Lexus RZ 450e: Die große Steuer-Reform

Lexus RZ 450e: Die große Steuer-Reform
Der Lexus RZ 450e bringt es bei 2,85 Metern Radstand auf 4,81 Meter Länge. © Lexus

Das erste Modell auf der E-Plattform von Lexus will kein normales SUV sein. Dem RZ 450e fehlen auf Wunsch Lenksäule und ein Stück Volant.

Im Geschäft sind sie bei Lexus, seit die CO2-Debatte tobt. Mit guten 90 Prozent fährt Toyotas noble Tochter in Sachen Hybrid-Quote seit Jahren vorneweg. Doch erst im Januar 2021 und nach immerhin 1,7 Millionen elektrifizierten Exemplaren wagten sich die Japaner mit dem UX 300e an das erste reine E-Auto der Marke. Nun folgt mit dem RZ 450e der erste Stromer auf eigener Plattform. Ein wichtiger Schritt: Bis 2030 will Lexus in West- und Mitteleuropa schließlich komplett elektrisch unterwegs sein.

Optisch dominiert wie stets der Winkel. Vom diabolisch gezackten Grill bis zum kantigen Heck. Sogar der Dachspoiler trägt teufelsgleich Hörnchen – der besseren Aerodynamik wegen. Ansonsten aber gibt sich der 230 kW (313 PS) starke RZ 450e höchst unsatanisch. Vorne thront man wie der Tenno. Umgeben von gepflegtem Ambiente und fernöstlichem Feinsinn. Auch hinten hat’s nach kurzer Verbeugung beim Einstieg reichlich Raum für Haupt und Glieder. Warum sollte nicht auch im Auto gelten, was die Japaner „Omotenashi“ nennen? Gastfreundschaft!

Variabler Allradantrieb über Direct4

Auf Zack: Beim Design des RZ 450e dominiert der Winkel. Foto: Lexus

Lexus wirbt mit kompakten Aggregaten, bei denen E-Motor, Getriebe und Steuergerät zu einem Bauteil verschmelzen. Vorne arbeiten 150 kW, hinten 80 – koordiniert über die Eigenentwicklung Direct4. Sensoren erfassen Tempo, Lenkwinkel und G-Kräfte und berechnen die klügste Kraftverteilung. Irgendwo zwischen 75 Prozent an der Vorderachse bis Vollpackung hinten. In weniger als einem Wimpernschlag und damit schneller als bei jedem mechanischen System. Obendrein etwas pfiffiger als beim Toyota-Bruder bZ4X. Aber irgendwo muss sich ja zeigen, dass die Konzern-Oberen Lexus die Führungsrolle bei der Elektrifizierung zugedacht haben.

Und man wäre nicht bei einer Nobelmarke, wenn die Ingenieure nicht auch ein wenig Raffinesse verbaut hätten. Im RZ 450e ist es optional eine elektrisch gesteuerte Lenkung namens „One Motion Grip“. Dank „Steer by Wire“ geht die Drehbewegung nicht über althergebrachte Mechanik an die Zahnstangen, sondern per Datenfluss. Da gewinnt der Begriff Strom-Steuer eine völlig neue Dimension. Wem dennoch ein wenig mulmig werden sollte: Lexus verspricht eine Ausfallsicherung für die Prozessoren und eine Notversorgung, falls plötzlich der Strom fehlen sollte.

„Yoke“-Volant ab 2025 als Option

Fast wie in einem Flugzeug-Cockpit: Das ab 2025 optional erhältliche „Yoke“-Volant. Foto: Lexus

Gewöhnungsbedürftig sieht das zugehörige „Yoke“-Volant aus, das eben genau kein Lenk-Rad mehr ist und gut auch aus einem Flugzeug stammen könnte. Übergreifen war gestern. Man kann es sich aber zum Glück auch sparen, weil von der Mittelstellung bis zum jeweiligen Anschlag nur 150 Grad nötig sind. Die Formgebung zwingt gleichsam zu vorbildlicher Handhaltung, erlaubt aber eben kaum entspannte Alternativen auf langen Strecken. Das Prinzip erinnert an klassische Kirchenbänke, in denen man nur notgedrungen den Rücken schön gerade macht. Trost für Traditionalisten: Runder Kranz samt starrer Säule ist von Beginn an im Angebot, für „On Motion Grip“ bleibt Bedenkzeit bis 2025.

In Sachen Lenkgefühl gibt’s freilich nichts zu überlegen. Auch elektronisch gesteuert folgt der 4,81 Meter lange RZ 450e dem feinen Strich bis weit in den Grenzbereich, reagiert mit hoher Präzision und vermittelt zu jedem Zeitpunkt eine wohldosierte Rückmeldung. Wären nicht 2,1 Tonnen in die Kurve zu zwingen, man könnte sich fast in einem Sportwagen glauben. Die mitdrehenden Blinkerhebel allerdings sind unangenehm weit nach unten gerutscht.

In jedem Fall garantiert das Yoke-Steuer bessere Sicht auf die Instrumente als das klassische Lenkrad. Das beruhigt den Blick und sorgt dafür, dass der Fahrer seine Aufmerksamkeit ganz der Straße widmen kann. Am Ende soll stehen, was sie in Japan „Tazuna“ nennen: Die Philosophie, dass der Fahrer den RZ 450e mit ähnlich minimalen Bewegungen kontrolliert wie ein Reiter sein Pferd. Allerdings kann ein wenig Übung nicht schaden. In scheinbar vertrauten Situationen wie dem Linksblick bei der Einfahrt in einen Kreisverkehr geht der instinktive Griff anfangs nämlich auch mal ins Leere.

Ausgefeilte Aerodynamik

Viel Dämmung, wenig Luftwiderstand: Sogar der Dachspoiler trägt Hörnchen. Foto: Lexus

Am Vortrieb gibt’s nichts zu mäkeln, am Fahrwerk allenfalls die trotz variabler Dämpfung etwas sehr komfortabel geratene Abstimmung. Allerdings ist kompromissloser Kurvenraub auch nicht Kernkompetenz des RZ 450e, so dass sie bei Lexus den Geschmack der Masse wohl getroffen haben dürften. Schließlich fährt man auch vor ordentlich Laderaum her. Hinter der elektrischen Klappe packt der Wagen 522 Liter weg, mit umgeklappten Rücksitzen sind’s 1,45 Kubikmeter – plus ein Staufach im Unterboden fürs Ladekabel.

Weil die E-Motoren im Gegensatz zu Verbrennern bloß säuseln, machen verstärkt andere Geräusche von sich hören. Das der bis zu 20 Zoll großen Räder zum Beispiel. Allerdings sorgt eine ausgefeilte Aerodynamik samt aufwändiger Dämmung dafür, dass all der störende Lärm zuvörderst da bleibt, wo er hingehört: draußen. Was trotzdem eindringt, eliminiert eine neue Version von „Active Sound Control“, die gegenläufige Frequenzen über die Audio-Lautsprecher in den Innenraum leitet.

Auch ein paar Premieren hält der neue Lexus bereit. Das speziell beschichtete Glas des Panoramadachs reflektiert das Sonnenlicht an heißen Tagen und hält bei kühler Witterung die Wärme drinnen. Statt Sonnenrollo verdunkelt ein elektrischer Dimmer. Und: Infrarotstrahler auf Kniehöhe legen eine gefühlte Heizdecke über die Beine. Das spart Strom und beschert Reichweite. Apropos Radius: Der 71,4-kW-Akku im Unterboden erlaubt mit 20-Zöllern 395 Kilometer (WLTP), bei zwei Zoll kleineren Rädern sind es immerhin 40 Kilometer mehr. Nahe kommt man diesen Werten allerdings nur im „Range-Modus“. Im Klartext: Klimaanlage aus, reiner Heckantrieb und maximal Tempo 100 statt möglicher 160. Fahrspaß fühlt sich anders an.

Jede Menge Assistenzsysteme

Zum Marktstart gibt’s erst mal das klassische Cockpit und jede Menge elektronische Helfer. Foto: Lexus

Egal, ob man beim Strom nun spart oder prasst – sechseinhalb Stunden dauert die Ladung an der Wallbox, gerade mal 30 Minuten an der 150-kW-Gleichstrom-Säule. Nach Ablauf von zehn Jahren garantiert Lexus noch mindestens 70 Prozent der Akku-Kapazität. Dass es zu diesem Zeitpunkt ganz sicher noch 90 Prozent sein würden, ist zwar fester Glaube der Ingenieure, aber eben kein Versprechen.

Verlassen kann man sich auf die Sicherheit im RZ 450e. Radar und Kamera des Pre-Crash Safety Systems erkennen jetzt auch Motorräder, Radfahrer und Fußgänger, auf Wunsch gibt’s einen digitalen Innenspiegel, und eine Kamera über dem Lenkrad behält den Fahrer im Auge. Auch pfiffig: Erspäht der Totwinkel-Assistent drohendes Ungemach, lässt sich die Tür nicht öffnen.

Das alles hat seinen Preis. Stolze 68.000 Euro ruft Lexus für das Basismodell auf, die Hälfte der Kunden indes wird sich nach internen Schätzungen für die 10.000 Euro teurere Top-Ausstattung entscheiden. Exklusivität ist in jedem Fall garantiert. Das zeigt schon ein Blick auf die bisherigen Absatzzahlen der Marke. Die anderen müssen beim Blick in den Rückspiegel also nicht ständig das Gefühl haben, womöglich sei doch der Teufel hinter ihnen her…

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