Erst das GranCoupé, nun das GranCabrio. Maserati steht kräftig unter Strom. Billiger als der Verbrenner ist das exotische Modell obendrein.
Vor wenigen Jahren wäre ein solcher Schritt noch nahezu undenkbar gewesen. Ausgerechnet ein traditioneller Sportwagenhersteller wie Maserati macht Druck beim Wandel zur E-Mobilität. Bis Ende nächsten Jahres sollen alle Modelle der Italiener jeweils auch in einer vollelektrischen Version erhältlich sein. Ein Anfang ist gemacht. Das SUV Grecale und die neue Generation des GranCoupé gibt es bereits alternativ als Stromer. Pünktlich zum Sommer schickt Maserati nun das dritte Modell an den Start: das GranCabrio.
Die Marke aus Modena bewegt sich mit diesem offenen Viersitzer auf exklusivem Terrain. Kein weiterer Autobauer weltweit bietet bislang ein elektrisches Fahrzeug dieser Machart an. Leises Cruisen bei geöffnetem Verdeck, entspannter lässt es sich unter blauem Himmel kaum unterwegs sein. Zuvor allerdings wird das Konto mit mindestens 206.700 Euro belastet. Kleiner Trost: Die Verbrenner-Variante Trofeo mit dem Nettuno-V6-Motor und „nur“ 550 PS kostet mit 231.035 Euro noch deutlich mehr.
Vorbildliches Gesamtpaket
Normalerweise liegen die Preise für elektrische Modelle immer über denen der konventionellen. Vermutlich will man den potenziellen Kunden die neue Fahrkultur besonders schmackhaft machen. Und wer einmal drinsitzt, dürfte augenblicklich überzeugt sein. Das GranCabrio Folgore (italienisch für Blitz) fährt sich fantastisch, was nicht nur auf die schiere Leistung von 560 kW (760 PS) zurückzuführen ist, sondern im Wesentlichen auf das Gesamtpaket. Lenkung, Fahrwerk, Bremsen und die Kraftübertragung sind absolut vorbildlich.
Für Letztere sorgen insgesamt drei E-Maschinen. Zwei übernehmen jeweils ein Hinterrad, der dritte treibt die Vorderräder an. Das Zusammenspiel wird elektronisch geregelt und lassen das GranCabrio Folgore so dynamisch um die Kurven fliegen, dass man glaubt, die Gesetze der Fahrphysik gelten nicht mehr. Dazu bei trägt ganz gewiss auch das Batterie-Layout. Steckt unter Elektroautos üblicherweise eine Art Skate-Bord-Chassis mit einem großen, rechteckigen Akku, entschieden sich die Maserati-Ingenieure für eine T-förmige Konstruktion. Vorteil: Die Insassen müssen nicht auf der Batterie sitzen.
Wer die volle Leistung des GranCabrio Folgore ausnutzt, stürmt in nur 2,8 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100 und spielt damit in der Liga der Supersportwagen. Die Fahrmodi „Sport“ und „Corsa“ aktivieren dabei sogar noch einen dezent-bulligen Achtzylinder-Sound. Ansonsten kann man das Cabrio aber auch flüsterleise rollen lassen. Die Höchstgeschwindigkeit gibt Maserati mit 290 km/h an und versäumt nicht zu betonen, dass das GranCabrio Folgore damit das schnellste elektrische Cabrio auf dem Markt ist.
Nach 300 Kilometern ans Kabel
Bei derartigen Fahrwerten dürfte die 83 kWh große Batterie schneller leergesaugt sein als eine rettende Ladesäule auf dem Navi erscheint. Lässt man es aber ruhiger angehen, sind nach WLTP immerhin 447 Kilometer drin. Während der Testfahrt lag der Verbrauch bei 25 kWh auf 100 Kilometer, etwa zehn Prozent über der Norm, bedeutet: Der Maserati muss nach spätestens 300 Kilometer ans Kabel.
Bemüht um möglichst kurze Ladezeiten, spendierten die Techniker dem GranCabrio Folgore ein 800-Volt-System. An einem DC-Fast-Charger kann die Batterie mit einer Leistung von bis zu 270 kW geladen werden und liegt damit auf dem Niveau von Porsche und Audi. 80 Prozent der Kapazität sollen in unter 20 Minuten aufgefüllt werden können, vorausgesetzt die Batterievorkonditionierung übers Navi war zuvor aktiviert.
Mix aus Manufaktur und Hightech
Im Cockpit zieht Maserati alle Register. Der Innenraum wirkt im höchsten Maße luxuriös und bildet einen angenehmen Mix aus Manufaktur und Hightech. Nirgendwo trüben billige Materialien den Blick. Erstmals im Automobilbau bietet ein Hersteller sogenanntes Econyl an, ein Recyclingmaterial aus Altplastik und Nylonabfällen. Ein Laser perforiert in die oberste Schicht ein Muster.
Maserati bezeichnet das GranCabrio als „vollwertigen“ Viersitzer. Das ist großzügig ausgedrückt. Trotz knapp fünf Meter Außenlänge bleibt hinter den Vordersitzen wenig Knieraum. Der Kofferraum ist arg mickrig, nimmt allenfalls zwei kleine, weiche Sporttaschen auf, zumal dort auch meist noch das Windschott (Aufpreis) und das Ladekabel ihre Plätze beanspruchen. (SP-X)