Porsche GT3 RS: Wenn die Eifel erwacht

Porsche GT3 RS: Wenn die Eifel erwacht
Wenn die Eifel erwacht: unterwegs im Porsche GT3 RS. © SP-X

Diese Woche hatte es in sich: Wir waren mit dem Porsche GT3 RS unterwegs. Fünf Tage, 23 Stunden hinter dem Lenkrad, 245 Liter verbranntes Benzin und 1600 Kilometer auf dem Tacho.

Also ausreichend Zeit und Kilometer, um die Frage zu klären, ob es sich mit einem Beinaherennwagen auch im Alltag leben lässt. Von Anfang an. Es ist noch nicht vollständig hell draußen, die Eifel noch nicht ganz erwacht.

Doch selbst im Morgentau dieses bald goldenen Herbsttages sieht unser heutiger Gast irgendwie so gar nicht friedlich aus. Zu grell die Lackierung in „Racinggelb“, zu einschüchternd der gewaltige Heckflügel und zu sommerlich die Reifenwahl. Die Cup2-Pneus von Michelin mögen auf der Rennstrecke erste Wahl sein, auf einer feuchten Landstraße ist jedoch Vorsicht geboten. Gut, dass es heute noch einmal über 20 Grad warm werden soll. Wir verstauen das leichte Reisegepäck im vorderen Kofferraum und lassen die Carbon-Haube mit leichtem Druck auf das aufgeklebte Porsche-Logo ins Schloss klicken.

Nah am Rennfahrzeug GT3 Cup

Schon beim Einstieg in den Porsche GT3 RS der aktuellsten Facelift-Generation zeigt sich, wie nah der Zuffenhausener am Rennfahrzeug GT3 Cup ist. Die Sitze sind unglaublich tief montiert und wer sich nicht mit beiden Händen rechts und links auf den sehr steifen Wangen abstützt, riskiert beim Entern des Cockpits viele blaue Flecken an den Oberschenkeln. Hat man Sitz und Lenkrad dann schließlich manuell auf die persönlichen Präferenzen angepasst, schweift der Blick durch den Innenraum. Man stellt fest: So extrem der GT3 RS von außen auftritt, so sehr hält er sich innen zurück. Lediglich die bereits erwähnten Carbon-Vollschalensitze sowie der Überrollkäfig und die Türschlaufen aus Stoff sorgen für zusätzliches Rennsport-Flair, ansonsten ist auch der extremste GT3 ein „ganz normaler Elfer“ – mit all seinen Annehmlichkeiten.

Der Porsche GT3 RS kann auch problemlos im Alltag gefahren werden. Foto: SP-X

Deutlich werden die Unterschiede im Komfortangebot erst, wenn man den Sechszylinder-Boxer im Heck des RS mit einem Dreh am links vom Lenkrad platzierten Zündschlüssel zum Leben erweckt. Dann bellt das vier Liter große Triebwerk kurz heiser auf, bevor es in einen unruhigen Leerlauf verfällt. Über den Wahlhebel des Porsche-Doppelkupplungs-Getriebes (PDK) wird der erste Gang eingelegt und der 991 rollt vom Hof. Bereits beim Ausparken die nächste Erinnerung an die temperaturkritische Bereifung: Das schwarze Gold rubbelt bei starkem Lenkeinschlag über den Asphalt wie ein schlechter Radiergummi.

Dämmung? Kaum vorhanden

Schon auf den ersten Kilometern, die das Aggregat im Heck braucht, um alle Flüssigkeiten auf Temperatur zu bringen, merkt man, wie ernst es der RS mit seinem Performance-Anspruch meint. Dämmung gegen die Geräusche von Motor und Auspuff? Kaum vorhanden. In den Kohlefaser-Kotflügeln hört man jedes Steinchen, die Carbon-Keramik-Bremsanlage lärmt mit den starren Uniball-Lagern des Fahrwerks um die Wette.

Dabei ist die Aufhängung des GT3 RS allerdings überraschend komfortabel. Zumindest, solange man nicht die schlechtesten aller Eifelsträßchen aufsucht. Und solange man nicht den „Sport“-Knopf auf der Mittelkonsole drückt, der das Fahrwerk merklich verhärten lässt. Klar, er dämpft und federt sehr straff, aber die Kennlinien der Stoßdämpfer sind auch beinahe identisch mit denen des reinen Rennwagens GT3 Cup im Nordschleifen-Trimm.

Technologietransfer gelingt

Apropos: Der GT3 Cup ist wohl das beste Beispiel, wie der Technologietransfer von der Rennstrecke auf die Straße und wieder zurück funktionieren kann. Daher fahren wir nun zum Sitz des Rennteams „Aimpoint Racing“, das einen solchen GT3 Cup in der VLN-Langstreckenmeisterschaft am Nürburgring an den Start bringt. Schon das erste Aufeinandertreffen der beiden Protagonisten des heutigen Tages zeigt, wie nah sich die Heckmotorsportler sind.

Fangen wir mit den Gemeinsamkeiten an. Sowohl der GT3 RS als auch das Rennfahrzeug GT3 Cup setzen auf den vier Liter großen und frei saugenden Sechszylinder-Boxer, der jedoch im Straßenauto mit 520 PS ganze 35 PS mehr leistet als im Cup-Fahrzeug (485 PS). Außerdem darf der RS bis 9000 Umdrehungen pro Minute drehen, während im Cup schon bei 8.500 Umdrehungen das letzte Schaltlämpchen zum Gangwechsel bittet. Zugegeben: Diese 500 Umdrehungen bringen keine Leistung, die erreicht der RS bereits bei 8.250 vollständig, dem Drama im Gehörgang sind sie allerdings extrem zuträglich, wie sich später noch herausstellen wird.

Aerodynamik im Fokus

Weiterhin setzen beide Modelle auf die Kraft der Aerodynamik und tragen sowohl eine Spoilerlippe an der Front als auch einen gewaltigen Flügel auf dem Heckdeckel, wobei der RS einen zusätzlichen „Bürzel“ auf ebendiesem Deckel trägt, der dem Cup fehlt, der dafür allerdings den größeren Spoiler hat. Insgesamt kann der RS auf mehr als zwei Drittel des Abtriebs vertrauen, der auch dem Cup-Piloten zur Verfügung steht. Unterschiede gibt es außerdem bei der Karosserie. Der RS setzt hier in der Basis auf die breite Variante des 911 Turbo mit Luftöffnungen im Seitenteil, während der GT3 Cup auf die schmalere Version des 911 Carrera ohne diese Öffnungen setzt. Das Renntriebwerk wird über den bereits angesprochenen anderen Heckdeckel mit Luft versorgt.

Beide Modelle tragen außerdem sogenannte „NACA“-Einlässe in der Fronthaube. Beim GT3 Cup wird hierüber der Fahrer gekühlt, beim RS die Bremse. Wo wir bei weiteren Unterschieden wären, die alle irgendwie miteinander zu tun haben. Durch seinen deutlich unspartanischeren Innenraum (im GT3 Cup gibt es nur einen Sitz, eine Sicherheitszelle und erwartungsgemäß weder Klimaanlage noch Radio oder gar Dämmmaterial) summiert sich das Leergewicht des GT3 RS im Idealfall auf 1.430 Kilogramm, der GT3 Cup wiegt lediglich etwas mehr als deren 1.200. Und das, obwohl sich der RS mit Kotflügeln und Haube aus Carbon sowie einem Magnesium-Dach mehr Mühe bei der Diät gibt, als der Cup mit GFK-Teilen und einer Blech-Haube. In der Folge bedeutet das trotzdem, dass der ohnehin stärkere und mit mehr Topspeed gesegnete RS (312 km/h) eine deutlich größere Bremsanlage und daher auch größere Räder benötigt, die mit 20 Zoll an der Vorder- und 21 Zoll an der Hinterachse bedeutend umfangreicher ausfallen als die beinahe kleinen 18-Zöller des GT3 Cup.

Exzellenter Alltagssportler

Der Porsche GT3 Cup und der GT3 RS. Foto: SP-X

Der Antriebsstrang macht den GT3 RS zum wohl besten Allround-Sportler auf dem Markt. Es ist auch das Fahrwerk, das gleichzeitig Sicherheit gibt und den Piloten spüren lässt, wo die Grenzen sind. Ganz präzise, völlig ohne hinterlistige Verhaltensweisen. Es ist auch die Lenkung, die so leichtgängig aber dabei so direkt und mitteilsam ist, dass man jede Welle, jede Unebenheit und jeden Kiesel auf der Straße spürt. Und es ist auch der Innenraum, der mit einer fantastischen Sitzposition und den nötigen Komfortfeatures keinen Grund zum Anhalten gibt. Zumindest bis zum nächsten Tankstopp.

Ganz ohne Zweifel: Der GT3 RS liefert einfach ab. Fasziniert mit jeder Faser und macht süchtig. Nach Kurven, nach Geraden, nach Bremspunkten. Und dann wieder von vorne. Er ist mindestens so gut wie das Rennauto. Aber auch zugänglicher. Man kann mit ihm sonntagsmorgens zum Bäcker fahren. Und erst danach zum Nürburgring. (SP-X)

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