Mit dem Vollhybridsystem ist der Lexus GS 300h leise unterwegs. Im Gegensatz zum nordamerikanischen Markt fährt die Mittelklasse der Toyota-Tochter in hiesigen Gefilden quasi unter einer Tarnkappe.
"Bescheidenheit ist die höchste Form der Arroganz" sagte einst ein ehemaliger Lehrer aus gegebenem Anlass häufiger zu unserer Klasse. Wenn dem so sein sollte, dann ist der Lexus GS 300h eine ganz besondere Form der Überheblichkeit. Denn leiser und unauffälliger kann man mit einem Fahrzeug der oberen Mittelklasse heutzutage kaum unterwegs ein. Also in einem Segment, in dem E-Klasse, 5er und A6 auf eine keineswegs besonders zurückhaltende Art hierzulande den Ton angeben.
Lexus GS 300h zwischen Perfektion und Langeweile
Woran liegt es, dass man sich als Fahrer des edlen Japaners immer ein wenig wie unter einer Tarnkappe fühlt? Zum einen ist es das Design des vor zwei Jahren vorgestellten GS: Das ist zwar im Vergleich zum Vorgänger deutlich markanter und kraftvoller geworden, fällt aber hierzulande trotzdem wenig auf. In Nordamerika, wo Lexus anders als hier große Verkaufserfolge feiert, wird die Limousine offensichtlich anders wahrgenommen.
Es gibt aber noch einen Grund für die stille Präsenz der Viertürers. Sein Hybrid-System arbeitet derart leise, perfekt und störungsfrei, dass man kaum glauben mag, in einem Fahrzeug mit alternativem Antrieb zu setzen. Allerdings liegt in dieser Perfektion auch ein Hauch von Langeweile. Was man auf langer Strecke, und die liegt dem GS 300h ausgesprochen gut, gerne in Kauf nimmt – nämlich eine unspektakuläre, entspannende Form des Reisens – weicht im automobilen Alltag schnell einer gewissen Ödnis. Denn auch der Innenraum des GS ist zwar perfekt verarbeitet, ihm fehlt es aber an netten individuellen Detaillösungen und optischen Reizpunkten. Und wo der Vorteil des über einen mausähnlichen Handschmeichler statt eines klassischen Dreh-Drück-Schalters zu bedienenden Infotainmentsystems liegt, haben wir auch nach diesem Test noch nicht verstanden.
Störungsfreies Vollhybridsystem des Lexus GS 300h
Verstanden haben wir dagegen: Lexus und Toyota bauen immer noch die besten Hybridsysteme. Das Vollhybridsystem arbeitet komplett störungsfrei und verlangt vom Autofahrer keinerlei Eingewöhnung, weil es sich im Alltag letztlich nicht von einem Fahrzeug mit normalem Verbrennungsmotor unterscheidet. Ob sich der technische Aufwand lohnt, muss allerdings jeder selbst beurteilen. Aus europäischer Sicht, wo Diesel ähnlich knausrig oder sogar noch sparsamer fahren, mag der Benzin-Hybrid überflüssige Spielerei sein. In Asien und Nordamerika ist das anders.
Klar ist: Wer wirklich Sprit sparen will, für den ist der GS 300h sicher nicht erste Wahl. Den von uns herausgefahrenen Verbrauchswert von 6,3 Liter im Schnitt könnte man mit weniger Aufwand sicher auch anders erreichen. Zumal der Japaner bei 190 km/h abregelt und sich damit auf schnellen Autobahnabschnitten sozusagen freiwillig kastriert. Das ist der Preis für den Hybridantrieb, wer dazu greift, steht nicht auf Höchstgeschwindigkeiten, sondern genießt vielmehr den einen oder die zwei Kilometer in der Stadt, die man mit vorsichtigem Gasfuß rein elektrisch fahren kann.
Lexus GS 300h optimale Reiselimousine
Dabei ist der GS von seinen Ausmaßen und seinem Auftritt her ja eigentlich gerade eine Reiselimousine. So sind die Sitze zum Beispiel absolut top und entlassen den Fahrer selbst nach zehnstündigem Fahren praktisch ermüdungsfrei in anstrengende Realleben. An einer Stelle bemerkt man den Hybridantrieb bzw. den damit verbundenen Batteriebedarf aber doch - beim Kofferraumvolumen: 468 Liter sind in dieser Klasse alles andere als ein Spitzenwert, eine Mercedes E-Klasse packt locker 540 Liter.
Auch darf man von Lexus nicht erwarten, dass die Fahrzeuge angesichts des verschwindet geringen Marktanteil besonderes günstig abgegeben werden. Ein GS 300h mit Basisausstattung kostet mindestens 45.300 Euro, unser in der höchsten Ausstattungsstufe Luxury Line eingekleideter Testwagen kommt ohne weitere Extras schon auf 62.300 Euro. Hier zeigt sich Lexus auf Augenhöhe mit deutschen Wettbewerbern.
Fahrwerk des Lexus GS 300h überzeugt nicht immer
Das gelingt dem Fahrzeug ansonsten nicht in jeder Disziplin. Insbesondere das Fahrwerk wirkt auf schlechten Straßen nicht immer souverän und neigt zum Poltern, die Lenkung mögen wir in Deutschland etwas direkter und die Beschleunigung vehementer.
So ist der Lexus GS 300h letztlich weniger ein Auto für Menschen, die über das Hybridsystem Treibstoff einsparen wollen. Mit seiner perfekten, aber auch leicht unterkühlten Art passt er vielleicht eher zu einem von Berufs wegen technikbegeisterten Ingenieur – idealerweise einem, der gerne auf langen Strecken gleitend unterwegs ist. (SP-X)