Er ist irgendwie knuffig und trotzdem was mit SUV: Mit dem Aceman bedient die BMW-Tochter Mini gleich doppelte Kundschaft – Hauptsache elektrisch.
Es ist ein Dilemma, das tief in der Vergangenheit wurzelt. Beim Stichwort Mini denkt fast jeder an den Drei-Meter-Winzling, den der geniale Tüftler Alec Issigonis Ende der 1950er-Jahre auf einer Serviette entwarf.
Doch in Tagen wie diesen verlangt die moderne Auto- und vor allem Käuferwelt reflexhaft nach einem SUV. Besonders dann, wenn es ein E-Mobil sein soll. So kommt es, dass der Wunsch nach Platz, Komfort und Luft Richtung Asphalt Zweifel sät am Namen. Denn schon jetzt ist der Mini eigentlich ein Midi und könnte in nächster Generation schnell zum Maxi werden. Was schade wäre, weil es davon schon viel zu viele gibt.
Aceman als Kompromiss
Und so behelfen sie sich bei der BMW-Tochter mit einem gelungenen Kompromiss namens Aceman. Der ist vorne trotz dezentem Unterfahrschutz ganz Kulleraugen-Mini, seitlich und vor allem hinten aber rustikaler Countryman. Optisch – und mit gut vier Metern Länge auch in Sachen Abmessungen – also ein passgenaues Mittelding der Marke. Nur nicht in Sachen Antrieb. Da bekennt sich der Neue, Nostalgie hin oder her, kompromisslos zum Elektromotor.
Der leitet im Basismodell „E“ 184 PS an die Vorderräder, schafft es in 7,9 Sekunden zur dreistelligen Tacho-Anzeige und erlaubt ein Maximaltempo von 160 km/h. In der stärkeren Version „SE“ sind es 218 PS, 7,1 Sekunden für den Standardspurt und eine Spitzengeschwindigkeit von 170 km/h. Beide Modelle sind damit für den üblichen Alltag bestens gerüstet. Nicht bloß dank der spontanen Kraftentfaltung, sondern auch wegen des exakten Gegenteils bis hin zum gelungenen One-Pedal-Driving. Unterschiede gibt es auch beim Akku. Die schwächere Variante bringt es auf 42,5 kWh Energiegehalt und 310 Kilometer Reichweite, die stärkere auf 54,2 kWh und immerhin 406 Kilometer. Sämtliche Werte ähneln nicht ohne Grund den Ora-Modellen von Great Wall Motor. Briten und Chinesen teilen sich brüderlich eine Plattform.
Fahrwerk speziell auf Mini abgestimmt
Im Prinzip jedenfalls. Speziell beim Fahrwerk wollen die Mini-Entwickler dann schon doch noch ihr eigenes Ding machen. Ohne „Mittel“ davor. Nur das soll es eben doch nicht sein – und in Sachen Gokart-Feeling hat man schließlich einen Ruf zu verteidigen. Das gelingt zwar auch beim Aceman, allerdings wirkt der Bretthart-Modus dort etwas bemüht und nicht wirklich stimmig. Zumal man für den kleinen Kurvenhunger zwischendurch schon mit der Serienabstimmung zwischen sportlich straff und ausreichend komfortabel bestens gerüstet ist.
Ebenfalls überzeugend arbeitet die gut austarierte Lenkung, doch bevor die 19-Zöller allzu sehr radieren, bremst eher die nur knapp konturierte Sitzfläche allzu flotte Bewegungen um die Hochachse. Im Grenzbereich lassen sich die knapp 1,8 Tonnen bei leichtem Untersteuern gut kontrollierbar einhegen. Was bei ambitionierter Arbeit am Volant allerdings stört, ist die weder klapp- noch verschiebbare Mittelarmlehne.
Geringe Ladeleistung enttäuscht
Doch egal, ob man nun gemäßigt unterwegs ist oder gepflegt – irgendwann ist der Saft alle. An der Wallbox lässt sich mit den üblichen 11 kW zapfen, bei Gleichstrom am Schnelllader kommt der Acemann E auf überschaubare 75 kW, der SE immerhin auf 95. Da dauert die 80-Prozent-Füllung dann doch eine halbe Stunde. In der Zeit sind manche Konkurrenzmodelle schon längst wieder unterwegs.
Geblieben ist die Grundidee des Mini: viel Raum bei wenig Fläche. Heißt im Fall Aceman: Man sitzt vorne sehr auskömmlich, umgeben von schickem Zweifarb-Strick aus recyceltem Polyester. Auch in zweiter Reihe hat’s dank 2,60 Meter Radstand reichlich Raum. Wer lieber Last als Leute chauffiert: Bei voller Bestuhlung kommen im Laderaum 300 Liter unter, maximal packt der Aceman etwas mehr als einen Kubikmeter weg.
Hommage an den Oldie
Das spartanisch anmutende Cockpit ist eine Hommage an den Oldie. Das runde OLED-Display bringt es auf 24 Zentimeter Durchmesser, darunter sitzt die neugestaltete Leiste für die wichtigsten Fahrfunktionen. Wie schön, dass es in Zeiten des Touchscreen-Overkills noch traditionelle Kippschalter gibt. Assistenz ist reichlich an Bord – und wer mag, kann über „Hey Mini!“ den ersten vollwertigen Sprachassistenten der Marke aktivieren. Drumherum gesellt sich allerlei Schnickschnack. Zwei Projektoren werfen bunte Muster auf das Armaturenbrett, aus dem Off schallt künstlicher Motorsound – und für die Rückleuchten stehen drei Grafiken zur Auswahl. Was wohl Sir Alec Issigonis dazu gesagt hätte?
Gefallen hätte ihm ganz sicher der Parkassistent. Mit Hilfe von einem Dutzend Ultraschallsensoren und vier Surround-View-Kameras erkennt der Aceman freie Plätze und lässt sich sogar per Smartphone von außen hinein und wieder hinaus navigieren. Da verliert selbst die engste Lücke ihren Schrecken. Und irgendwie cool ist die Fernsteuerung selbstverständlich auch.
Ab sofort bestellbar
Zu haben ist Minis Jüngster ab sofort. Die Preise beginnen bei 30.650 Euro, vielleicht lohnt aber ein bisschen Geduld. Erstmals nämlich wird mit dem Aceman demnächst ein E-Auto in der Version „John Cooper Works“ vom Band rollen. Bislang war das hauseigene Ballermann-Siegel ausschließlich potenten Verbrenner-Minis vorbehalten.
Den Aceman JCW treibt ein 258 PS starker Elektromotor, der dann auch die magische Tempomarke von 200 erreicht. Der 54-kWh-Akku soll für 355 Kilometer Reichweite gut sein. Wobei man halt nur das eine haben kann oder das andere. Aber wer würde schon einen Cooper fahren, um Strom zu sparen?

