Kia EV9: Auf zu neuer Größe

Unterwegs mit dem Fünf-Meter-Flaggschiff

Kia EV9: Auf zu neuer Größe
Der EV9 ist das neue elektrische Flaggschiff von Kia, © Kia

Kia hat ein neues Flaggschiff: es ist der EV9. Er fährt natürlich rein elektrisch – und spricht mit seiner Größe vor allem Familien an. Aber nicht nur.

Doch passt ein Auto wie der Kia EV9 mit einer Länge von 5,01 Meter und einer Breite von 1,98 Meter noch in eine Zeit, in der die Städte immer voller werden und Nachhaltigkeit immer wichtiger wird?

Thomas Djuren versucht die Größe des Kia EV9 erst gar nicht schönzureden. Natürlich ist der Kia EV9 ein großes Auto, sagt der Deutschlandchef von Kia. Doch Nachhaltigkeit sollte man bitte nicht allein an den Abmessungen eines Fahrzeuges festmachen. „Es geht nicht nur um die schiere Größe, es geht vielmehr um den Antrieb, das Innenraumkonzept.“

USA als Hauptmarkt für den EV9

Kia-Deutschlandchef Thomas Djuren hinter dem Steuer des EV9. Foto: Alexander Herold/Kia

Damit zielt Djuren zum einem auf den Elektroantrieb des EV9 ab, zum anderen auf den Platz und die Verwendung von Recyclaten. Wie bei neuen Autos mittlerweile üblich, wurden auch beim neuen Flaggschiff der Marke beispielsweise Garne, Teppiche, Gewebe oder Filz aus receyceltem PET hergestellt. Das verwendete Plastik stammt aus dem Meer, wurde im Rahmen der Partnerschaft mit dem Projekt „The Ocean Cleanup“ gesammelt.

Dass dieser Aspekt dafür sorgt, dass die Kritik bei denen abnimmt, die die Autobranche wegen ihrer zu großen SUVs verdammen, ist indes nicht zu erwarten. Größe ist indes etwas Subjektives. In den USA beispielsweise, vor Südkorea dem Hauptmarkt für das neue Flaggschiff, gilt der EV9 als Midsize-SUV. Nun ja.

In Deutschland sieht das anders aus, hier gehört der EV9 zu den Dickschiffen. Ungeachtet dessen wird er seine Kundschaft finden, da ist sich Djuren sicher. Nachdem Fahrzeuge wie ein VW Sharan, ein Seat Alhambra oder ein Ford S-Max vom Markt verschwunden sind, sieht der Deutschlandchef einen Markt für ein Fahrzeug wie den EV9 „gerade bei größeren Familien“. Aber nicht nur hier. Auch im Flottenbereich sieht Djuren Potenzial. „Wir müssen uns frei machen davon, dass dort nur kleine Autos gefragt sind, idealerweise Diesel mit hohen Nachlässen.“ So müssten auch Flotten ihren CO2-Fußabdruck senken, „und das Thema Nachhaltigkeit spielt auch für sie eine immer wichtigere Rolle“.

Radstand von 3,10 Meter

Zudem sollte man mit Blick auf die Größe eines Autos nicht nur Metropolen im Blick haben, wo es sicherlich schwieriger sei, ein solches Auto zu vermarkten. Aber Deutschland ist ein Flächenland, sagt Djuren. „Wenn ich mir anschaue, wie viele Menschen außerhalb der Städte leben, haben wir dort große Chancen mit diesem Auto.“ Das insbesondere bei denen, die viel, viel Platz suchen – und den bietet der EV9 mit seiner Länge und einem Radstand von 3,10 Meter nicht nur für die Passagiere, sondern auch fürs Gepäck. So stehen bei aufrechter Position aller Sitze 333 Liter zur Verfügung, bei umgeklappter dritter Reihe sind es 828 Liter. Im Frunk lassen sich 90 Liter (Heckantrieb) verstauen (52 Liter Allrad). Der Raumkomfort, den der EV9 bietet, ist beeindruckend und macht ihn zu Alternative beispielsweise zu einem ID. Buzz von VW.

Die Sitze in Reihe zwei des Kia EV9 lassen sich auch in entgegengesetzte Fahrtrichtung drehen. Foto: Kia

Ausgeliefert wird der EV9 übrigens immer mit drei Sitzreihen. Entweder mit einer Dreiersitzbank in Reihe zwei, dann gibt es zusammen mit den zwei Einzelsitzen in Reihe drei insgesamt sieben Plätze. Oder es gibt ihn als Sechssitzer, dann gibt es zwei drehbare Sitze in Reihe zwei. Dank der in die Sitze integrierten Sicherheitsgurte kann man auch entgegen der Fahrtrichtung sitzen. Variabilität ist damit eine der großen Stärken des EV9, der zudem mit einer guten Verarbeitungsqualität aufwartet. Etwas anderes ist indes von einem Auto mit einem Einstiegspreis von 72.490 Euro (Heckantrieb/204 PS) nicht zu erwarten. Die Variante mit Allrad kostet übrigens 82.380 Euro und die sportliche GT-Line (ebenfalls mit 385 PS) 83.190 Euro.

Anhängelast von 2,5 Tonnen

Und, wie viele Autos sollen in Deutschland verkauft werden? Konkrete Zahlen mag Djuren nicht nennen, aber sie würden sich nicht in homöopathischen Dosen bewegen, „wir reden da schon von einigen Tausend Fahrzeugen pro Jahr“, so der Deutschlandchef. In diesem Jahr erwartet Djuren um die 80.000 Zulassungen, nachdem die Marke nach zehn Monaten auf 63.500 Neuzulassungen kommt.

Sicherlich sei der EV9 kein massentaugliches Modell, da kämen ganz andere Fahrzeuge in der Zukunft von Kia wie der EV3 oder der EV5. Aber er wird seine Zielgruppe finden, auch bei denen, die beispielsweise ein Boot oder einen Pferdeanhänger ziehen wollen. Der EV9 kann in der Allradvariante immerhin 2,5 Tonnen ziehen. Das ist eine Ansage.

Das trifft auch auf die Reichweite zu. Die 99,8 kWh starke Batterie des EV9 ermöglicht in der Variante mit 204 PS und Heckantrieb eine Reichweite von bis zu 563 Kilometer, mit Allrad und einer Leistung von 385 PS sind es immer noch 512 PS. Damit nehme man den Kundinnen und Kunden die Sorgen fehlender Reichweite, sagt Djuren. Der Manager hat aus Anlass unseres Gesprächs übrigens erstmal hinter dem Steuer des EV9 Platz genommen, hat mit ihm selbst die ersten Kilometer zurückgelegt – und zeigte sich überrascht, wie leichtgängig sich der SUV trotzt seiner Abmessungen fahren lässt.

Akkus mit höherer Energiedichte

Der Akku des EV9, der wie der EV6 auf der EV-Plattform (E-GMP) basiert, weist übrigens eine höhere Energiedichte als das Schwestermodell auf. Dank einer neuen Zellchemie konnte sie im um 8,5 Prozent gesteigert werden. Die Lithium-Ionen-Batterien bringen es aufgrund ihrer Größe übrigens auf ein Gewicht von fast 567 Kilogramm. Dank der bereits aus dem EV6 bekannten 800-Volt-Architektur können sie besonders schnell geladen werden, nämlich mit bis zu 210 kW an einem HPC-Lader. So kann in gerade einmal 15 Minuten 249 Kilometer nachgeladen werden. Bei Ionity und Aral ist sogar Plug&Charge möglich. Der Verbrauch wird je nach Motorisierung mit 20,2 kWh/100 km bzw. 22,3 kWh/100 km angegeben. Der EV0 verfügt übrigens auch über einen Routenplaner, der einem die auf der Strecke liegenden Ladestationen anzeigt. Kleines Manko: es wird bei der Auswahl einer Station nicht der prozentuale Ladestand der Batterie angezeigt. Hier sollte Kia bei einem Auto dieser Preisklasse schnell nachbessern.

Der Kia EV9 wird mit zwei Motorisierungen angeboten: 204 PS und 385 PS. Foto: Kia

Die Verbrauchswerte erscheinen übrigens realistisch. Bei unseren Testfahrten lagen wir mit der Allradvariante bei knapp 20,5 kWh, also unter dem WLTP-Wert. Für ein solches Schwergewicht ein guter Wert, der auch durch die gute Rekuperationsleistung zustande kommt. Wer mag, der kann mit der 204 PS-Variante übrigens bis zu 185 km/h (Allrad 200 km/h) schnell fahren und in 9,4 Sekunden (sechs Sekunden/bei GT-Line 5,3 Sekunden) auf Tempo 100 spurten. Dann muss man sich indes auf andere Verbrauchswerte einstellen.

Auch wenn sich der EV9 für ein Auto dieser Größe außerorts recht leichtgängig bewegen lässt, kann auch er in Kurven die Physik nicht aufheben. Seine Abmessungen bei einer Höhe von 1,78 Meter merkt man ihm trotz eines guten Fahrwerks deutlich an. Und in der Stadt, da mag man sich trotz aller Assistenten nicht mit dem Gedanken anfreunden, dieses Auto in ein Parkhaus zu fahren oder es in eine Parklücke zu manövrieren. Die Größe des EV9 lässt sich halt nicht wegdiskutieren, seine vielen Stärken aber auch nicht.

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