In den USA sind Pick-Ups ein Bestseller, in Deutschland eine Randerscheidung. Geht es nach Stellantis, soll sich das ändern. Deshalb bringt der Konzern den RAM 1500 nach Europa.
Sechs Meter lang, zwei Meter breit, zwei Meter hoch, fünf Sitze und eine üppige Ladefläche: amerikanischer als der Ram 1500 kann ein Auto kaum sein. Bereits seit 1917 stellten die Dodge-Brüder „Light Trucks“ her, sie gelten daher als Erfinder des Genres. Dodge ging zusammen mit Jeep in der Chrysler-Group auf, die heute der einzige nordamerikanische Ableger von Stellantis ist. Die Light Trucks mit Namen Ram werden seit 2009 als eigene Marke geführt.
Der Ram 1500 ist der Einzige, der den Weg nach Europa gefunden hat – und das bereits in der nunmehr fünften Generation. „In ganz Europa wurden in diesem Jahr rund 8000 Trucks verkauft“, so Eric Laforge, Europachef von Ram, Dodge und Jeep, „und drei Viertel davon dieser Fahrzeuge sind von uns.“
Bisherige Versuche gescheitert
Die Zuversicht, mit der die Ram-Verantwortlichen wie Matt Huber, bei Ram in Michigan für die Produktplanung verantwortlich und extra zur europäischen Präsentation des Trucks nach Italien angereist, ist durchaus in Zweifel zu ziehen. Sind bisher doch alle Versuche, diese in Amerika äußerst beliebte Fahrzeugkategorie auf den alten Kontinent zu bringen, gescheitert. Der unbestrittene Marktführer Ford F 150 ist in Europa nicht regulär erhältlich und für kleinere hiesige Entwürfe wie den VW Amarok oder die Mercedes X-Klasse hielt sich die Begeisterung der Jäger, Pferdebesitzer oder Handwerker in so engen Grenzen, dass die Produktionen eingestellt wurden oder in Kooperationen mit anderen Herstellern aufgegangen sind.
Die aktuelle, fünfte Generation des Ram 1500 kommt abgespeckt daher. Dies gilt nicht für das Gewicht, das bei rund 2,5 Tonnen blieb, aber unter der Haube sind lediglich sechs Zylinder vorgesehen, der legendäre Hemi V8 entfällt. Dafür performt zunächst ein einziger Sechszylinder-Benziner, „Hurricane“ genannt, mit 3,0 Litern Hubraum in zwei Leistungsstufen (420 oder 540 PS) und bläst seine Fans mit einem Drehmoment von 635/707 Nm vorwärts. Mit der Leibesfülle des Ram haben diese Kraftwerke keinerlei Probleme, sie schleppen auf Wunsch auch noch eine Tonne Nutzlast sowie Anhänger mit bis zu 3,5 Tonnen hinter sich her.
Hoher Verbrauch
Die üppige Leistung muss natürlich an der Tankstelle bezahlt werden, der WLTP-Verbrauch liegt bei schmeichelhaften 13,1 Litern auf 100 Kilometern für beide Aggregate. Bei der Testrunde huschten allerdings häufig auch Momentanzahlen jenseits der 40 l/100 km über das Display des Bordcomputers. Wohl auch für diese Ausreißer gibt es einen geräumigen Tank mit 89 oder 125 Litern Fassungsvermögen.
Noch in diesem Jahr folgt als Einstiegsmotorisierung ein 3,6-Liter Mild-Hybrid-V6 Benziner, der sich mit 305 PS und einem maximalen Drehmoment von 365 Nm bescheiden muss. Als ökologisches Feigenblatt steht auch eine vollelektrische Variante für das dritte Quartal 2025 in den Startlöchern. Ram verspricht für diese REV genannte Version eine 168-kWh-Batterie mit 800-Volt-Technik, die mehr als 560 Kilometer Reichweite haben soll. Binnen zehn Minuten sollen 177 Kilometer Reichweite geladen werden können, in Sachen Anhänge- und Nutzlast (6,3 und 1,2 Tonnen) versprechen die Amerikaner Spitzenwerte. Kleiner Nebeneffekt: Weil der große Motorraum nicht mehr gefüllt werden muss, erhält der Elektro-Ram vorne einen zusätzlichen Kofferraum – Frunk genannt – von satten 425 Litern Größe.
Preise starten bei 62.000 Euro
Doch das ist Zukunftsmusik, aktuell zu fahren waren im Fiat-Testcenter in Balocco bei Mailand die beiden Sechszylinder-Benziner in den für Europa vorgesehenen Versionen Tradesman, Big Horn, Laramie, Rebel, Limited Tungsten und RHO. Die Preise für den Pick-up beginnen bei 62.000 Euro und enden bei etwa 95.000 Euro. In den Basisversionen macht der Ram 1500 keinen Hehl aus seiner Nutzfahrzeug-Herkunft, bei etwas mehr Invest wird das Fahrzeug einem Pkw immer ähnlicher. So ziert ein riesiges Zentraldisplay die Mitte des Armaturenbretts und zeichnet für das gesamte Fahrzeug- und Unterhaltungsmanagement verantwortlich, das dem einer Oberklasse-Limousine in nichts nachsteht.
In den höheren Ausstattungen kommt noch ein eigenes Display für den Beifahrerplatz hinzu, alle wesentlichen Informationen lassen sich zudem auf dem Fahrerbildschirm hinter dem Lenkrad ablesen. Mit an Bord hat der Ram 1500 alle zeitgemäßen Assistenzsysteme wie Side- und Park-Assist, einen Abstandstempomaten oder die Verkehrszeichenerkennung. Ein besonders gefälliges Feature für alle, die das Auto als Zugmaschine verwenden, ist der Anhänger-Assistent, der den Wagen automatisch an die Kupplungszunge des Trailers führt.
Reichlich Platz im Innenraum
Der Innenraum des Ram 1500 ist – wie das gesamte Auto – groß dimensioniert. Auch auf den hinteren drei Plätzen der Doppelkabine ist reichlich Platz, die Ausgestaltung entspricht modernem Wohnkomfort, der Sechszylinder ist kaum zu hören. Entscheidend für diesen Fahrzeugtyp ist freilich die rund 1,70 mal 1,70 große Ladefläche, die von einem flexiblen Rollo abgedeckt wird. Hier lassen sich, einmal hochgewuchtet, auch sperrigste Güter transportieren, die gesamte Fläche ist wasserdicht und abspritzbar. Der Clou ist die im Verhältnis 60:40 geteilte Heckklappe, die auf Wunsch auch elektrisch öffnet und schließt. Dazu gibt es zwei 230-Volt-Steckdosen, die 2 kW Leistung bereitstellen – genug für eine Kaffeemaschine oder eine Kettensäge.
Im normalen Straßenverkehr bereitet der Ram 1500 keinerlei Probleme, wenn die Fahrzeugdimensionen einmal verinnerlicht sind. Der Sechszylinder – immer mit einer Achtgang-Automatik verbunden – erlaubt entspanntes Mitschwimmen im Verkehr ebenso wie beherzte Überholmanöver. Fahrwerk und Bremsen, bei der Größe und dem Gewicht des Autos durchaus ein Thema, arbeiten einwandfrei. Die aufwändig konstruierten Achsen und die Luftfederung sorgen für Pkw-ähnliches Fahrgefühl.
Im Gelände kann der Wagen alles sehr gut, was er können muss. Schräge Anstiege über Geröll sind selbst bei Standardbereifung ebenso wenig ein Problem wie steile Abfahrten im Matsch. Dafür gibt es die speziell ausgelegten Fahrprogramme, die die Kraft auf die beiden Achsen und alle vier Räder in angemessener Art und Weise verteilen. Für noch bessere Leistung abseits befestigter Straßen sorgen die Versionen Rebel und RHO unter anderem mit bis zu 35 Zoll großen Rädern, mehr Bodenfreiheit und spezieller Geländefederung. (SP-X)