Im Rahmen einer Modellpflege rüstet Porsche den 911 Turbo S mit E-Modul und zwei elektrischen Turboladern aus. Das Ergebnis: 711 PS.
Die Frage nach dem Warum stellt sich hier nicht. Ingenieure sind stets getrieben, das Bestehende immer weiter zu verbessern. Warum sollte dies im Falle des Porsche 911 Carrera Turbo S anders sein? Das Flaggschiff der ikonischen Baureihe fährt zwar bereits heute schon im Grenzbereich der Physik, beschleunigt aberwitzig und spiegelt wie kein zweiter deutscher Sportwagen die hohe Entwicklungskompetenz der schwäbischen Automarke wider. Doch bekanntlich ist das Bessere des Guten Feind.
Und so machten sich die Techniker im Weissacher Entwicklungszentrum daran, nach ein paar Stellschrauben zu suchen, um Ansprech- und Fahrverhalten des 911 Turbo S weiter zu optimieren. Aus Sicht von Porsche dürfte dies ohne Zweifel sinnvoll sein. Schließlich gibt es weltweit genügend Kunden, die stets den neuesten automobilen Superlativ brauchen – egal ob fürs Ego, die Rennstrecke oder die Garagensammlung. Geld ist genügend vorhanden.
Preise beginnen bei 271.000 Euro
Porsche verlangt für seine jüngste Carrera-Schöpfung stolze 271.000 Euro – in der Basis. Doch kein Turbo S verlässt für diese Summe den Hof. Möglichkeiten der Individualisierung gibt es zuhauf – und werden von den Käufern eifrig genutzt. Die Schwelle von 300.000 Euro zu knacken, ist ein leichte Übung. Schwieriger ist es dagegen, überhaupt einen Turbo S zeitig zu kriegen. Gebaut werden derzeit etwa 40 Fahrzeuge pro Tag. Die Lieferzeiten sollen bei Ende 2026 liegen.
Optisch dürften nur Kenner der Szene den Unterschied zum Vorgänger sofort ausmachen. Es sind vor allem aerodynamische Änderungen wie die vertikalen Kühlluftklappen und der Frontdiffusor, die ins Auge fallen. Zusammen mit der Frontlippe und dem Heckflügel bilden sie erstmals eine intelligent vernetzte, elektronisch gesteuerte Einheit. Die Designer konnten zusammen mit den Aerodynamikern so den Luftwiderstand um zehn Prozent senken.
Stärkster Serien-911er der Porsche-Geschichte
Mit 711 PS ist der neue Porsche der stärkste Serien-911er in der Geschichte des Unternehmens. Dazu wurde nicht nur der Boxermotor komplett neu entwickelt (lediglich die Einspritzdüsen sind Übernahmeteile), der 3,6-Liter große Sechszylinder erhielt auch die T-Hybridtechnik, wie sie im 911 Carrera GTS erstmals vorgestellt wurde. Während jedoch im GTS ein einzelner elektrische Turbolader (eTurbo) im Abgassystem steckt, sind es im neuen Turbo S deren zwei. Außerdem ist die ins Getriebegehäuse integrierte E-Maschine stärker. Damit ist auch im Turbo S der Verbrennungsmotor riemenlos. Starter- und Lichtmaschinen-Funktion übernimmt fortan das E-Modul.
Wie extrem souverän der 911 Turbo S am Gaspedal hängt, lässt sich auf öffentlichen Straßen kaum ausfahren. Die Beschleunigung von null auf 100 km/h liegt bei atemberaubenden 2,5 Sekunden – ein Wert, der gewöhnlich Hochleistungs-Elektroautos vorbehalten ist. Zudem nähert sich der Zweieinhalb-Sekunden-Sprint einem Bereich, den der Mensch nicht mehr als angenehm empfindet, so vehement presst es einen in den Sitz. Als aussagekräftigeres Maß der Performance gilt daher die Zeit auf der Nürburgring-Nordschleife: sieben Minuten und vier Sekunden. Ein neuer Bestwert für den Turbo S. Das aktuelle Modell benötigt knapp 14 Sekunden länger. In der Rennszene sind das Welten.
Straßenlage und Präzision unerreicht
Großen Respekt muss man den Entwicklern zollen, was die Gesamtabstimmung des Top-Elfers angeht – viel Input lieferte hierbei Werksfahrer Jörg Bergmeister. Die Präzision, mit der das Auto durch die Kurven geht (Hinterachslenkung serienmäßig), wie sicher und solide es auf der Straße liegt, wie leicht und vorhersehbar es zu dirigieren ist, bleibt in der Branche unerreicht. Dazu trägt gewiss auch die elektrohydraulische Wankstabilisierung (ehPDCC) bei, die jedoch bewusst nicht bei null Grad (waagerecht) gehalten wird, sondern aufgrund des menschlichen Wohlbefindens noch 0,5 Grad Schräglage erlaubt. Montiert wurden zudem die größten Bremsen, die jemals in einem Serien-Elfer steckten.
Auch was die Elastizität betrifft, haben die Motoren-Ingenieure saubere Arbeit abgeliefert. Zwar blieb das Drehmoment von 800 Newtonmeter gegenüber dem heutigen Modell unverändert, jedoch änderte sich die Drehzahlspanne massiv. Waren es zuvor ein Bereich von 2.500 bis 4.200 U/min sind es jetzt 2.200 bis 6.000 U/min, T-Hybrid sei Dank. Der 911 Turbo S zieht derart mächtig los, dass es eigentlich egal ist, in welchem der oberen Gänge er sich gerade befindet. Und wer den maximalen Kick zum Überholen braucht, drückt den roten Knopf am Lenkrad (push to pass), das System schaltet augenblicklich einige Gänge herunter und hält diese Drehzahl für 20 Sekunden.
Dass eine Hybridisierung stets auch mehr Gewicht bedeutet, passt natürlich nicht so recht zu einer puristischen Sportwagen-Philosophie im Porsche-Stil. Immerhin muss der 911 Turbo S mit 1.725 Kilogramm jetzt 85 mehr mitschleppen als sein Vorgänger. 60 gehen davon aufs Konto des Hybridsystems, 15 aufs Fahrwerk und zehn Kilogramm zahlt die Sicherheit ein. Damit es nicht noch mehr werden, haben die Ingenieure die bisherige Stahlauspuffanlage ausgemustert und durch eine aus Titan ersetzt – cooler Sound inklusive. (SP-X)


