Mercedes-AMG GLE 63 S: So schön kann Unvernunft sein

SUV-Coupé mit 585 PS

Mercedes-AMG GLE 63 S: So schön  kann Unvernunft sein
Der Mercedes-AMG GLE 63 S 4Matic - ein Trumm von Auto. © Daimler

Es hat gedauert, doch jetzt ist es soweit: Mercedes schickt mit dem GLE Coupé einen Konkurrenten zum BMW X6 an den Start. Er wird auch als AMG-Version mit 585 PS angeboten. Was er zu bieten hat, zeigt unser Test.

Von Frank Mertens

Als der BMW X6 auf den Markt kam, war das Geschrei groß. So ein Trumm von Auto braucht kein Mensch, es wird ein Ladenhüter. Das waren einige der Reaktionen, die sich die Verantwortlichen in München anhören mussten. Doch die Fachpresse hatte sich getäuscht. Das SUV-Coupé der Münchner gründete nicht nur ein neues Segment, sondern sorgt mittlerweile bereits in der zweiten Generation für gute Absatzzahlen.

Nun schickt Mercedes ab dem 20. Juli einen Konkurrenten zum X6 ins Rennen – das GLE Coupé. Es soll an den Erfolg des bayerischen Konkurrenten anschließen. Die Schwaben zeigen sich entsprechend selbstbewusst, dass das gelingt. Für das je nach Motorisierung mindestens 2,2 Tonnen schwere Coupé ruft Mercedes 66.700 Euro auf. Dafür bekommt man den GLE 350 d mit 258 PS und Allradantrieb. Der GLE 400 mit 333 PS steht mit 67.235 Euro in der Preisliste.

Drei AMG-Varianten im Angebot

Um den Kritikern eines solchen Autos noch mehr Argumente zu geben, es zu verdammen, werden auch drei AMG-Varianten des GLE angeboten. Da ist zum einen der GLE 450 4Matic mit 367 PS und an der Spitze stehen der AMG GLE 4Matic mit 557 PS für 111.384 Euro und das von uns gefahrene Topmodell der Baureihe, der AMG GLE 63 S 4Matic mit 585 PS für 121.261 Euro.

Kritiker werden einwenden: Unfug, braucht man nicht, für die Umwelt sind solche PS-Monster ein Unding. Kann man so sehen, vor allem wenn man dieses mächtige Auto vor sich stehen sieht. So reicht die Kofferraumkante etwas kleiner gewachsenen Menschen schon fast bis zur Brust– entsprechend kann man sich vorstellen, wieviel Blech hier mit einem Lebendgewicht von fast 2,3 Tonnen unterwegs ist. Die Abmessungen sprechen eine klare Sprache: 4,91 Meter ist er lang, knapp über zwei Meter breit und 1,71 hoch. Taucht ein solches Auto mit hohem Tempo plötzlich im Rückspiegel auf, reagiert man erschrocken, bevor man schnell auf die rechte Seite wechselt.

Boomendes Segment

Der V8 im Mercedes-AMG GLE 63 S
Im Mercedes GLE leistet ein V8 die Arbeit Daimler

Doch die Kunden stehen drauf, ihr Kaufverhalten spricht eine klare Sprache, wie die stetig steigenden Verkaufszahlen im SUV-Segment zeigen. Da auch Mercedes erkannt hat, dass die soziale Akzeptanz von SUVs gesteigert werden muss, bringen die Schwaben den GLE mit herkömmlichen Zuschnitt, der vor der neuen Nomenklatura von Mercedes als ML-Klasse firmierte, auch als Plug-in-Hybrid auf den Markt. Er fährt 30 Kilometer rein elektrisch und soll theoretisch nur 3,3 Liter auf 100 Kilometern verbrauchen und damit das Gewissen seiner Besitzer etwas beruhigen, wenn man morgens seine Kinder mit einem solchen Auto zur Schule kutschiert. Für das Coupé ist ein Plug-in-Hybrid nicht vorgesehen.

Doch zurück zur Unvernunft, dem AMG GLE 63 S. Er ist das beste Beispiel dafür, wie schön Unvernunft manchmal sein kann. Allein schon beim Anlassen sorgt der mächtige V8 für ein verheißungsvolles Brüllen. Es enttäuscht einen nicht: Bereits beim behutsamen Druck aufs Gaspedal wird man druckvoll in die Sportsitze gedrückt, dass man spätestens jetzt weiß, wie viel Power man unter dem Hintern spazieren fährt. 585 PS sind halt ebenso eine Ansage, wie ein Drehmoment von 760 Newtonmetern, das zwischen 1750 bis 5500 Touren zur Verfügung steht. Diese Kraft wird durch die 7-Gang-Automatik hervorragend umgesetzt - angesichts dieser annähernd verzögerungsfreien Kraftentfaltung bekommt man ziemlich schnell ein breites Grinsen auf dem Gesicht. So vergehen gerade einmal 4,2 Sekunden bis Tempo 100 und das Ende der Fahnenstange ist bei völlig ausreichenden 250 km/h erreicht.

Kaum Wankbewegungen

Mercedes-AMG GLE 63 S
Das wuchtige Heck des Mercedes GLE 63 S Daimler

Noch schöner als das reine „Erfahren“ dieser Kraft ist die Fahrdynamik des AMG 63 S. Seine hohe Karosserieform lässt vermuten, dass er bei schneller Fahrt doch arg ins Wanken gerät. Falsch gedacht: dieses SUV lässt sich davon nicht beirren. Dafür sorgt insbesondere die aktive Wankstabilisierung Active Curce System, dank derer sich dieser AMG so souverän durch die Kurven zirkeln lässt, dass er den Vergleich mit Sportwagen kaum zu scheuen braucht. Das haben die Fahrwerksspezialisten in Affalterbach schon prima gemacht.

Sie haben in dieses SUV dann alles an Technik hineingesteckt, was das Konzernregal zu bieten hat und das Fahren zu einem Erlebnis macht: Dazu gehört nicht nur der Allradantrieb, sondern auch eine Luftfederung mit Niveauregulierung und das stufenlose adaptive Dämpfersystem. Die elektromechanische Sportdirektlenkung sorgt dafür, dass man dieses SUV mit wenig Kraftaufwand zentimetergenau durch die Kurven zirkeln kann. Ach ja, das darf nicht fehlen: Der Verbrauch liegt bei 11,9 Litern (CO2-Ausstoß 278 g/km). Bei den Testfahrten waren es dann noch einmal drei Liter mehr.

Aber es geht natürlich auch anders, nämlich effizienter und vernünftiger Dafür braucht man sich nur für den GLE 250 d entscheiden. Der Vierzylinder-Diesel bringt es immerhin auch auf 204 PS – verbraucht dafür aber auch nur 5,4 Liter (CO2-Wert 140 g/km). Das ist dann ein Wert, der bei Kritikern solcher Fahrzeuge versöhnlich ankommen sollte.

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Frank Mertens
Nach dem Studium hat er in einer Nachrichtenagentur volontiert. Danach war er Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche.

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