen je nach persönlicher Vorliebe vier Stufen zur Verfügung. Apropos City: Die Allradlenkung (nicht für die Einstiegsvariante) reduziert den Wendekreis auf Clio-Niveau von 10,40 Metern. Dafür nimmt man sogar das etwas sehr unrund geratene Volant in Kauf.

Abgestimmt ist der Wagen durchaus komfortabel, aber dennoch nicht sänftig. Dank der aufwändigen Hinterachse hält sich auch bei zügiger Bogenfahrt der Drang Richtung Tangente in stets beherrschbaren Grenzen. Zusammen mit der präzisen Lenkung ergibt das einen guten Mix für die gepflegte Tour und den kleinen Kurvenhunger zwischendurch. Ansonsten gilt wie bei jedem Auto: Wer sich zügelt, kommt am Ende weiter. Auch deshalb wird der Espace bei Tempo 174 elektronisch eingebremst.

Bis zu 32 Assistenzsysteme

Offiziell verspricht Renault einen Verbrauch von unter fünf Litern und bei 55 Litern Tankinhalt eine theoretische Reichweite von fast 1200 Kilometern. Im Stadtverkehr, heißt es, ließen sich trotz der nur 1,7 kWh fassenden Batterie bis zu 80 Prozent aller Wege rein elektrisch zurücklegen. Bei unserer Testfahrt über Land standen am Ende 5,8 Liter auf der Anzeige. Da kann man nicht meckern.

Assistenz gibt es reichlich. Je nach Ausstattung wahrt Renaults Jüngster Tempo und Abstand, beachtet Kreisverkehre, leuchtet per LED-Matrix tief in die Nacht, späht in Querverkehr und tote Winkel – und wirft im Notfall den Anker. Selbstständig parken kann der Espace auf Wunsch natürlich auch.

Das alles hat seinen Preis. Auch wenn die sechste Generation nicht mehr in Frankreich, sondern im spanischen Palencia vom Band läuft. Die wuchtigen Türen öffnen sich ab 43.500 Euro, bei „Espace mit allem“ bringt man auch eine Fünf nach vorne. Das ist nicht wenig Geld – im Gegenzug aber eben auch eine ganze Menge Auto.

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