Jung, digital, extrovertiert – so möchte die Marke Ora ihr Modell Funky Cat wahrgenommen wissen. Was davon im Alltag ankommt, klärt unser Praxistest.
Mit dem Bau der Chinesischen Mauer wurde vor etwa 650 Jahren begonnen, mit dem Bau von Fahrzeugen startete das Unternehmen Great Wall Motor (GWM) vor rund 40 Jahren. Genug Zeit, um nun auch den deutschen Markt mit Autos zu fluten.
Eine Marke des Konzerns heißt Ora – neuerdings trägt das Modell der neuen Strategie der Mutter folgend den Namen GWM Ora 03 – und wer sich bei dem Namen an den typischen Wind am Gardasee erinnert fühlt, liegt nicht falsch. Schließlich kann der Funky Cat 400 Pro auch mit Windstrom betankt werden.
Optisch ansprechendes Design
Der Elektro-Kleinwagen setzt optisch voll auf Emotion. Niedliche Kulleraugen, weiche Linien, ein keck gerundeter Po könnten vielleicht den Schluckreflex bremsen, der sich im Angesicht des Preises unweigerlich einstellt. Immerhin fast 45.000 Euro werden fällig, wenn man sich für die große Batterie entscheidet.
Die verspricht zwar bis zu 420 km Reichweite, aber es handelt sich wohlgemerkt um eine Marke, die in Deutschland zunächst als „no-name“ gelten kann. 38.990 Euro kostet das Modell, das statt 63 kWh Stromvorrat 48 Kilowattstunden im Speicher mitbringt.
Länge von 4,24 Meter
Mit 4,24 Metern ist der Funky Cat nur geringfügig länger als ein Skoda Kamiq, allerdings ist er rund fünf Zentimeter höher (1,60m) als der tschechische Wettbewerber. Für erwachsene Mitfahrer sind die Kabinen-Dimensionen recht auskömmlich, an den Vordersitzen beträgt ihre Breite 1,38 Meter, hinten 1,35 m. Die Sitzschienen vorn dürften länger sein, was dann aber zu Lasten der Fondpassagiere ginge. Die Sitzpolsterung ist bequem und langstreckentauglich, die Gurte sollten bei einem Auto dieser Preisklasse aber höhenverstellbar sein.
Beim Öffnen der Heckklappe offenbart sich ein weiterer kleiner Schwachpunkt: Magere 228 Liter Kofferraum sind vorhanden, das Ladegut muss über eine 81 cm hohe Ladekante gehievt werden und beim Umklappen der Rücksitze bleibt eine hinderliche Stufe zurück. Beim Testwagen war die Innenverkleidung des Gepäckfachs in hellem Hartplastik ausgeführt, was kratz- und schmutzanfällig ist. Das maximal nutzbare Volumen beträgt 858 Liter.
Wohnlich und geschmackvoll eingerichtet präsentiert sich die Passagierkabine. Der Textilbezug in Wagenfarbe auf dem Armaturenbrett wirkt freundlich, verchromte Kippschalter unter dem Hauptmonitor verströmen nostalgisches Flair. Kein Wunder, wenn sich mancher an einen Mini erinnert fühlt. Die nächste E-Generation des bayerischen Briten wurde gemeinsam mit dem Funky Cat entwickelt und es war sogar dessen Produktion in China geplant. Das sprichwörtliche „Gokart-Feeling“ beim Ora ist also kein Zufall.
Vorlauter virtueller Assistent
Auf einen Startknopf wurde verzichtet. Mit dem Fuß auf der Bremse wird unmittelbar per Drehschalter der Fahrmodus eingelegt. Wer sich dabei beobachtet fühlt, kann trotzdem psychisch völlig gesund sein. Es ist das an der A-Säule sehr auffällig platzierte „magische Auge“ des virtuellen Assistenten, der sich (zwar mit wählbaren Namen und Stimmen) nur allzu gern einmischt. Durchaus gut gemeinte Hinweise, doch aufmerksam zu bleiben, zuweilen aber auch ein pampig klingendes „Was ist los?“ bei direkter Ansprache, können auf die Dauer nerven. Ein Stück Heftpflaster hilft gegen verbale Verwundungen. Und ob die automatische Aufforderung, „Bitte bestätigen Sie, dass sich der Schlüssel im Auto befindet!“ gleich zehnmal wiederholt werden muss, wenn man kurz aussteigt, um etwa ein Gartentor zu öffnen, steht erst recht dahin.
Per Frontantrieb wird der China-Mini in knapp mehr als acht Sekunden auf 100 km/h beschleunigt. Die Leistung von 121 Kilowatt (171 PS) und ein Drehmoment von 250 Newtonmetern verleihen ihm einen agilen Antritt. Putzmunter geht es auch in Überholmanöver, wo von 80 bis 120 km/h nur 6,2 Sekunden vergehen. Ist die Elektronik aber auf ökonomisches Vorankommen programmiert, meldet sich dann sofort ein Signal im Display, es mit dem Tempo doch bitte nicht zu übertreiben. Bei 160 Stundenkilometern ist sowieso Schluss.
Mäßiger Stromverbrauch, realistische Reichweiten
Fahrfreude ist durch den tiefen Schwerpunkt und das direkte Ansprechen der Steuerfunktion garantiert, dennoch hinterließ die Lenkung einen zwiespältigen Eindruck. Zu vorwitzig bringt sich die so genannte „Notlenkfunktion“ ins Spiel, die auch nach manuellem Abschalten bei jedem Neustart wieder präsent ist. Ihre Eingriffe selbst bei geringen Abweichungen von der Spur stören mehr, als dass sie als Sicherheitsgewinn empfunden werden könnten. Außerdem ist der Bezug des Lenkradkranzes zu glatt, um ein Gefühl von Griffigkeit zu vermitteln. Das Fahrwerk ist komfortabel abgestimmt, fremdelt aber spürbar mit unebenem Straßenbelag.
Der vom Hersteller mit 16,5 kWh/100 km angegebene Verbrauchswert lässt durchaus auf eine gute Energieeffizienz schließen, doch es geht auch sparsamer. In unserem Test lag der Durchschnittsverbrauch dank eines hohen Kurzstreckenanteils bei nur 15,2 kWh. Bei den Ladewerten ist noch Optimierungs-Potenzial zu erkennen. An der Wechselstrom-Dose können bis zu elf Kilowatt verarbeitet werden, am Gleichstrom-Schnelllader bis zu 64 kW – mehr nicht. Die Reichweitenangabe betrug bei 100 Prozent Ladung 394 km. Dies kann bei gemischtem Fahrprofil als realistisch angesehen werden, denn bei 158 km protokollierter Strecke betrug die Abnahme der rechnerischen Reichweite 159 km.