Der Porsche 718 Boxster greift auf vier statt auf sechs Zylinder zurück. Die Fahrfreude legt deshalb aber keine Pause ein, sondern verkleinert sogar noch die Lücke zur Sportwagen-Ikone.
Die erste Generation des Porsche Boxster trug Mitte der 90er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts nicht unerheblich zur Rettung des damals angeschlagenen Unternehmens bei. Trotzdem war der Mittelmotorsportler für viele der sogenannten gusseisernen Fans des Neunelfers allenfalls eine Art Hausfrauen-Porsche. Dabei fuhr schon der erste Boxster S älteren Elfern locker um die Kotflügel.
Die neueste Generation trägt zum Namen Boxster noch das Zahlenkürzel 718. Damit will Porsche an die motorsportlich ruhmreiche Vergangenheit des Mittelmotorsportlers 718 von Ende der 1950er-Jahre erinnern und nebenbei elegant kaschieren, dass der neue Boxster mit dem gleichen Kürzel eben auch nur noch einen Vierzylindermotor hat. Ob der Verzicht auf zwei Zylinder gegenüber dem direkten Vorgänger ein Manko ist, wollten wir im Alltagstest des mindestens 66.141 Euro teuren Zweisitzers klären.
Vollblutsportler mit vier Zylindern
Verzicht ist relativ. Vier statt sechs Zylinder, das klingt nach Abstieg und Askese, dafür gibt es aber einen Turbolader, und der macht aus dem vermeintlichen Rück- einen Fortschritt. Wie beim Elfer sorgt in der neuen Boxster-Generation der Turbo für mehr Leistung bei gleichzeitig geringerem Normverbrauch, was in Zeiten von CO2-Diskussionen und dem am fernen Horizont drohenden Ende der Verbrennungsmotoren auch für Hersteller wie Porsche eine relevante Größe ist. Dafür entfällt der seidenweiche und quasi schwingungsfreie Lauf des Sechszylinder-Boxers, was aber im Betrieb tatsächlich nicht auffällt.
Der Vierer hinter den Sitzen geriert sich als Vollblutsportler mit besten Alltagseigenschaften. Er dreht schnell hoch – sportlich – er klingt kernig und sprotzelt sehr rennmäßig beim Gaswegnehmen und Runterschalten, wenn man denn eine eilige Gangart wählt. Aber er beschleunigt auch klaglos und ruckfrei aus Leerlaufdrehzahl im sechsten Gang des Handschaltgetriebes bei 50 km/h. Und zwar zügig, weil das maximale Drehmoment von 450 Newtonmetern schon bei 1900 Touren anliegt und bis 4500 Umdrehungen zur Verfügung steht. Turbo eben.
Schiere Lust am Beschleunigen
Die Newtonmeter ergänzt der 2,5-Liter-Boxer mit 257 kW/350 PS, was ihn zu Sprintwerten von 4,6 Sekunden auf Landstraßentempo und einer Spitzengeschwindigkeit von 285 km/h verhilft. Wir haben beides nicht nachgemessen. Der Druck im Rücken beim schnellen Durchtreten des Gaspedals und die willige, ja fast gierige Leistungsaufnahme auch bei Geschwindigkeiten über 220 km/h lassen die Angaben absolut glaubwürdig erscheinen. Das konnte der Sechszylinder im Vorgänger so nicht. So gesehen, klarer Vorteil Turbo.
Wie sieht es mit dem Verbrauch aus? 8,1 Liter gibt Porsche an. Das schafften wir nicht, wenngleich sich der Boxster auf längeren, gleichmäßigen Etappen im geschwindigkeitsbegrenzten Nachbarland Holland sogar mit weniger zufrieden gab. Aber dafür kauft man keinen Porsche. Die schiere Lust am Beschleunigen treibt Spaß und Verbrauch automatisch in die Höhe. Nach gut 1500 Kilometern kamen wir auf 10,5 Liter, die in viel Fahrfreude investiert worden.
Rolle des Hausfrauen-Porsche an Cayenne weitergegeben
Wobei uns besonders schnelle Kurven gefallen haben. Wie der Mittelmotorsportler sich an den Asphalt krallt, ist schon beeindruckend. Selbst auf nasser Fahrbahn liegt der Grenzbereich so hoch, dass man mit legalen Mitteln, also innerhalb der Straßenverkehrsordnung, quasi keine Möglichkeit hat, ihn aus der Balance zu bringen. Nicht nur deshalb ist auch dieser Boxster ein echter Porsche. Die Rolle des Hausfrauen-Porsche hat ja auch inzwischen eher der Cayenne übernommen.
Abseits des neuen Motors verfügt der Boxster jetzt optional über das neueste Konnektivitätspaket der Marke. Gute schnelle Navigation auch bei Staus, schnelle fehlerfreie Telefonanbindung, ordentliche Gesprächsqualität für ein Cabrio haben uns gefallen. Dafür kam die Sprachsteuerung mit unserer Aussprache nicht immer zurecht. Muss auch in einem kompakten Zweisitzer nicht sein.
Porsche 718 Boxster S nah dran am Elfer
Apropos kompakt: Auch mit mehr als 190 Zentimetern Länge findet man eine langstreckentaugliche Sitzposition. Die beiden Kofferräume hinten und vorne reichen locker für das Urlaubsgepäck zu zweit, sofern es nicht auf Fernreisen geht. Nach schräg hinten sieht man weder mit geöffneten noch geschlossenen Dach etwas, weshalb eigentlich eine Rückfahrkamera unumgänglich ist. Die fehlte uns im Testwagen. Immerhin helfen die Parkpiepser beim Einparken.
Beim Ankreuzen auf der langen Optionsliste kann man im Übrigen Zurückhaltung üben. Ledersitze und große Felgen hat der S von Haus aus. Navi muss rein, die Handschaltung genügt und macht Spaß. Viel mehr als 70.000 Euro muss man nicht investieren, um Fahrspaß zu erzeugen, der sich nicht wirklich von dem eines Elfers unterscheidet. Auch wenn der Boxster nur der „kleine“ Porsche ist. (SP-X)