Nissan Ariya: Spätstarter sucht den Anschluss

Nissan Ariya: Spätstarter sucht den Anschluss
Der Ariya ist mit zwei Batteriegrößen sowie Front- oder Allradantrieb zu haben. © Busse

Mit dem Modell Ariya hat sich Nissan extrem viel Zeit gelassen. Zwar gehörte der japanische Hersteller mit dem Leaf vor rund zwölf Jahren zu den Elektro-Pionieren, jetzt sucht er Anschluss an Mitbewerber.

Was sich zur Hälfte dieses Jahres sagen lässt: Auch die erhebliche Preissenkung im vergangenen Herbst hat nicht den großen Durchbruch für das Modell Ariya gebracht. Zwar ist der Wagen mit zeitgemäßem Design und konkurrenzfähiger Reichweite ausgestattet, doch rund 300 Neuzulassungen binnen sechs Monaten reichen nicht aus, ihn in Deutschland als Erfolg anzusehen.

Seine Formgebung sortiert den Ariya bei den Crossover-Limousinen oder SUV-Coupés ein, er ist mit zwei Batteriegrößen sowie Front- oder Allradantrieb zu haben. Für diesen Test stand das mit zwei Elektromotoren und einer 87-kWh-Batterie ausgestattete Top-Modell der Ausstattungslinie „Evolve Pack“ zur Verfügung. Unter seiner Blechhaut sind immerhin 225 kW Leistung und 600 Newtonmetern Drehmoment versammelt. Zwischen ihm und dem Einstiegsmodell in die Baureihe liegt eine Preisspanne von rund 20.000 Euro. Der Testwagenpreis lag bei 63.190 Euro.

Umfangreiches Ausstattungs-Paket

Zwischen Basis-Version und Top-Modell der Baureihe liegt eine Preisspanne von rund 20.000 Euro. Foto: Busse

Um mit dieser Summe Kunden anzulocken, bedarf es schon einiger Besonderheiten in der Ausstattung. Nissan hat deshalb LED-Leuchten rundum, 19-Zoll-Leichtmetallfelgen, elektrische Heckklappe, Navi-System, beheiz- und belüftbare Vordersitze sowie beheizbare Rücksitze, Head-Up-Display, Rückfahrkamera, Einparkautomatik sowie ein umfangreiches Arsenal an Sicherheits-Sensorik mit ins Evolve-Paket geschnürt. Zu den Appetitanregern gehört auch ein Ladeanschluss bis 130 kW, der im Idealfall eine Akku-Füllung von zehn auf 80 Prozent in einer halben Stunde ermöglichen soll. Blindes Vertrauen in die Verkehrsschild-Erkennung ist nicht zu empfehlen: Wiederholt „erkannte“ das System in geschlossener Ortslage ein Tempolimit von 100 km/h.

Zu den ersten Erfahrungen mit einem Ariya unter sommerlichen Bedingungen gehören die Nebenwirkungen einer Coupé-Karosserie mit ihren stark geneigten Front- und Heckscheiben. Sie tragen gemeinsam mit dem serienmäßigen Panorama-Glasdach zu einer schnellen Aufheizung des Innenraums bei. Umso leistungsfähiger müsste die Zwei-Zonen-Klimaautomatik hinsichtlich des Kühlvermögens und der Luftstromverteilung sein, die sich in unserem Test jedoch häufiger als überfordert erwies. Die Ausströmer ließen sich kaum bedarfsgerecht justieren, so dass Linderung nur durch offene Fenster zu erreichen war.

Verschiebbare Mittelkonsole

Im Cockpit des Ariya ist unter dem zentralen Monitor eine Tastenleiste platziert. Foto: Nissan

Die Platzverhältnisse in der Kabine sind gut, die verfügbare Breite für die Frontpassagiere beträgt 1,48 Meter, die hintere 1,43m. Die Ladekante ist mit 75 Zentimetern nicht zu hoch. Dahinter öffnet sich ein gut nutzbarer Kofferraum von 415 bis 1280 Litern Volumen, die erlaubte Zuladung beträgt rund 400 Kg. Bedingt durch extra lange Sitzschienen kann die Ladefläche mit zu einer Tiefe von fast zwei Metern gestreckt werden, jedoch ist dies nur ein theoretischer Wert, da dann kaum noch ein Erwachsener vorne sitzen kann.

Als originelle Idee kann die elektrisch verschiebbare Mittelkonsole nebst Ablagefach gelten, noch praktischer wäre es allerdings, wenn die Armlehnen in den Türen die gleiche Höhe aufweisen würden wie diese Konsole. Ein weitgehender Verzicht auf klassische Knöpfe und Schalter liegt zwar im Trend, doch bekanntlich ist das Ergebnis nicht immer praxisgerecht. Beim Ariya ist unter dem zentralen Monitor eine Tastenleiste platziert, deren haptische Rückmeldung ebenso wenig überzeugend ausfällt wie die der Sensorflächen auf der Mittelkonsole.

Druckvoller Antritt

Während die Höchstgeschwindigkeit der Frontantriebsversion auf 160 km/h limitiert ist, lässt die stärkere Version 200 km/h zu. Das Gewicht von nahezu 2,3 Tonnen macht sich nicht störend bemerkbar, denn das herzhafte Drehmoment bringt die Fuhre zügig in Schwung. 5,7 Sekunden gibt der Hersteller für den Spurt aus dem Stand auf 100 km/h an. Lenk- und Federungs-Komfort sind ohne Auffälligkeiten, sieht man einmal von einer leichten Tendenz zum Übersteuern bei abrupten Lastwechseln ab. Das gute Rekuperations-Verhalten ermöglicht eine schnelle Gewöhnung an das „One-Pedal-Driving“.

Rund 500 Kilometer soll der Aryia nach WLTP-Norm mit einer Ladung schaffen, die serienmäßige Wärmepumpe mithelfen, auch bei geringen Außentemperaturen diesem Wert nahe zu kommen. Wird der Wagen überwiegend im Kurzstrecken-Betrieb eingesetzt, kann dieser Wert auch übertroffen werden, denn die Rückgewinnung von Energie funktioniert prächtig. Verbräuche von weniger als 20 kWh/100 km erscheinen in der Praxis möglich, wenngleich damit gerechnet werden muss, dass bei längerer Fahrt über 100 km/h der Verbrauch spürbar ansteigt. In unserem Test kamen am Ende 20,9 kWh heraus. An der 22-kW-Säule sind für die Komplettbefüllung drei bis vier Stunden zu veranschlagen. Hier macht sich der Unterschied zu Konkurrenzmodellen bemerkbar, die längst mit 800-Volt-Technik operieren.

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Axel F. Busse
Axel F. Busse ist gelernter Redakteur, sein kommunikations-wissenschaftliches Studium absolvierte er an der FU Berlin. Nach Tätigkeiten bei Tageszeitungen, wo er sich mit Auto- und Verkehrsthemen beschäftigte, arbeitet er seit 2003 als freier Autor ausschließlich in diesem Bereich. Außer für die Autogazette schreibt er für verschiedene Online- und Printmedien.

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