Keine Ladestation in der Nähe? Selbsterzeugter Strom ist da die Lösung. Neben dem Mazda MX-30 bietet auch der neue Nissan X-Trail diese Möglichkeit an. Wir haben ihn gefahren.
Über den Verdacht, ein Produkt des weltweiten SUV-Trends zu sein, ist der Nissan X-Trail absolut erhaben. Bereits vor 23 Jahren kam die erste Generation auf den Markt, damals noch mit Frontantrieb, wahlweise mit Otto- oder Dieselmotor. Die aktuelle Version mit dem blumigen Namenszusatz „e-Power e-4ORCE“ fährt allradgetrieben ausschließlich mit elektrischer Energie, und das, obwohl unter der Haube ein 1,5-Liter-Dreizylinder werkelt und er deshalb eigentlich als Hybrid-Fahrzeug zu gelten hätte.
Den Werbespruch „Tankt Benzin. Fährt elektrisch“ hat sich der Hersteller zur Beschreibung des Umstandes einfallen lassen, dass der Verbrennungsmotor mit dem Vortrieb nichts zu tun hat. Seine Aufgabe ist es, über einen Generator Strom zu erzeugen, den die beiden E-Maschinen an Vorder- und Hinterachse verwerten und zusätzlich die 350-Volt-Batterie puffern, die eine Kapazität von 2,1 kWh hat. Das bringt den Vorteil, dass der Verbrenner weitgehend lastunabhängig in einem gleichbleibenden Drehzahlbereich läuft, was der Verbrauchsminderung zugutekommen soll.
LED rundum und Head-Up-Display
Im Unterschied zu rein batteriebetriebenen Pkw ist also eine Menge Technik mehr unter der gefälligen SUV-Hülle versammelt, Technik, die auch bezahlt sein will. 57.690 Euro kostete der Testwagen in der gehobenen Tekna-Ausstattung, die zugegebenermaßen ein sehr angenehmes Komfort- und hohes Sicherheits-Niveau bietet. Es reicht von LED-Leuchten rundum, Navi-System, Head-Up-Display und Drei-Zonen-Klima-Automatik über Lederpolster und Panoramadach bis hin zu diversen Assistenz-Systemen, beheizbarer Frontscheibe, elektrischer Heckklappe und 19-Zoll-Alufelgen. Dem kann für 800 Euro noch eine voll versenkbare dritte Sitzreihe hinzugefügt werden.
Weil der vordere E-Motor mit 330 Newtonmetern Drehmoment schiebt, der hintere mit 195, ist beim Anfahren ein sensibler Umgang mit dem Fahrpedal zu empfehlen. Andernfalls kann es sein, dass der X-Trail gleich einen kräftigen Satz nach vorne macht, denn bekanntermaßen sind die E-Maschinen ab der ersten Umdrehung hellwach. Dieses Temperament kommt dem Fahrgefühl sehr zugute, wirkt sportlich-dynamisch, auch ohne auffällige Schall-Absonderungen. Der Dreizylinder ist ein ungewöhnlich ruhiger Vertreter, zeichnen sich Motoren dieser Bauart doch sonst oft durch ein kernig-raues Laufgeräusch aus. Sieben Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h untermauern die druckvollen Spurtqualitäten.
Große Spreizung möglichen Verbrauchs
In Summe leisten die beiden E-Motoren 340 PS, die Systemleistung gibt der Hersteller mit 213 PS oder 157 kW an. Beim Zusammenwirken der beiden Motoren gibt es Verluste durch Umwandlungsprozesse und die Steuerung der Leistung, was die rechnerische Minderung erklärt. Für den Vortrieb nicht nutzbar sind, wie erwähnt, die 158 PS des Verbrenners, da seine Leistung komplett vom Stromgenerator aufgesogen wird. Gleichwohl nutzt der X-Trail ebenso wie andere E-Mobile die Fähigkeit, Energie zurückzugewinnen. So ist zu erklären, dass der Benzinverbrauch je nach Fahrprofil stark differieren kann. Auf der Kurzstrecke und in der Stadt, wo Rekuperationsphasen häufig sind, können Verbräuche von fünf Litern und weniger je 100 Kilometer erreicht werden, über Land und bei höheren Tempi zeigte der Bordrechner auch schon mal 8 L/100 km an. Herstellerseitig und nach WLTP ermittelt sollen 6,3 bis 6,7 Liter die Regel sein.
Das ist zwar nicht unwirtschaftlich, nach einem durchschlagenden Effizienz-Gewinn mittels des umfangreichen Technik-Aufgebots sieht das aber nicht aus. Wo also liegen die tatsächlichen Stärken des dreimotorigen X-Trails? Kurz gesagt in Platzangebot und Vielseitigkeit, in wohnlichem Ambiente und gediegener Ausstattung. Karamellfarbenes Leder mag vielleicht nicht jeden Geschmack treffen, im Testwagen sah es aber edel und geschmackvoll aus. In der Kabine lassen sich nur wenig Hartplastikteile entdecken, Informations- und Bedien-Elemente sind gut handhabbar, und dass Nissan die Mode des weitgehenden Knopf- und Drehschalter-Verzichts nicht mitgemacht hat, zahlt aufs Sympathie-Konto ein.
Dritte Reihe für die Kurzstrecke
Von 575 bis fast 1400 Liter reicht das Kofferraumvolumen, bei Aufstellung der 3. Sitzreihe bleiben immerhin noch 177 Liter übrig. Bei umgelegter 2. Reihe ist der ebene Ladeboden bis 1,76 Meter tief. Vorn beträgt die Kabinenbreite 1,48 Meter, in der zweiten noch 1,45. Die Plätze sechs und sieben können trotz gemütlicher Polsterung nur als Notsitze gelten. Als Erwachsener sollte man besser auf den Versuch verzichten, dort hinten hinein zu klettern, wo jeder Passagier gerade noch einen halben Meter Platz für sich beanspruchen kann. Mit dem angebotenen Knieraum mögen Grundschüler aber ganz gut hinkommen. An anderen Nützlichkeiten wie Ablagen, Getränkehaltern und Verzurrösen im Kofferraum fehlt es natürlich nicht.
Zwar verfügt der X-Trail über verschiedene Fahrmodi, die den Allradantrieb an die Bedürfnisse verschiedener Bodenbeschaffenheit anpassen können, eine aktive Dämpferregelung hat er aber nicht. Das hat zur Folge, dass der Federungskomfort als eher durchschnittlich wahrgenommen wird, das Fahrwerk mitunter etwas hüftsteif wirkt und unebenes Geläuf den Aufbau in Bewegung versetzt. Demgegenüber ist die Lenkung feinfühlig und präzise, die Übersichtlichkeit der Karosserie gut. Das „One-Pedal-Driving“, das einen weitgehenden Verzicht auf die Betätigung des Bremspedals zulässt, ist auf Knopfdruck abrufbar.